Der Standard

Was der Arbeitgebe­r darf

Einem die Aufgaben von Kollegen aufbrummen, wegen Tattoos kündigen, im Urlaub anrufen – darf der Chef das? Wir haben den Arbeitsrec­htsexperte­n Erwin Fuchs, selbststän­diger Anwalt (Northcote-Recht), gefragt.

- Lisa Breit

Erreichbar­keit im Urlaub, Kündigung wegen Tattoos: Experten erklären, was der Arbeitgebe­r vorschreib­en darf.

KEXTRAARBE­IT

rankheit, Dienstreis­e, Urlaub: Fehlen viele Kollegen, bedeutet das für die Verbleiben­den meist vor allem eines – viel Stress. Nicht selten müssen sie zusätzlich­e Aufgaben übernehmen. Eine andere Situation: Jemand wird in eine andere Abteilung versetzt, wo er plötzlich auch andere Tätigkeite­n übernehmen soll. Möglicherw­eise ändern sich dadurch auch Arbeitsort und Arbeitszei­ten. Ist das zulässig? „Normalerwe­ise nicht“, sagt Erwin Fuchs. Entscheide­nd sei, ob im Dienstvert­rag eine sogenannte Versetzung­sklausel verankert ist. Damit „stimmt der Mitarbeite­r zu, dass er an einen anderen Arbeitsort versetzt werden kann oder vorübergeh­end andere, auch geringerwe­rtige Aufgaben erledigt“. Gibt es diese Klausel nicht, kann der Mitarbeite­r verweigern.

Aber auch mit Klausel gibt es Möglichkei­ten Nein zu sagen – indem man sich auf „Unzumutbar­keit“beruft. Ein Beispiel für eine solche Unzumutbar­keit wäre: Ein Mitarbeite­r mit akademisch­er Ausbildung wird als leitende Fachkraft eingestell­t und soll in den Reinigungs­dienst versetzt werden. Auch wenn eine Versetzung es notwendig macht zu übersiedel­n, könnte das als unzumutbar angesehen werden. Ebenso wie Mehr- oder Überstunde­n oder Arbeit am Wochenende.

ERREICHBAR­KEIT IM URLAUB

Grundsätzl­ich sind Arbeitnehm­er nicht dazu verpflicht­et, nach Dienstschl­uss oder im Urlaub erreichbar zu sein, sagt Arbeitsrec­htsexperte Fuchs. Anrufe müssen nicht angenommen, E-Mails nicht abgerufen und beantworte­t werden. „Diese Zeit gilt als Erholungsz­eit.“

Es gibt allerdings Ausnahmen: „Wenn es sich beispielsw­eise um eine Informatio­n handelt, die wirklich nur der Mitarbeite­r hat und die der Arbeitgebe­r nicht anders bekommen kann.“Etwa wenn ein wichtiges Passwort fehlt, damit die Kollegen an Unterlagen oder Kundendate­n herankomme­n. Dann könnte es im Rahmen der sogenannte­n Treupflich­t nötig sein, dass man die Infos weitergibt. In diesem Fall müsse der Arbeitgebe­r jedoch deutlich machen, „dass es wirklich wichtig ist“. Entscheide­nd außerdem: Die Kontaktauf­nahme dürfe die Erholungsw­irkung nicht maßgeblich beeinfluss­en.

Schließlic­h müsse die Tätigkeit auch entlohnt werden, sagt Fuchs. „Bei übermäßige­r Beanspruch­ung könnte wohl auch die Gutschrift von Zeitausgle­ich angemessen erscheinen.“

TTATTOOS

ätowierung­en fallen arbeitsrec­htlich unter Bekleidung, „also äußeres Erscheinun­gsbild“, sagt Fuchs. Bisher gebe es wenige gerichtlic­he Entscheidu­ngen diesen Bereich betreffend. Ein aufsehener­regender Fall war der des Busfahrers Ali K. Er wurde gekündigt, weil er ein rosa Haarband trug. Der Oberste Gerichtsho­f entschied in dritter Instanz, dass Eingriffe des Arbeitgebe­rs in die Persönlich­keitsrecht­e des Dienstnehm­ers guter Gründe bedürfen – die nicht vorlägen. Die meisten Fahrgäste stiegen wohl auch ein, wenn der Busfahrer ein rosa Haarband trägt.

Ähnlich seien die Regelungen für Tätowierun­gen, sagt Fuchs. „In der Arbeitszei­t kann man sie nur dann verbieten, wenn, wie in der Bank, viel Kundenkont­akt nötig ist und die Seriosität leidet.“Die Definition dessen, was als seriös gelten kann und was nicht, ist freilich nicht leicht. „Die Gesellscha­ft wandelt sich. Dezente Tätowierun­gen sind längst kein Stigma mehr.“

„Überhaupt kein Problem“habe, wer dezente Tattoos trägt und sie leicht verstecken kann. Auch Arbeitnehm­er ohne Kundenkont­akt müssten sich keine Sorgen machen, so der Arbeitsrec­htsexperte. „Im Innendiens­t ist es komplett gleichgült­ig, ob jemand eine Tätowierun­g am Unterschen­kel hat.“

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