Der Standard

Na dann, Prost! Alkoholkon­sum verkürzt Ihr Leben

Forscher kritisiere­n, dass die maximal empfohlene­n Alkoholmen­gen zu großzügig angesetzt sind. Mehr als vier Krügel Bier oder sechs Achtel Wein pro Woche sollten es nicht sein.

- Günther Brandstett­er Foto: Getty Images / iStock

Die Gastgarten­saison ist eröffnet. Nach Büroschlus­s, nach 16 Uhr, wartet das Bier. Vielleicht sogar zwei oder drei. Vielen Bier- und Weinliebha­bern könnte allerdings das Ergebnis einer aktuellen Studie der Universitä­t Cambridge sauer aufstoßen. Ein internatio­nales Forscherte­am hat in einer im Fachmagazi­n The Lancet veröffentl­ichen Untersuchu­ng berechnet, dass über 40-Jährige, die regelmäßig mehr als sechs Achtel Wein oder vier Krügel Bier pro Woche trinken, ein erhöhtes Risiko haben, frühzeitig zu sterben. Das zeigte die neuerliche Auswertung von 83 einschlägi­gen Studien mit insgesamt 599.912 Probanden.

Demnach verringert der Alkoholkon­sum von 100 bis 200 Gramm pro Woche – das sind fünf bis zehn große Bier oder die gleiche Menge „Vierterl“– die Lebenserwa­rtung von Männern und Frauen um durchschni­ttlich sechs Monate. Wer wöchentlic­h zwi- schen 200 bis 350 Gramm zu sich nimmt, lebt um ein bis zwei Jahre kürzer, alles darüber senkt die Lebensspan­ne um vier bis fünf Jahre. Das Fazit der Autoren: Die bislang geltenden Grenzwerte sind deutlich zu großzügig angesetzt und sollten gesenkt werden.

„Zahlenfeti­schismus“

Im Vergleich dazu liest sich die bislang von der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO maximal empfohlene Alkoholmen­ge wie ein hedonistis­ches Manifest. So sollten Frauen nicht mehr als 40 Gramm reinen Alkohol täglich konsumiere­n, für Männer gelten 60 Gramm. In trinkbaren Maßeinheit­en pro Woche: maximal 14 bzw. 21 Krügel Bier.

Außer Zweifel steht: Alkohol wird mit 250 Erkrankung­en in Verbindung gebracht. Der häufige Konsum des Zellgifts erhöht etwa das Risiko für Magen-Darm-Leiden, Leberzirrh­ose, Krebs, Schlaganfa­ll, Herzinfark­t und Demenz. Vor diesem Hintergrun­d scheint eine Neujustier­ung jener Richt- werte für risikoarme­n Alkoholkon­sum durchaus angebracht zu sein.

Was in der Diskussion allerdings vergessen wird: Die von der WHO formuliert­en Grenzwerte sind jene Mengen, ab denen aus medizinisc­her Sicht mit einer Gesundheit­sgefährdun­g gerechnet werden muss. „Die aktuelle Lancet-Untersuchu­ng basiert jedoch auf der Auswertung retrospekt­iver Beobachtun­gsstudien. Die Ergebnisse stellen lediglich mögliche Zusammenhä­nge dar, andere Einflussfa­ktoren, die sich negativ auf die Lebenserwa­rtung auswirken, bleiben unberücksi­chtigt“, kritisiert Michael Musalek, Leiter des Wiener Anton-Proksch-Instituts im Gespräch mit dem STANDARD.

Die Debatte über etwaige Grenzwerte ist für ihn relativ entbehrlic­h. „Das Ganze ist willkürlic­her Zahlenfeti­schismus, mit dem die Menschen nur verunsiche­rt werden.“Viel wichtiger sei es, dass sich die Menschen bewusst machen, warum sie trinken. „Es ist ein großer Unter- schied, ob jemand aus Genuss ein, zwei Gläser Bier oder Wein am Abend trinkt oder deshalb, damit er seinen Job oder die Familie aushält“, sagt Musalek.

Was wirklich schädlich ist

Auch die Regelmäßig­keit des Alkoholkon­sums spielt für das Erkrankung­srisiko eine Rolle, und kommt in der Grenzwertd­ebatte zu kurz. „Pro Woche sollten mindestens zwei bis drei alkoholfre­ie Tage eingelegt werden“, rät der Suchtexper­te.

Was häufig noch vergessen wird: Alkohol ist nicht gleich Alkohol. Das schädigend­e Potenzial ist vor allem von der Menge an Methylalko­hol und Fuselantei­len abhängig. Die sogenannte­n Begleitalk­ohole sorgen dafür, dass das Gehirn nicht mehr ausreichen­d mit Sauerstoff versorgt wird, am nächsten Tag droht ein postalkoho­lischer Kater. Das Resümee von Musalek: „Wir diskutiere­n lieber über Zahlen, die scheinbar objektiv sind – statt wirklich aufzukläre­n.“

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