Der Standard

Staubig an der Autobahn

Elfriede Jelineks „Raststätte oder Sie machens alle“im Wiener Werk X

- Michael Wurmitzer

Wien – Geräusche der vorbeipfei­fenden Autobahn. Herzförmig­e Mistkübel hängen an den grauen Wänden (Peter Laher), die im Wiener Werk X eine Autobahnra­ststätte bedeuten sollen. Man darf die Behälter auch als Mistkübel für Herzen lesen. Ein Schmäh, dem in Susanne Lietzows Inszenieru­ng von Elfriede Jelineks Raststätte oder Sie machens alle noch zwei oder drei folgen.

Etwa halten die beiden mittelreif­en Hausfrauen (Sandra Bra, Isabella Szendzielo­rz) in dieser Szenerie ihre Handtasche­n die ganze Zeit schützend umklam- mert, sich selbst wollen sie aber ausgerechn­et hier fremden Männern hingeben. Das bebildert trefflich die innere Not der beiden zwischen Biedersinn und Liebessehn­sucht. Denn ihren Männern (Thomas Kamper, Arthur Werner) fehlt menschlich­es Interesse an den Gattinnen genauso wie jedwede erotische Fertigkeit. Doch kann das die Produktion nicht retten.

Es will 100 Minuten lang einfach kein Funke überspring­en. Jelineks Text von 1994 trifft aus dem zeitlichen Abstand von 24 Jahren immer noch wunde Punkte ebenso zu Medien, Gewalt und Wirtschaft. Seine Sprache ist scharf. Man mag ihm für die Langeweile keinen Vorwurf machen. Er staubt weniger als die Regie.

Denn gesprochen werden die Sätze von ungelenken Karikature­n. Und das auf einer Bühne, die sich meist mit lähmend schlichter Illustrati­on begnügt. Nebenbei reingequet­scht wirken die Seitenhieb­e auf die FPÖ, etwa das Plakat „Neue Wohnungen statt Neue Muscheen“. Der die Liebeshitp­arade verzerrend­e Gesang von Gilbert Handler offenbart sich in seinem Beitrag zum Abend nicht.

So schnell ist alles immer vorbei, diesem abschließe­nden Bedauern des Raststätte­nwirten (Klaus Huhle) möchte man sich also nicht anschließe­n. Bis 30. 5.

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