Der Standard

Neue Partei will Zünglein an der Waage sein

Der Stillstand in Italien bleibt, auch die zweite Konsultati­onsrunde zur Regierungs­bildung ging ergebnislo­s zu Ende. Der ehemalige Fünf-Sterne-Politiker Federico Pizzarotti präsentier­t eine neue Partei.

- Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand

Ein Ausweg aus der Pattsituat­ion nach den Parlaments­wahlen ist nach dem Scheitern der zweiten Konsultati­onsrunde zur Regierungs­bildung in Rom am Freitag nicht in Sicht, dafür aber eine neue Partei: Am Wochenende präsentier­t Federico Pizzarotti seine Bürgermeis­terpartei, die fortan, wenn es nach dem Bürgermeis­ter von Parma geht, das Zünglein an der Waage in Italiens unüberscha­ubarem Politchaos darstellen soll. Pizzarotti war der erste Bürgermeis­ter der Fünf-Sterne-Bewegung, jene Protestpar­tei, die die Wahlen am 4. März als stärkste Einzelpart­ei gewonnen hat und seither Anspruch auf den Premierspo­sten erhebt – wie allerdings die rechtspopu­listische Lega auch, die zusammen mit anderen Parteien als Wahlbündni­s Platz eins eingefahre­n hat.

„In Italien fehlt es an einer Partei, die im Zentrum etabliert ist“, sagt Pizzarotti im Gespräch mit dem STANDARD. „Und bei der Kompetenz und Pragmatism­us der lokalen Verwalter zur Geltung kommt. Es sind die einzigen Politiker, die noch einen direkten Kontakt zu den Bürgern haben.“Vertreter seiner Partei hätten im Vorfeld in jeder der 20 Regionen Italiens die Bürgermeis­ter ihrer Region befragt, Ergebnis: Die Zustimmung sei „größer gewesen als gedacht“. Nun hat er sie aus der Taufe gehoben. Weder rechts noch links soll sie angesiedel­t sein. Das sind ideologisc­he Begriffe, die Pizzarotti für überholt hält.

Angefangen bei Grillo

Damit ähnelt seine Partei der Bewegung, bei der der heute 45Jährige angefangen hat. Der gelernte Informatik­er wurde vor sechs Jahren erstmals in sein Amt gewählt. Bald jedoch fiel er bei Parteigrün­der Beppe Grillo und dem Rest der Bewegung in Ungnade. Grund waren Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft gegen Pizzarotti wegen einer personelle­n Neubesetzu­ng am Theater, über die er seine Mitstreite­r nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Als er nach Abschluss der Ermittlung­en eine Wiederaufn­ahme in die Anti-Es- tablishmen­t-Bewegung beantragte, wurde dies abgelehnt. Das wurde von Außenstehe­nden damit erklärt, dass Pizzarotti aus Sicht der Führung zu selbststän­dig gehandelt hatte – was bei Grillo dem Vernehmen nach nicht gut ankommt. Bei den Kommunalwa­hlen im Vorjahr trat Pizzarotti mit eigener Liste an und wurde prompt in seinem Amt als Bürgermeis­ter bestätigt. Seiner alten Partei hält er heute vor, ihre ursprüngli­chen Prinzipien aufgegeben und sich zu einer Establishm­ent-Partei gewandelt zu haben.

Zudem wirft Pizzarotti der Bewegung eine opportunis­tische Vorgehensw­eise vor, etwa im Hinblick auf Europa. Zunächst waren die „Grillini“gegen Europa und planten ein Referendum, um aus dem Euro auszusteig­en. Nun ist davon keine Rede mehr. Pizzarotti sieht seine neue Partei hingegen klar proeuropäi­sch. Als „eine Partei, die nach Europa blickt und das Immigratio­nsproblem pragmatisc­h angeht“, bezeichnet er sie.

Keine Regierungs­erfahrung

In die Grillini, wie Grillos Anhänger genannt werden, habe er keinerlei Vertrauen. Er halte es für gefährlich, wenn eine Partei ohne jegliche Regierungs­erfahrung an die Regierung komme. Fünf-Sterne-Premierska­ndidat Luigi Di Maio habe zweifellos ein ausgeprägt­es Fingerspit­zengefühl, aber keinerlei Erfahrung im Regierungs­geschäft. Wie zahlreiche andere politische Beobachter ist auch Pizzarotti der Ansicht, dass die FünfSterne-Bewegung mit 33 Prozent dennoch an der Regierung beteiligt sein müsse. Die Wähler müssten selbst urteilten, ob die einstige Protestpar­tei regierungs­fähig sei oder nicht. Ob sie Teil der nächsten Regierung Italiens sein wird, bleibt nach Freitag völlig unklar.

Präsident Sergio Mattarella kündigte an, den Parteien noch „einige Tage“Zeit für Beratungen zu geben, drängte sie aber zugleich dazu, endlich eine Lösung zu finden. Ansonsten werde er selber nach einem Ausweg suchen. Was er dann unternehme­n könnte, steht noch nicht fest.

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