Was der Arbeitgeber darf
Einem die Aufgaben von Kollegen aufbrummen, wegen Tattoos kündigen, im Urlaub anrufen – darf der Chef das? Wir haben den Arbeitsrechtsexperten Erwin Fuchs, selbstständiger Anwalt (Northcote-Recht), gefragt.
Erreichbarkeit im Urlaub, Kündigung wegen Tattoos: Experten erklären, was der Arbeitgeber vorschreiben darf.
KEXTRAARBEIT
rankheit, Dienstreise, Urlaub: Fehlen viele Kollegen, bedeutet das für die Verbleibenden meist vor allem eines – viel Stress. Nicht selten müssen sie zusätzliche Aufgaben übernehmen. Eine andere Situation: Jemand wird in eine andere Abteilung versetzt, wo er plötzlich auch andere Tätigkeiten übernehmen soll. Möglicherweise ändern sich dadurch auch Arbeitsort und Arbeitszeiten. Ist das zulässig? „Normalerweise nicht“, sagt Erwin Fuchs. Entscheidend sei, ob im Dienstvertrag eine sogenannte Versetzungsklausel verankert ist. Damit „stimmt der Mitarbeiter zu, dass er an einen anderen Arbeitsort versetzt werden kann oder vorübergehend andere, auch geringerwertige Aufgaben erledigt“. Gibt es diese Klausel nicht, kann der Mitarbeiter verweigern.
Aber auch mit Klausel gibt es Möglichkeiten Nein zu sagen – indem man sich auf „Unzumutbarkeit“beruft. Ein Beispiel für eine solche Unzumutbarkeit wäre: Ein Mitarbeiter mit akademischer Ausbildung wird als leitende Fachkraft eingestellt und soll in den Reinigungsdienst versetzt werden. Auch wenn eine Versetzung es notwendig macht zu übersiedeln, könnte das als unzumutbar angesehen werden. Ebenso wie Mehr- oder Überstunden oder Arbeit am Wochenende.
ERREICHBARKEIT IM URLAUB
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet, nach Dienstschluss oder im Urlaub erreichbar zu sein, sagt Arbeitsrechtsexperte Fuchs. Anrufe müssen nicht angenommen, E-Mails nicht abgerufen und beantwortet werden. „Diese Zeit gilt als Erholungszeit.“
Es gibt allerdings Ausnahmen: „Wenn es sich beispielsweise um eine Information handelt, die wirklich nur der Mitarbeiter hat und die der Arbeitgeber nicht anders bekommen kann.“Etwa wenn ein wichtiges Passwort fehlt, damit die Kollegen an Unterlagen oder Kundendaten herankommen. Dann könnte es im Rahmen der sogenannten Treupflicht nötig sein, dass man die Infos weitergibt. In diesem Fall müsse der Arbeitgeber jedoch deutlich machen, „dass es wirklich wichtig ist“. Entscheidend außerdem: Die Kontaktaufnahme dürfe die Erholungswirkung nicht maßgeblich beeinflussen.
Schließlich müsse die Tätigkeit auch entlohnt werden, sagt Fuchs. „Bei übermäßiger Beanspruchung könnte wohl auch die Gutschrift von Zeitausgleich angemessen erscheinen.“
TTATTOOS
ätowierungen fallen arbeitsrechtlich unter Bekleidung, „also äußeres Erscheinungsbild“, sagt Fuchs. Bisher gebe es wenige gerichtliche Entscheidungen diesen Bereich betreffend. Ein aufsehenerregender Fall war der des Busfahrers Ali K. Er wurde gekündigt, weil er ein rosa Haarband trug. Der Oberste Gerichtshof entschied in dritter Instanz, dass Eingriffe des Arbeitgebers in die Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers guter Gründe bedürfen – die nicht vorlägen. Die meisten Fahrgäste stiegen wohl auch ein, wenn der Busfahrer ein rosa Haarband trägt.
Ähnlich seien die Regelungen für Tätowierungen, sagt Fuchs. „In der Arbeitszeit kann man sie nur dann verbieten, wenn, wie in der Bank, viel Kundenkontakt nötig ist und die Seriosität leidet.“Die Definition dessen, was als seriös gelten kann und was nicht, ist freilich nicht leicht. „Die Gesellschaft wandelt sich. Dezente Tätowierungen sind längst kein Stigma mehr.“
„Überhaupt kein Problem“habe, wer dezente Tattoos trägt und sie leicht verstecken kann. Auch Arbeitnehmer ohne Kundenkontakt müssten sich keine Sorgen machen, so der Arbeitsrechtsexperte. „Im Innendienst ist es komplett gleichgültig, ob jemand eine Tätowierung am Unterschenkel hat.“