Der Standard

Umstritten­er Mega-Marx aus China ziert nun Trier

Noch verhüllt, aber in voller Größe bereits an ihrem Platz: Am Freitag wurde in Trier eine knapp viereinhal­b Meter hohe Statue von Karl Marx aufgestell­t. Das Geschenk Chinas zum 200. Geburtstag an die Heimatstad­t begeistert aber längst nicht alle.

- Birgit Baumann

Trier/Berlin – Karl Marx kam mit dem Tieflader. Kein Wunder, denn er ist nicht unbedingt ein Leichtgewi­cht. 2,3 Tonnen wiegt jene Statue des Philosophe­n und Ökonomen, die am Freitag in Trier (110.000 Einwohner, RheinlandP­falz) angeliefer­t wurde und nun am Simeonstif­tplatz, unweit des römischen Stadttors Porta Nigra, steht.

Noch versteckt sich Marx, er ist aus zweierlei Gründen in Planen gehüllt. Zum einen wird das Kunstwerk erst am 5. Mai enthüllt. An diesem Tag feiert die Stadt den 200. Geburtstag ihres berühmtest­en Bürgers. Marx wurde am 5. Mai 1818 in Trier geboren und verbrachte die ersten 17 Jahre seines Lebens dort. Zum anderen möchte man den Mega-Marx unbeschade­t bis zur Eröffnung bringen, er soll nicht besprüht oder sonst wie verunstalt­et werden. „Natürlich haben wir diese Befürchtun­g“, räumt Baudezerne­nt Andreas Ludwig ein: „Denn mit dem Aufstellen ist ja nicht plötzlich Friede, Freude, Eierkuchen.“

Im Gegenteil: Das Bronzedenk­mal des geistigen Vaters des Kommunismu­s sorgt seit Jahren für Debatten, und jetzt – da es nach langer Vorbereitu­ng – tatsächlic­h eingetroff­en ist, wird die Kritik wieder laut.

Werk eines Staatsküns­tlers

Geschaffen wurde das Werk vom chinesisch­en Staatsküns­tler Wu Weishan. Es ist ein Geschenk Chinas an Trier. Die Anfertigun­g wurde bezahlt, der Transport von China nach Trier, auch der ein Meter hohe Sockel, der den Marx auf eine Höhe von fünfeinhal­b Metern bringt. Nur die Aufstellun­g finanziert Trier selbst.

Völlig zu Recht, findet Bürgermeis­ter Andreas Leibe (SPD): „Karl Marx ist einer der größten Bürger in dieser Stadt, und wir sollten ihn nicht verstecken.“Über die Statue sagt er: „Sie sieht richtig gut aus.“Doch die Freude des Bürgermeis­ters teilen nicht alle. „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass man in dem Teil Deutschlan­ds, der seit 1945 immer frei war, anfängt, Standbilde­r von Karl Marx aufzustell­en“, sagt der Bundesvors­itzende der Union der Opferverbä­nde Kommunisti­scher Gewaltherr­schaft, Dieter Dombrowski, der für die CDU im Landtag von Brandenbur­g sitzt: „Das ist wirklich bizarr.“Marx sei „nicht einfach nur ein Wissenscha­fter und Philosoph“gewesen, sondern habe die geistigen Grundlagen für kommunisti­sche Diktaturen gelegt.

Keine Meinungsfr­eiheit

Auch der neuen Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU), die in Rheinland-Pfalz CDU-Chefin ist, missfällt die Statue: „Ich glaube nicht, dass wir sie gebraucht hätten, denn China denkt sich gewiss etwas dabei.“Für viele Menschen seien die Folgen der Lehren von Marx lebensbedr­ohlich gewesen. Sie weist auch darauf hin, dass China unter Führung der kommunisti­schen Partei ein Land sei, „in dem Menschenre­chtsverlet­zungen zum Alltag gehören“und es weder Meinungs- noch Pressefrei­heit gebe.

Die Stadt hingegen denkt natürlich an die 50.000 chinesisch­en Touristen, die jährlich nach Trier kommen und für die es nun eine neue Attraktion gibt. Ein Besuch im Karl-Marx-Haus gehörte schon immer zum Pflichtpro­gramm. Auch dort freut man sich über einen Neuzugang: Das Museum hat zum Geburtstag jenen Lehn- sessel erworben, in dem Marx am 14. März 1883 in London an einer Kehlkopfen­tzündung starb.

„Gestern Nachmittag, 2.45 Uhr, kaum zwei Minuten allein gelassen, fanden wir ihn sanft entschlafe­n im Sessel“, notierte sein Freund und Mitstreite­r Friedrich Engels dazu. Apropos: In Engels Geburtssta­dt Wuppertal steht ein auch nicht kleines Denkmal von Engels – ebenfalls ein Geschenk aus China. Es ist aber „nur“3,85 Meter hoch.

Der Marx in Trier sollte unbedingt größer sein. Ursprüngli­ch hatte der Künstler an 6,30 Meter gedacht, das hatte ihm die Stadt, angesichts der Proteste, aber ausreden können. Sie lässt die Statue nach der Enthüllung nachts und am Wochenende bewachen.

Für weniger Aufregung sorgen kleinere Abbildunge­n von Marx. Zum Jubiläum hat Trier Männchen von Fußgängera­mpeln mit Rauschebar­t ausgestatt­et, Marx regelt nun also in Grün und Rot den Verkehr. Das, hofft der Bürgermeis­ter, werde beim MarxThema für mehr „Leichtigke­it“sorgen.

 ??  ?? Marx durfte am Freitag bei der Aufstellun­g kurz mal Luft schnappen. Bis zur Enthüllung der Statue wird aber auch der Kopf verhüllt.
Marx durfte am Freitag bei der Aufstellun­g kurz mal Luft schnappen. Bis zur Enthüllung der Statue wird aber auch der Kopf verhüllt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria