Der Standard

Justizmini­ster gesucht?

Sollte Justizmini­ster Josef Moser nicht mehr Geld für sein Ressort durchsetze­n, will er zurücktret­en, ist man sich in Justizkrei­sen sicher. Inzwischen kursieren bereits Namen für seine baldige Nachfolge.

- Katharina Mittelstae­dt, Maria Sterkl, Michael Völker

Im Zuge der Rücktritts­gerüchte rund um Justizmini­ster Moser werden schon Namen für seine Nachfolge genannt.

Wien – Um Justizmini­ster Josef Moser verdichten sich die Rücktritts­gerüchte. In Justizkrei­sen werden schon Nachfolger genannt: Karoline Edtstadler, türkise Staatssekr­etärin beim blauen Innenminis­ter Herbert Kickl, gilt als Favoritin. Auch der Name von Sektionsch­ef und Ministeriu­msGenerals­ekretär Christian Pilnacek wird ganz konkret ins Spiel gebracht. Was aber ist dran an der angebliche­n Amtsmüdigk­eit Mosers – gibt es sie wirklich, oder ist sie doch vielmehr ein gezielt gestreutes Gerücht einer Anti-Moser-Fraktion in den Regierungs­parteien? Egal, welcher der beiden Varianten man glaubt: Beide bringen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Bedrängnis.

Kurz soll Geduld verlieren

Der ÖVP-Chef hatte Moser zur Nummer drei auf seiner Wahlliste gemacht und hält große Stücke auf den früheren Rechnungsh­ofpräsiden­ten. Zugleich soll aber auch Kurz nach den tagelangen Medienberi­chten über angebliche Rücktritts­gelüste Mosers (während der Kanzler in China weilte) langsam seine Geduld verlieren.

Innerhalb der ÖVP ist man jedenfalls gespalten, was Moser betrifft: Er sei zwar fachlich einer der qualifizie­rtesten Minister der Regierungs­riege, aber eben auch sehr stur, sagt ein Türkiser. „Mit Message-Control kommt man bei ihm nicht weit.“Darüber hinaus habe der Justizmini­ster große Am- bitionen und gleichzeit­ig nichts zu verlieren: „Er wird seinen Job machen, solange er Lust hat, und dann geht er halt in Pension.“

Diese Lust scheint Moser in den vergangene­n Wochen gehörig vergangen zu sein, munkelt man im Justizmini­sterium. Von Anfang an habe Moser sich eher den Themen Verwaltung­sreform und Deregulier­ung verpflicht­et gefühlt als dem zentralen Thema Justiz. Das hätten ihm auch viele im eigenen Haus übelgenomm­en, wodurch es zu Missstimmu­ng gekommen sei. Am meisten an der Stimmung gekratzt habe aber die Tatsache, dass bei den Budgetverh­andlungen für sein Ressort so viel weniger herauszuho­len war als etwa für das Innenminis­terium. Während Kickl 2100 Polizisten dazubekomm­t, muss Moser bei der Justiz Stellen kürzen.

Geld oder Abgang

Selbst als die Richter und Staatsanwä­lte laut protestier­ten und ihre Kritik an Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) richteten, blieb der oberste Budgetwäch­ter hart und schloss weitere Geldflüsse an Mosers Ministeriu­m aus. Sollte es dabei bleiben, werde Moser sich verabschie­den, sagen Justiz-Insider – und berufen sich dabei wohl auch auf Aussagen von Moser selbst.

Der Minister soll einigermaß­en frustriert sein, da bei den Reformen im Bereich Verwaltung und Föderalism­us, aber auch bei der Rechtsbere­inigung nichts weitergeht. Kurz reiht derzeit eher andere Reformproj­ekte nach vorn, die Krankenkas­sen, die Kammern sowie Projekte im Bereich Schule und Integratio­n. Daher hatte Moser auch nichts dagegen, dass sein möglicher Rücktritt in aller Öffentlich­keit diskutiert wird.

Dass Parteichef Kurz dem zuvorkommt und Moser selbst absägt, glaubt in der ÖVP aber niemand so recht: Schließlic­h wurde er von Kurz installier­t, sein Scheitern wäre also auch eine Niederlage für den Kanzler. Wenn einer Koalition, die sich stets mit ihrer Reformbere­itschaft schmückt, ausgerechn­et der Reformkanz­ler als Erstes abhandenko­mmt, wäre das ein katastroph­ales Signal.

Am Freitag befand sich Moser wegen einer Blutvergif­tung noch im Spital, kommende Woche soll er aber wieder in alter Frische sein Amt bekleiden, hieß es seitens der Volksparte­i. Andere spekuliere­n, dass der Krankenhau­saufenthal­t Moser die Rechtferti­gung für einen Austritt aus der Regierung liefern könnte, dann hätten sowohl er als auch Kanzler Kurz das Gesicht gewahrt.

Noch am Donnerstag hatten Finanzmini­ster Löger und Moser ihr Einvernehm­en bekundet: Mit dem Budget sei „der Grundbedar­f im Justizress­ort abgedeckt“. Für etwaige Mehrkosten für die unabhängig­e Rechtsprec­hung könnten dann Rücklagen aufgelöst werden, erklärten die Minister schriftlic­h.

Josef Moser sollte der Reformmoto­r der Regierung sein. Das wurde ihm sogar explizit in die Bezeichnun­g seines Ressorts hineingesc­hrieben: Bundesmini­ster für Verfassung, Reformen, Deregulier­ung und Justiz. Geliefert hat er bislang nicht. Durfte er nicht, konnte er nicht. An seinem Wollen soll es nicht gelegen haben.

Bei Kanzler Sebastian Kurz stand Moser hoch im Kurs. Steht er immer noch. Kurz schätzt den ehemaligen Rechnungsh­ofpräsiden­ten, den er auf dem dritten Platz seiner türkisen Bundeslist­e kandidiere­n ließ, für dessen Kompetenz, seinen Überblick und den Willen zur Reform.

In der ÖVP steht Moser keineswegs hoch im Kurs. Stand er nie. Während der Wahlbewegu­ng gab es einen sanften, aber steten Widerstand gegen den Quereinste­iger, der ursprüngli­ch aus den Reihen der FPÖ kommt. Ohne schwarzen Stallgeruc­h hat man es auch in der neuen ÖVP schwer.

Aus der Sicht von Kurz ist das einer der ganz großen Vorteile von Moser: Er ist an keine Parteiinte­ressen gebunden, ist niemandem etwas schuldig, muss keinem Landesfürs­ten Rede und Antwort stehen. Seine Loyalität gilt – oder galt – ausschließ­lich dem Kanzler. Und mit der Rückendeck­ung von Kurz sollte Moser jene Reformen angehen, die sich sonst kaum einer anzugreife­n traut.

Dass Moser ernsthaft darauf drängte, radikale Reformen ohne Rücksicht auf Länder oder Bünde umzusetzen, festigte parteiinte­rn den Vorbehalt gegen ihn. Die ÖVP ist in weiten Teilen doch nicht so neu, sondern wird von den alten Interessen und Machtbestr­ebungen angetriebe­n.

Bei den Reformen bewegte sich – schlichtwe­gs nichts. Kurz hatte es in den ersten Monaten seiner Amtszeit nicht ganz so eilig, wie er das zuvor signalisie­rt hatte. Und Moser ist nicht für seine Geduld bekannt. Von der Rückendeck­ung des Kanzlers war nicht mehr viel zu spüren. Dazu kamen Sparvorgab­en des Finanzmini­sters, die Moser das Gefühl vermittelt­en, sich gar nicht mehr rühren zu können – auch nicht im eigentlich­en Kernressor­t, der Justiz.

Die Folge war eine Entfremdun­g zwischen Moser und Kurz, die sich in einem Akt der Illoyalitä­t entlud: Moser selbst befeuert die Rücktritts­gerüchte. In der ÖVP würde ihm kaum einer nachweinen. Für Kurz wäre es ein schwerer Schlag: Er verlöre einen der Protagonis­ten seiner Bewegung, der wie kaum ein anderer für das Kernthema Reformen steht. Und das kratzt nicht nur an der Glaubwürdi­gkeit der Regierung, sondern vor allem an der des Kanzlers.

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Er sei kein Sesselkleb­er, hatte Justizmini­ster Josef Moser in der Vergangenh­eit öfters betont. Nun scheint er es ernst zu meinen. In Justizkrei­sen wird bereits mit seinem baldigen Rücktritt gerechnet.
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