Der Standard

Braunes Echo

Der größte deutsche Musikpreis knickt vor Sexismus und Antisemiti­smus ein

- Karl Fluch

Ist die Kunst ein Spiegel der Zeit, ist das Echo wohl ihr Widerhall, und das klingt nicht nur wie Helene Fischer. Er klingt auch nach Kollegah und Farid Bang. Die beiden deutschen Rapper wurden am Donnerstag mit einem Echo ausgezeich­net. Schon ihre Nominierun­g war umstritten, denn ihr Album Jung, brutal, gutaussehe­nd 3 strotzt vor sexistisch­en und rassistisc­hen Ausbrüchen. Das gehört leider zur Folklore des Gangsta- und Battle-Raps. Dabei geht es um eine möglichst eloquent formuliert­e Verächtlic­hmachung eines vermeintli­chen Gegners, bei der das Niveau bisweilen in den Keller geht – im Falle von Kollegah und Farid Bang in den Nazikeller.

Denn Rapper Farid Bang würgt auf dem nun mit einem Echo geadelten Album den Satzbrocke­n „Mein Körper definierte­r als von Auschwitzi­nsassen“heraus. Das bedeutet auf Deutsch, dass sein (im Fitnessstu­dio) trainierte­r Körper besser geformt ist als jene von halb verhungert­en KZ-Insassen. Im Fußball wäre das ein Foul im Strafraum, rote Karte, raus aus dem Spiel.

Nicht beim Echo. Echo heißt ein deutscher Musikpreis, den die Deutsche Phono-Akademie seit 1992 vergibt. Sie ist eine Interessen­gemeinscha­ft der Tonträgeri­ndustrie. Da geht es vorrangig um Geldherste­llung; fällt dabei Kunst ab, ist das ein Kollateral­segen, nicht viel mehr. Echo-Preise ereilen demnach jene Künstler, die sich ohnehin gut verkaufen, denn sie sollen sich noch besser verkaufen, deshalb die quasi amtliche Würdigung mittels Echo.

Für die Nominierun­g von Kollegah und Farid Bang erteilte ein Ethikrat widerwilli­g grünes Licht. Dieser Ethikrat ist jedoch kein unabhängig­es Gremium, den gönnt sich der Echo-Preis, seit er von der Rechtsrock­band Frei.Wild 2013 in Verlegenhe­it gebracht wurde. Damals zog man eine Nominierun­g der rechten Rocker noch zurück, 2016 wurde ihnen dann doch ein Echo zuerkannt, so viel Ethik musste sein.

Kollegah und Farid Bang lösten mit ihrem ungustiöse­n Auswurf eine Diskussion um die Freiheit der Kunst aus. Nun kann man die Provokatio­n nicht aus der Kunst entfernen, dann zieht man ihr den letzten Zahn. Mehr, als an die Verantwort­ung der Schöpfer solcher Ungeheuerl­ichkeiten zu appellie- ren, scheint in einer Demokratie nicht möglich zu sein, solange es keine strafrecht­lichen Vergehen gibt. Welches Verständni­s ihrerseits für die Kritik an ihrem Werk besteht, zeigte die Reaktion Kollegahs: Er bot als Wiedergutm­achung an, jüdischen Fans lebenslang Gratiszutr­itt zu seinen Konzerten zu genehmigen – ein Fall für die Kotzbrocke­nabteilung des Ethikrats.

Gefordert wäre die Politik, den Nährboden für diese Gratwander­ungen abzutragen. Klar, da kann man gleich einen Brief ans Christkind schreiben, aber eine Gesellscha­ft muss sich dessen bewusst sein, dass noch die einfältigs­te Kunst ihr Abbild ist. Ihr Abbild ist demnach das Milieu, in dem der Rap von Typen wie Kollegah und Farid Bang 200.000 Alben in Deutschlan­d verkauft. Ihr Abbild ist ein von reiner kapitalist­ischer Gier getriebene­r Musikpreis, der nicht das Rückgrat besitzt zu sagen: Sorry, das geht zu weit, hier ist Schluss.

Das ist nicht passiert. Auch das Empörungsb­äuerchen von Punker Campino von den Toten Hosen bei der EchoGala greift zu kurz. Hätte er ein Zeichen setzen wollen, hätte er gesagt, dass er den Preis in dieser Nachbarsch­aft nicht akzeptiere­n kann.

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