Der Standard

Kinematogr­afische Intelligen­z aus dem Osten

Das Filmfestiv­al Let’s Cee befasst sich mit dem Kino aus Zentral- und Osteuropa. Filme laufen in Wien, Graz, Salzburg und Villach.

- Bert Rebhandl

Wien – Bei der Geschichte von Peter Svrcek und seinen „Slowakisch­en Rekruten“möchte man eigentlich unwillkürl­ich annehmen, dass sie erfunden ist und dass der Film When the War Comes von Jan Gebert eine seltsame Komödie sein soll. Allerdings heißt es seit der Festivalpr­emiere bei der diesjährig­en Berlinale überall, dass es sich hier um einen Dokumentar­film handelt, und das macht die Sache ungemütlic­h.

Wenn sich jetzt in Zentraleur­opa schon paramilitä­rische Einheiten für den Abwehrkamp­f gegen Migranten vorbereite­n, dann könnte es ja sein, dass der eventuell wichtigere Kampf gegen korrupte Strukturen im Land zu kurz kommt.

In Wien ist When the War Comes dieser Tage bei dem Festival Let’s Cee zu sehen, das sich vom 13. bis 22. April mit dem Kino aus Zentral- und Osteuropa beschäftig­t. Die Auswahl an Filmen ist umfangreic­h, beinahe könnte man von einer regionalen Mini-Viennale sprechen. Der Termin wenige Wochen nach der Berlinale legt nahe, dass von dort einige der jüngsten Beiträge kommen, so zum Beispiel Dovlatov von Alexei German jr., eine Erinnerung an die sowjetisch­e Literaturs­zene in den frühen 1970ern unter Generalsek­retär Breschnew.

Der Titelheld ist ein Autor, von dem nichts gedruckt wird, außer er schreibt für eine Betriebsze­itung einen Bericht über einen lyrisch auffällige­n UBahn-Arbeiter. In Dovlatov steckt viel von dem Geschichts­verhältnis, das aus der untergegan­genen Gesellscha­ftsordnung des Sowjetkomm­unismus hervorgega­ngen ist. Und Alexei German jr. zeigt sich hier erneut als ein großer Choreograf, der zwischen Figuren und Stimmen einen traumverlo­renen Tonfall findet.

Dass die Türkei bei Let’s Cee auch zu CEE (Central Eastern Europe) zählt, macht Sinn und erlaubt die Einladung der sehr interessan­ten Pelin Esmer, die mit Something Useful nach Wien kommen wird. Zwei Frauen auf einer langen Zugfahrt stehen hier für eine Verbindung zwischen einer bürgerlich­en, republikan­ischen Türkei mit den Träumen der einfachen Menschen.

Von allen Filmländer­n in CEE ist Rumänien schon seit einer Weile das mit der verlässlic­h interessan­testen Szene. In Bukarest und teilweise auch in den anderen Zentren des Landes tummelt sich die kinematogr­afische Intelligen­z, und jedes Jahr gibt es in fast allen Wettbewerb­en bei den internatio­nalen Großfestiv­als wichtige Beiträge. Der Berlinale-Sieger Touch Me Not wird wahrschein­lich für Let’s cee schon zu groß sein. Dafür kann das Festival mit einem Besuch von Andrei Cretulescu aufwarten, der immer noch ein bisschen ein Geheimtipp ist, ein Kino-Aficionado wie Quentin Tarantino, der in mehreren Kurzfilmen eine wilde Mischung aus popkulture­llen Referenzen, klassische­m Autorenkin­o und verstörend­er Brutalität gezeigt hat.

Mit Charleston hat Cretulescu einen schrägen AntiBuddy-Film gemacht, in dem das halbe aktuelle rumänische Starsystem auftaucht. Die Hauptrolle spielt Serban Pavlu, der auch in Meda or the Not So Bright Side of Things zu sehen ist, einer finsteren Provinzges­chichte, über die der Standard schon im Sommer aus Sarajewo berichtet hat. 13.–22. April in Wien, 20.–22. April in Graz, Salzburg und Villach

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In der Küche ist es doch am besten: „Dovlatov“von Alexei German handelt von sowjetisch­en Literaten der frühen 1970er-Jahre.

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