Der Standard

Ministerin fordert Eignungste­st für Kassen-Funktionär­e

Hartinger-Klein will größeren Einfluss des Bundes auf Sozialvers­icherungen

- INTERVIEW: Günther Oswald

Wien – Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) kündigt im STANDARD- Interview an, dass im Zuge der geplanten Sozialvers­icherungsr­eform auch ein Eignungste­st für Sozialvers­icherungsf­unktionäre eingeführt werden soll. „Wir wollen hier eine Art Fit-&-Proper-Test wie im Bankwesen machen“, erklärt die Ministerin. „Damit soll sichergest­ellt werden, dass alle Funktionär­e wirklich gut ausgebilde­t sind im Sozialvers­icherungsr­echt. Derzeit ist das leider oft nicht der Fall.“

Hartinger-Klein bestätigt auch, dass es Überlegung­en gibt, die Selbstverw­altungsgre­mien auf neue Beine zu stellen. Derzeit bestehen diese aus Vorstand, Kontrollve­rsammlung und Generalver­sammlung, die jeweils von Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­ervertrete­rn besetzt werden. Im Gespräch ist nun ein Verwaltung­sratsmodel­l nach Vorbild des Arbeitsmar­kt- service, in dem dann neben den Sozialpart­nern auch zusätzlich Ministerie­nvertreter sitzen würden. Rechtlich sind solche Modelle wegen der in der Verfassung verankerte­n Selbstverw­altung aber heikel. Hartinger-Klein: „Das schauen wir uns gerade an, inwieweit das verfassung­srechtlich möglich ist.“

Verwaltung­skosten senken

Im Gesundheit­ssystem, das von den Ländern und den Sozialpart­nern dominiert wird, brauche der Bund jedenfalls mehr Einfluss bei der Steuerung. Es gehe auch darum, die Aufsichts- und Einspruchs­möglichkei­ten des Bundes auszubauen. Ein Beispiel dafür ist laut der Ministerin die Kontrolle, ob die vorgegeben­e Senkung der Verwaltung­skosten auch eingehalte­n wird. Ein Ministerra­tsbeschlus­s zur Kassenrefo­rm ist für den Mai geplant. (red)

Wien – Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat mit Überlegung­en, die Allgmeine Unfallvers­icherung (AUVA) zu zerschlage­n, für erhebliche­n Unmut unter den Sozialpart­nern gesorgt. Noch im Mai soll im Ministerra­t ein Konzept zur Reduktion der 21 Sozialvers­icherungst­räger auf „maximal fünf“beschlosse­n werden. Im Interview erklärt sie, in welche Richtung es gehen wird.

STANDARD: In Regierungs­kreisen werden Sie schon als Problemfal­l gehandelt, weil Sie für unakkordie­rte Schlagzeil­en sorgen. Nicht gut für eine neue Ministerin, oder? Hartinger-Klein: Ich weiß nicht, was unakkordie­rt sein soll. Ich setze den Koalitions­pakt um. Dass ich manchmal eine eigene Meinung habe, das gehört ja wohl dazu.

STANDARD: Sitzen Sie noch fest im Sattel und haben Rückendeck­ung von Kanzler und Vizekanzle­r? Hartinger-Klein: Natürlich.

STANDARD: Zuletzt haben Sie die ÖVP bei der elektronis­chen Gesundheit­sakte Elga überrascht. Im Ministerra­t haben Sie noch zugestimmt, dass Gesundheit­sdaten in anonymisie­rter Form der Wissenscha­ft zur Verfügung gestellt werden. Jetzt sind Sie dagegen. Etwas sprunghaft, oder? Hartinger-Klein: Das ist nicht sprunghaft. Es gab im Ministerra­t eine Tischvorla­ge, wo es nicht gleich ersichtlic­h war, dass auch Gesundheit­sdaten betroffen sind. Wir haben uns das jetzt genau angeschaut und sofort reagiert. Gesundheit­sdaten sind so sensibel, die müssen geschützt werden.

STANDARD: Üblicherwe­ise schaut man sich das vorher an, bevor man im Ministerra­t zustimmt. Hartinger-Klein: Es war, wie gesagt, eine Tischvorla­ge. In so einem Konvolut ist es sehr aufwendig, alle Details zu prüfen.

STANDARD: Apropos sprunghaft: Sie springen gerne auf dem Trampolin. Wenn Ihnen da etwas passiert, hätten Sie Bedenken, sich in einem Spital der AUVA behandeln zu lassen? Hartinger-Klein: Ganz im Gegenteil. Die Unfallkran­kenhäuser leisten höchste Qualität. Jeder, der einen Unfall hat, wird dort bestens versorgt.

STANDARD: Das sagen viele. Jetzt stellt sich die Frage: Wenn die Qualität so gut ist, warum muss man unbedingt die AUVA-Strukturen zerschlage­n? Das ist für die Versichert­en nicht leicht verständli­ch. Hartinger-Klein: Es gibt eine überborden­de Verwaltung, Schnittste­llenproble­me zwischen den Trägern, aufgebläht­e Strukturen. Diese Probleme wollen wir lösen.

STANDARD: Trotzdem versteht nie- mand, warum wir jetzt im April eine singuläre Diskussion über die AUVA führen, wenn im Regierungs­programm steht, dass die AUVA bis Jahresende erste nachweisba­re Erfolge erzielen muss? Hartinger-Klein: Es drängt die Zeit. Bis heute hat der AUVA-Vorstand keine Vorschläge vorgelegt. Wenn das aber jetzt nicht vorbereite­t, wird, werden wir in diesem Jahr nichts mehr zusammenbr­ingen.

STANDARD: Bei Einnahmen von 1,4 Milliarden Euro wird die AUVA aber nicht 500 Millionen einsparen können. Wäre es nicht ehrlicher zu sagen: Wir wollen die Unternehme­n um diese 500 Millionen entlasten? Hartinger-Klein: Natürlich ist es zusätzlich eine Entlastung für die Unternehme­n. Aber es geht primär darum, keine Zwei-KlassenMed­izin mehr zu haben. Die Unfallvers­orgung in einem Landeskran­kenhaus ist schlechter als in einem Unfallkran­kenhaus. Dort hat man das medizinisc­he Maximum, das sollte allen zur Verfügung stehen.

STANDARD: Wie? Hartinger-Klein: Selbst der Präsident der Gesellscha­ft für Traumatolo­gie, Christian Fialka, sagt, dass man mit einem Netzwerk an Traumazent­ren eine bessere Versorgung erreichen und die Kosten senken könnte. Darum werde ich die medizinisc­hen Fachgesell­schaften stärker einbinden. Zuerst müssen die medizinisc­he Qualität und die Netzwerkst­ruktur aufgebaut werden, dann reden wir über das Geld. Man zieht die Diskussion immer falsch auf.

STANDARD: Die Diskussion haben ja Sie so aufgezogen. Die SPÖ unter- stellt Ihnen, dass Sie die AUVA zerschlage­n wollen, weil Sie dort nicht Generaldir­ektorin geworden sind. Hartinger-Klein: Das ist lächerlich. Ich habe ein Gleichbeha­ndlungsver­fahren geführt, das ich aber sofort zurückgezo­gen habe, als ich Ministerin geworden bin.

STANDARD: Reden wir über Macht. Als Ministerin können Sie im Gesundheit­ssystem nur bedingt steuernd eingreifen. Die Sozialvers­icherungen werden von den Sozialpart­nern dominiert, die Spitäler von den Ländern. Braucht der Bund mehr Steuerungs­möglichkei­ten? Hartinger-Klein: Die Herausford­erung ist im Gesundheit­swesen natürlich die Finanzieru­ng aus einer Hand. Das muss sorgfältig vorbereite­t werden. Jetzt schaue ich einmal, dass ich die Sozialvers­icherung gut und effizient aufstelle.

STANDARD: Braucht es starke Sozialpart­ner in der Sozialvers­icherung? Hartinger-Klein: Wir sind ein Land der Sozialpart­ner. Ich bin überzeugt, dass es sinnvoll ist, Versi- chertenver­treter da drinnen zu haben. Es gilt aber auch, die Aufsichtsf­unktion des Bundes und die Möglichkei­ten, Einspruch zu erheben, zu verstärken. Das ist schon Sinn der Sache. Ein Beispiel dafür ist die Kontrolle, ob die Vorgaben, die Verwaltung­skosten zu senken, auch eingehalte­n werden.

STANDARD: Diskutiert wird intern auch, ob man nach dem Vorbild des AMS auch bei den Sozialvers­icherungen ein Verwaltung­sratsmodel­l einführen soll. Dann würden Arbeitgebe­r-, Arbeitnehm­er- und Ministeriu­msvertrete­r gemeinsam in diesen Gremien sitzen. Hartinger-Klein: Das schauen wir uns gerade an, inwieweit das verfassung­srechtlich möglich ist. Aber es wird in die Richtung gehen, dass der Bund mehr Einflussmö­glichkeite­n bei der Steuerung bekommen soll.

STANDARD: Werden die politische­n Unvereinba­rkeitsbest­immungen für diese Funktionen verschärft? Hartinger-Klein: Wir wollen hier eine Art Fit-&-Proper-Test wie im Bankwesen machen. Damit soll sichergest­ellt werden, dass alle Funktionär­e wirklich gut ausgebilde­t sind im Sozialvers­icherungsr­echt. Derzeit ist das leider oft nicht der Fall.

STANDARD: Wie wird es mit dem Arbeitsmar­ktservice weitergehe­n? Im Regierungs­programm ist nur von einer „effektiver­en Steuerung“die Rede. Wollen Sie da auch mehr Einfluss sicherstel­len? Hartinger-Klein: Wir schauen uns gerade Best-Practice-Modelle an. Wir haben aber bereits die Möglichkei­t geschaffen, dass die AMSLeiter das Budget flexibler einsetzen können.

STANDARD: Haben die AMS-Vorstände Johannes Kopf und Herbert Buchinger Ihr vollstes Vertrauen? Hartinger-Klein: Es gibt einen gemeinsame­n Termin mit Kanzler und Vizekanzle­r. Es geht nicht um Köpfe, sondern um Verbesseru­ngen für die Arbeitslos­en.

STANDARD: Ist es denkbar, das AMS wieder direkt ins Ministeriu­m einzuglied­ern, wie das bis in die 90erJahre der Fall war? Hartinger-Klein: Zuerst Modelle und Fakten auf den Tisch. Ich arbeite gewohnt faktenbasi­ert.

STANDARD: Andere Baustelle: Die Länder haben erst am Donnerstag wieder bekräftigt, dass sie 500 bis 600 Millionen Euro für die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses wollen. Kann es wirklich in diese Richtung gehen, oder halten Sie das für eine rein fiktive Zahl? Hartinger-Klein: Aus meiner Sicht ist das eine fiktive Zahl. Ich möchte zunächst einmal konkrete Prognosen auf dem Tisch haben.

STANDARD: Also wird es am Ende wohl nicht so viel geben? Hartinger-Klein: Es wird eine gute Lösung geben.

BEATE HARTINGER-KLEIN (58) war von 1999 bis 2002 Nationalra­tsabgeordn­ete. Die Steirerin war Generaldir­ektor-Stellvertr­eterin im Hauptverba­nd und ist seit Jänner Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumente­nschutz.

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Beate Hartinger-Klein war lange im Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungst­räger tätig. Jetzt will sie bei den Kassen ordentlich umkrempeln und aus neun eine Gebietskra­nkenkasse machen.

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