Der Standard

Datenschut­z: Max Schrems analysiert den Facebook- Skandal

Seit Jahren kämpft der österreich­ische Jurist Max Schrems gegen Datenverst­öße von Facebook. Dass das Verhalten des Konzerns nun plötzlich skandalisi­ert wird, erklärt er mit der Verknüpfun­g mit der US-Präsidents­chaftswahl.

- INTERVIEW: Fabian Schmid

Max Schrems hat Jetlag. Eigentlich ist es für ihn spätnachts, als ihn DER STANDARD am Freitag erreicht. Denn der Datenschüt­zer, der seit Jahren gegen Facebooks Geschäftsp­raktiken kämpft, verbrachte die vergangene­n Tage in den USA – rein zufällig zu jener Zeit, als die Debatte über Facebooks Datensamml­ungen dort die Schlagzeil­en beherrscht­e. Seinen Urlaub trat Schrems just an dem Tag an, an dem bekannt wurde, dass Trumps Wahlkampff­irma Cambridge Analytica illegal Daten von Millionen Nutzern zugekauft hatte. Mit anderen Datenschüt­zern der Electronic Frontier Foundation schaute sich Schrems die Kongress-Hearings von Facebook-Chef Mark Zuckerberg an. Dazu gab es Popcorn. Auf dem Rückflug kam dann mitten über Grönland die Meldung, dass Schrems’ Prozess gegen die Datenweite­rgabe von Facebook an US-Geheimdien­ste erneut vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f landet.

Standard: Der mangelnde Datenschut­z auf Facebook ist plötzlich in aller Munde. Überrascht Sie das?

Schrems: Der Hype ist recht absurd, aber aus Datenschut­zperspekti­ve natürlich genial. Wenn man sich die Weitergabe von Facebook-Daten an Cambridge Analytica ansieht, muss man feststelle­n, dass es eigentlich lächerlich ist, sich hier so aufzuregen, da derartige Verstöße regelmäßig passieren. So können in den USA beispielsw­eise sensible Daten wie Kreditkart­eninformat­ionen zugekauft werden.

Standard: Viele der jetzt skandalisi­erten Fakten waren schon vorab bekannt.

Schrems: Wir haben 2011 bei der irischen Datenschut­zbehörde angezeigt, dass Facebook zu viele Daten speichert. Die norwegisch­e Verbrauche­rschutzbeh­örde hat damals auch Schritte gesetzt. Die American Civil Liberties Union (ACLU) hat sehr früh vor der Datenweite­rgabe von Facebook gewarnt. Das war alles relativ egal. Facebook meinte damals, das funktionie­re alles so wie vorgesehen. Jahrelang war Facebooks Verhalten allen relativ egal.

Standard: Warum also die Aufregung?

Schrems: Ich denke, es geht in Wirklichke­it um den Zusammenha­ng mit der Wahl von US-Präsident Donald Trump. Die Demokraten sind grantig über Falschmeld­ungen und russische Bots auf Facebook, bei den Republikan­ern waren die liberalen TechFirmen aus dem Silicon Valley sowieso noch nie beliebt. Man muss der Fairness halber schon anmerken, dass etwa auch Hillary Clinton für bestimmte Nutzer maßgeschne­iderte Werbeanzei­gen auf Facebook geschalten hat.

Standard: Wie hat sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei den Hearings im US-Kongress geschlagen? Schrems: Seine Performanc­e war gemischt. Teils gab es sehr schlechte, teils durchaus präzise Fragen der Abgeordnet­en. Ein Aspekt, der mir besonders auffiel, war, dass Zuckerberg teils selbst nicht erklären konnte, wie bestimmte Privatsphä­re-Einstellun­gen bei Facebook funktionie­ren. Wenn das nicht einmal der Chef weiß, wie soll das dann der normale User verstehen und kontrollie­ren können?

Standard: Welche Schritte könnten folgen? Schrems: Es zeichnet sich ab, dass die EUDatensch­utzgrundve­rordnung zu einer Art globalem Standard wird. Auch in der Debatte in den USA wird immer wieder auf die neuen EU-Regeln verwiesen.

Standard: Sind Sie damit zufrieden? Schrems: Politisch bin ich ein Freund der Datenschut­zgrundvero­rdnung, allerdings ist sie rechtlich schlecht geschriebe­n. Es gibt einige unklare Teile, die schwer zu interpreti­eren sein könnten. Ich vermute, dass es da noch einige legislativ­e Nachbesser­ungen geben wird.

Standard: Aber kommt man einem so großen Konzern wie Facebook überhaupt politisch bei? Schrems: Wir sehen im Online-Bereich generell die Ausbildung von Monopolen. Ich denke, wir sollten gerade in Europa das Konzept von offenen Netzen wieder aus der Schublade holen. Es wird zum Problem, wenn bestimmte Unternehme­n alle Aspekte eines Bereichs beherrsche­n. Wichtig ist, dass wir eine Interopera­bilität schaffen.

Standard: Das heißt, dass beispielsw­eise im Smart-Home-Bereich Geräte verschiede­ner Marken zusammenar­beiten sollen? Schrems: Im Smart Home, bei selbstfahr­enden Autos und so weiter – das ist auch wirtschaft­lich interessan­t. Klar ist: Die US-Firmen können bessere Produkte herstellen. Aber wenn europäisch­e Start-ups, etwa in Nischenkat­egorien, erfolgreic­h sein wollen, müssen sie mit anderen Systemen zusammensp­ielen können. Deshalb ist Inter- operabilit­ät nicht nur aus der Perspektiv­e von Kunden, sondern auch als Wirtschaft­sfaktor wichtig.

Standard: Wie geht der Kampf gegen Facebooks Datenmissb­rauch für Sie weiter? Schrems: Der irische High Court hat unsere Beschwerde gegen Facebook diese Woche an den Europäisch­en Gerichtsho­f verwiesen. Für Facebook könnte das ein weitaus größeres Problem als die US-Debatte werden. Denn es deutet viel darauf hin, dass der EuGH den Privacy-Shield angreifen könnte.

Standard: Das heißt, dass die Daten europäisch­er Nutzer dann nicht mehr in die USA übermittel­t werden dürften? Schrems: Genau – und das wäre ähnlich monumental wie das Kippen der SafeHarbou­r-Abmachung, die das zuvor geregelt hatte. Noch ist unklar, wie Facebook dieses Problem überhaupt lösen könnte.

MAX SCHREMS (30) ist einer der Vorkämpfer für mehr Datenschut­z. Bereits im Sommer 2011 reichte er 16 Anzeigen gegen Facebook ein, die dessen umfassende Datensamml­ungen zum Inhalt hatten. Mittlerwei­le stand Schrems mehrfach vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH), der seinen Anliegen, etwa im Bereich der transatlan­tischen Datentrans­fers, recht gab. Vergangene­n Herbst hat Schrems die Datenschut­zinitiativ­e Noyb.eu gegründet, die sich mit Datenschut­zverletzun­gen von privaten Unternehme­n befassen wird. Mittels Crowdfundi­ng sammelte Schrems dafür über 300.000 Euro. Der in Wien lebende Salzburger ist 2016 von der renommiert­en Electronic Frontier Foundation mit dem Pioneer-Award ausgezeich­net worden.

Datenschüt­zer Max Schrems wird sich erneut mit Facebook vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) treffen. Überrascht haben ihn die Skandale der letzten Tage nicht. Foto: Reuters/Kilcoyne

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