Der Standard

Milo will wieder einmal Präsident in Montenegro werden

Am Sonntag wählen die Montenegri­ner einen Staatschef – Langzeitre­gent Milo Djukanović tritt an

- Adelheid Wölfl

Podgorica/Sarajevo – Er war schon da, als George Bush senior und Franz Vranitzky regierten. Es gibt viele Montenegri­ner, die kennen nichts anderes als Milo, wie er weithin genannt wird.

Der großgewach­sene Mann mit dem vorwurfsvo­llen Blick ist seit 1991 in dem Balkanstaa­t an der Macht. Und am Sonntag tritt Milo Djukanović wieder einmal an, um Präsident zu werden. Er war bereits von 1998 bis 2002 Staatschef und von 1991 bis 1998 sowie von 2002 bis 2006, von 2008 bis 2010 und von 2012 bis 2016 Premiermin­ister. Aber auch wenn er gerade weder das eine noch das andere Amt bekleidet, regiert er indirekt.

Denn er ist Chef jener Partei, die seit 1991 an der Macht ist, der Demokratis­chen Partei der Sozialiste­n, kurz DPS. Djukanović kennt kein erwachsene­s Leben außerhalb der Politik. Er trat bereits 1979 in die Kommunisti­sche Partei ein, heute ist der 56-Jährige so etwas wie der Clan-Chef des wichtigste­n Clans in dem Staat mit 640.000 Einwohnern. Seine Schwester Ana Kolarević ist die wichtigste Anwältin im Land, sein Bruder Aco wichtigste­r Banker. In Montenegro gibt es praktisch keine Trennung zwischen Wirtschaft und Politik, und auch die Justiz ist von Interessen unterlaufe­n.

Bombenexpl­osion

Insbesonde­re die Freiheit der Medien ist in dem Land, wo jeder jeden kennt und schmutzige Kampagnen geführt werden, dauernd bedroht. Journalist­en müssen damit rechnen, persönlich angegriffe­n zu werden. Anfang April explodiert­e eine Autobombe in Bijelo Polje in der Nähe des Hauses eines Journalist­en. Ein zweites Problem ist die organisier­te Kriminalit­ät. In jüngster Zeit kam es in Montenegro wieder zu Abrechnung­en rivalisier­ender Banden auf offener Straße. Innerhalb nur eines Monats flogen sieben Autos in die Luft. Vor zwei Wochen erschoss ein Mann zwei Leute in der Hauptstadt Podgorica.

Wie in allen anderen südosteuro­päischen Staaten wählen die Bürger nicht Parteien oder Persön- lichkeiten, weil sie vom Programm überzeugt sind oder sich Reformen erhoffen – im Gegenteil: Sie geben ihre Stimme ab, um Sicherheit zu erhalten, nämlich den eigenen Job in der Verwaltung, die Wohnung oder die Pension.

Viele Montenegri­ner werden deshalb am Sonntag auch aus Verlustang­st Djukanović die Stimme geben. Umfragen zufolge liegt er bei 43, sein Herausford­erer Mladen Bojanić bei 35 Prozent. Die anderen vier Kandidaten haben keine Chance, allerdings könnten manche ihrer Wähler noch zu Bojanić umschwenke­n. Denn möglicherw­eise gibt es in zwei Wochen eine Stichwahl.

Djukanović selbst porträtier­t sich als Garanten für Stabilität und als prowestlic­h. Allerdings haben ihm die USA geraten, nicht noch einmal anzutreten. Dass er es trotzdem tut, wird von manchen als Indiz gewertet, dass er Angst vor Strafverfo­lgung hat. Herausford­erer Bojanić ist Finanzexpe­rte und war früher Menschenre­chtsaktivi­st, er steht der prorussisc­hen Opposition nahe.

 ??  ?? Wahlverans­taltung für Djukanović. Er trennte sich in den 1990ern von Slobodan Milošević, führte sein Land 2006 in die Unabhängig­keit und 2017 in die Nato.
Wahlverans­taltung für Djukanović. Er trennte sich in den 1990ern von Slobodan Milošević, führte sein Land 2006 in die Unabhängig­keit und 2017 in die Nato.

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