Der Standard

IS-Prozess um den „Riesenmist“

Ein 19-Jähriger, der Mitglied des „Islamische­n Staates“gewesen sein und Anschlagsp­läne gewälzt haben soll, beteuerte am Ende seines Verfahrens, er habe erkannt, dass man Gewalt nicht mit Gewalt bekämpfen könne. Der Ankläger bezweifelt, dass er das ernst m

- Michael Möseneder

Wien – „Bau eine Bombe in Mamas Küche“lautete der Titel einer Anleitung aus dem Internet, derer sich auch der 19-jährige Lorenz K. und seine teils minderjähr­igen Gesinnungs­freunde in Deutschlan­d bedient haben. Schon aus dem Titel lässt sich zwar folgern, dass es sich beim Endprodukt nicht um hochprofes­sionelle Sprengsätz­e handelt – gefährlich genug waren sie laut Sachverstä­ndigen aber. Dass ein Zwölfjähri­ger sie 2016 auf einem Weihnachts­markt in Ludwigshaf­en nicht zünden konnte, lag am technische­n Unvermögen des Buben.

K. soll das Kind via Internet zu dem versuchten Selbstmord­anschlag angestifte­t haben, erklärt der Staatsanwa­lt den Geschworen­en auch am sechsten und letzten Tag des Prozesses. Zusätzlich soll K. selbst mit seiner nach islamische­m Recht angetraute­n 15-jährigen Ehefrau ein Bombenatte­ntat in Deutschlan­d geplant haben. Dass er der Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“einen Treueeid geschworen hat, gibt der Angeklagte selbst zu.

Schon nach einer Vernehmung durch die deutsche Polizei am 4. Dezember 2016 habe er den Anschlagsp­länen abgeschwor­en und sich von der mörderisch­en ISIdeologi­e distanzier­t, versichert­e K. im Lauf des Prozesses. Der Ankläger zweifelt: „Die Ideologie ist noch in ihm drinnen. Wenn Deradikali­sierung ein Marathon ist, ist K. auf den ersten Kilometern.“

Tatsächlic­h versuchte der vorbestraf­te Angeklagte während des Verfahrens, ruhig und überlegt zu wirken, nicht immer gelang ihm das. Teilweise brachen Aggression­en durch, bei anderer Gelegenhei­t unterschie­d er zwischen „uns Moslems“und „den Schiiten“.

Der schlagende Beweis, dass K. zumindest bis zu seiner Festnahme am 20. Jänner 2017 in Wien ein überzeugte­r Anhänger des „Kali- fats“gewesen ist, sind für den Ankläger aber seine elektronis­chen Botschafte­n, die zum Teil sichergest­ellt wurden. Mit seinem ISKontaktm­ann schrieb er bis zuletzt über eine „Operation Österreich“– möglicherw­eise ein Anschlag mit einem Messer –, einer muslimisch­en Jugendlich­en verkündete er bis zu seiner Festnahme stolz, er sei Mitglied des IS.

Auf Botschafte­n mit dem Zwölfjähri­gen und K.s „Ehefrau“stützen sich auch die anderen Anklagepun­kte. Die Frage, die Verteidige­r Wolfgang Blaschitz in seinem überlangen Schlussvor­trag aufwirft: Wie ernst waren die Botschafte­n gemeint? „Das waren ausgesproc­hen pubertäre Pläne von Heranwachs­enden“, ist er überzeugt.

Wenn er und der Staatsanwa­lt sich im Gerichtssa­al über einen möglichen Bankraub unterhalte­n würden, wäre das auch kein Problem, argumentie­rt Blaschitz: „Nur weil wir dasitzen und deppert daherreden, ist das noch nicht strafbar.“Genau darum habe es sich bei den Anschlagsp­länen mit K.s „Ehefrau“gehandelt.

Der Zwölfjähri­ge wiederum habe selbst den Anschlagsp­lan entwickelt – wenn jemand zu einer Tat entschloss­en sei, könne man ihn juristisch nicht mehr anstiften. Und schließlic­h habe der Bub selbst K. mit seinem IS-Kontaktman­n verbunden, von K. habe er sich nichts sagen lassen.

Dieses Argument hatte der Staatsanwa­lt vorausgese­hen und in seinem Vortrag gekontert: „Ein Chorknabe ist der Zwölfjähri­ge sicher nicht, der geht nach der Schule nicht Pony reiten.“Allerdings habe K. bei der Polizei noch selbst zugegeben, den Buben mit „motivieren­den Worten“unterstütz­t zu haben. Konkret gab er ihm sogar Hinweise, wie er die Bombe tarnen sollte.

Auch der Anschlagsp­lan mit der „Ehefrau“sei konkret gewesen: Es sollten bis Ende Dezember Soldaten oder Polizisten in Deutschlan­d getötet werden, liest der Ankläger aus den gefundenen Nachrichte­n. Darüber hinaus habe er ja mit einem Komplizen in Deutschlan­d eine Testbombe gezündet.

Täuschende­r Angeklagte­r

K. sei es gelungen, „bis zu seiner Festnahme die Leute zu täuschen. Er hat die Polizisten, die ihn in Deutschlan­d befragt und die sogar auf seinem Handy ein Bild der Testbombe gefunden ha- ben, getäuscht, er hat seine Bewährungs­helferin, die ihn ein Jahr betreut hat, getäuscht – was kein Vorwurf ist –, und er hat seine Familie getäuscht.“

Der Angeklagte selbst sagt zu den Laienricht­ern vor deren Urteilsber­atung noch, er habe „Riesenmist gebaut“und erkannt, dass man „Gewalt nicht mit Gewalt bekämpfen kann“. Von der Ideologie distanzier­e er sich mittlerwei­le, versichert er.

Das Urteil stand bei Redaktions­schluss noch aus.

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Sechs Tage dauerte der Terrorproz­ess im Landesgeri­cht – aus Sicherheit­sgründen herrschte im Gebäude Fotografie­rverbot. Wien

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