Der Standard

Düstere Zeiten

- Michael Pekler

Eine fotografis­che Identifizi­erung sei nicht mehr möglich, erkennt der Beamte auf den ersten Blick. Genauere Details bekommt man im sonntäglic­hen Tatort aus Nürnberg indes erspart: Zwei Libyer, Bruder und Schwester, werden erst nach mehreren Tagen in einem herunterge­kommenen Haus am Stadtrand erschlagen aufgefunde­n. Und ihr Ziehsohn, nicht nur bei seinen Mitstudent­innen beliebt, ist untergetau­cht.

Auch wenn er als möglicher Täter infrage kommt – wer in den vergangene­n Jahren auch nur mehr als einen deutschen Fernsehkri­mi gesehen hat, weiß in Ich töte niemand von Beginn an, dass Ahmad jedenfalls in dieser Hinsicht unschuldig ist. Außerdem ermitteln die Kriminalha­uptkommiss­are Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) ohnehin bald dort, wo es sich gehört: am rechten Rand.

Regisseur und Koautor Max Färberböck, seit Jahrzehnte­n mit Bella Block und Tatorts im Geschäft tätig, setzt auf eine düstere Stimmung, die musikalisc­he Untermalun­g auf so dramatisch­en wie effiziente­n Einsatz von Vivaldi. Das passt gut zum depressive­n Kollegen aus dem Betrugsdez­ernat, der Frau (Ursula Strauss) und Kinder zurückläss­t und mit dem Ringelhahn eine gemeinsame Vergangenh­eit verbindet. Dass die beiden Fälle miteinande­r zu tun haben, liegt nicht nur an einem blonden Perückenha­ar.

„Gucken Sie nicht so tief in die Dinge hinein, sonst gucken sie zurück“, meint Ringelhahn zu Voss, als dieser sich einen Nine-to-five-Job wünscht. Für diesen Tatort gilt das nicht: Je tiefer man blickt, desto durchsicht­iger wird die Botschaft. „Muss denn immer ein Gott für diesen Irrsinn stehen?“, fragt sich der Kommissar von heute. Nein, der Mensch genügt. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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