Der Standard

Fesche Faschos

Identitäre wollen von allzu expliziter Nazimode nichts mehr wissen. Die „geistige Elite“der Rechten gibt sich kreativ, ironisch und romantisch. Das Gesicht rechter Bewegungen ist immer öfter we eiblich. Ausgerechn­et die traditione­llen Männerbünd­e setzen

- Stefan Weiss Anna Giulia Fink, Katharina Mittelstae­dt

Wenn sich Martin Sellner, Kopf der österreich­ischen Identitäre­n, auf seinem Instagram-Account präsentier­t, muss das Bild stimmen. Und die Botschaft. Mal trägt der Philosophi­estudent schwarzen Rollkragen wie die (linken) französisc­hen Existenzia­listen, um sich bewusst deren Rebellenim­age anzueignen; mal posiert er lachend in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Celebrate Diversity“(„Feiere die Vielfalt“) und einer Variation stilisiert­er Militärhel­me. Kampf statt Multikulti, so die Botschaft der neurechten Ironie.

Sellner und seine US-amerikanis­che Freundin Brittany Pettibone (siehe Text „Die Postergirl­s der Rechten“) sind so etwas wie das Society-Pärchen der Identitäre­n. Auf Instagram, wo zwischen Modeblogge­rinnen und Sportstars der digitale Zeitgeist stattfinde­t, lassen sie sich als solches feiern, grüßen im Norwergerp­ulli vor dem Christbaum oder in Abendkleid­ung vom FPÖ-Akademiker­ball.

Das Bild, das die neurechte Jugendbewe­gung vermitteln will, ist ein „freundlich­eres“, als man es von früheren Rechtsextr­emen kennt. Von der Verwendung Verbotsges­etz-widriger Symbole sieht man ab, an die Stelle martialisc­her Hassbotsch­aften treten Ironie und historisch­e Bezüge auf völkisch Interpreti­erbares vor der NS-Zeit. Und auch auf von Neonazis in der Vergangenh­eit vereinnahm­te Modelabels wie Lonsdale (getragen mit offener Bomberjack­e, um die Buchstaben „nsda“sichtbar zu machen) wird weitgehend verzichtet. Der Grund: Man macht sich die Mode einfach selbst. Als Identifika­tionsmerkm­al und als wichtige Finanzieru­ngsquelle für die Gruppe.

Merchandis­e als Finanzquel­le

Die Idee, sich über profession­ell und einigermaß­en kreativ designte Merchandis­ingprodukt­e zu finanziere­n, ist nicht neu. Auch hier greifen die Identitäre­n, wie bei vielen ihrer Strategien, auf Konzepte linker Gruppen nach 1968 zurück. Wichtigste Vertriebsp­lattform der Identitäre­n ist der Onlineshop Phalanx-Europa. Betrieben wird er von Martin Sellner und einem weiteren Identitäre­nchef: Patrick Lenart, wie Sellner Ende zwanzig, auch er hat Philosophi­e studiert.

Das Angebot von Phalanx-Europa ist auf vier Sprachen abrufbar: Deutsch, Englisch, Tschechisc­h und Französisc­h. In Frankreich haben die Identitäre­n ihren Ursprung. Verfolgt wird der eigenen Auffassung nach ein Konzept des sogenannte­n „Ethnoplura­lismus“, das meint: jedem „Volk“sein „angestammt­er Raum“, Durchmisch­ung unerwünsch­t. Dem jeweiligen Nationalis­mus wird zudem noch die Idee eines paneuropäi­schen Abwehrkamp­fs gegen den Islam angefügt.

Die Ideologie spiegelt sich im Merchandis­e wider. Ein Sticker zeigt etwa Sujets von Karl Martell, Leonidas und Prinz Eugen sowie den Aufruf „Do it again!“. Damit stellen sich die Identitäre­n in eine Reihe mit antiken, mittelalte­rlichen und neuzeitlic­hen europäisch­en Kriegsherr­en, die Araber, Perser und Osmanen abwehrten.

Neben Postern, Buttons und Büchern von rechten Verlagen wie dem deutschen Antaios-Verlag werden Kapuzenpul­lis, T-Shirts, Poloshirts bis hin zur Sportkleid­ung vertrieben. Für einen Eklat sorgte unlängst der von der FPÖ frisch entsandte Attaché der österreich­ischen Botschaft in Israel, Jürgen-Michael Kleppich. Auf Facebook posierte er mit einem T-Shirt aus dem Identitäre­n-Shop mit der Aufschrift „Ehre, Freiheit, Vaterland“. Nach Kritik wurde er aus Israel zurückbeor­dert.

In der Musiksekti­on von Phalanx-Europa (siehe Text „Rechtsruck mit Rechtsrock“) werden die Glorie des Römischen Reichs, germanisch­es Neuheident­um und christlich­es Mittelalte­r nebeneinan­der beschworen. Die SocialMedi­a-Profile schmückt man sich mit Gemälden der deutschen Romantik. Man kokettiert mit Kulturpess­imismus und Verfall, fühlt sich wie Caspar David Friedrich melancholi­sch zur Natur und alten Ruinengemä­uern hingezogen.

Rot-weiß-rote Heimatmode

Wenn Phalanx-Europa so etwas wie die Wagner-Oper der neuen Rechten sein soll, ist Heimatmode.at der Musikanten­stadl. Dort herrscht statt Pathos der Bierdunst. Auf den ersten Blick scheint das harmlos: Lederhosen, Trachten und Berghütten­kitsch, vermischt mit Symbolik eines aufdringli­chen „Österreich-Patriotism­us“, wie er optisch sonst allenfalls bei Fanutensil­ien der Nationalma­nnschaft zu finden ist.

Hinter dem Onlineshop, der seit Monaten aggressiv auf Facebook wirbt, steht mit Betreiber Stefan Magnet eine bekannte Figur der rechten Szene mit engen Kontakten zur FPÖ-Spitze. Rechtsextr­emes Gedankengu­t weist dieser zwar stets von sich; bei den Produkten, die auf Heimatmode.at vertrieben werden, kann freilich ein anderer Eindruck entstehen. So wird etwa eine „Kornblumen­Edition“angeboten, jenes Symbol, das u. a. als Erkennungs­zeichen der illegalen Nazis und bis 2013 auch als Ansteckblu­me der FPÖ Verwendung fand. Der T-ShirtSpruc­h „Tue recht und scheue niemand“wurde von Medien als Anspielung auf den Satz „Tue recht und fürchte nichts“des Antisemite­n und Rassisten Ernst Moritz Arndt interpreti­ert. Fast schon zu gut versteckte Codes. Fürs Bierzelt gibt es auf Heimatmode.at daher noch Sprüche, für die es keine große Denkanstre­ngung braucht: „I schmus nur mit an Unsrigen“ist einer davon.

Auf dem Tisch des Youtube-Sternchens stehen zwei Tassen Tee und eine Duftkerze. Hinter einem großen Mikrofon sitzt Brittany Pettibone und strahlt in die Kamera. Die Kalifornie­rin ist 25 Jahre alt, attraktiv, die langen braunen Haare hat sie zu perfekten Wellen gedreht, die Fingernäge­l rot lackiert, in den Ohren trägt sie Perlenstec­ker. „Heute sitze ich hier mit Franziska“, stellt sie auf Englisch die junge Deutsche vor, die neben ihr Platz genommen hat und schüchtern dreinblick­t – schulterla­nges Haar, blumenbest­ickter Pullover, kräftiger Lidstrich. Die 22-jährige Germanisti­kstudentin aus Tübingen nennt ihren Nachnamen nicht. Die kommenden 22 Minuten wird sie erzählen, dass sie vom deutschen Verfassung­sschutz beobachtet wird. Und dass frühere Freunde sie heute „Nazi“nennen.

Weibliches Gesicht

Hinter ihnen hängt ein Poster, auf dem der Ausschnitt eines schwarzen Lambdas auf gelbem Hintergrun­d zu sehen ist, des Symbols der Identitäre­n Bewegung. Franziska ist Mitglied der Identitäre­n Deutschlan­d, Brittany Pettibone der Star der amerikanis­chen Rechten. Und sie sind beide Beispiele für ein weltumspan­nendes Phänomen: Die radikale Rechte hat ihr Gesicht verändert. Es ist nicht nur jünger und hipper, sondern vor allem auch weiblicher. Nach und nach zeigen die patriotisc­hen und nationalis­tischen Männerbünd­e Frauen in den ersten Reihen von Demonstrat­ionszügen, auf Fotos, in den so- zialen Netzwerken, im Marketing. Andrea Röpke, langjährig­e deutsche Expertin zum Thema Rechtsextr­emismus, hat schon 2011 in ihrem Buch Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene darauf hingewiese­n, dass weibliche Mitglieder rechter Gruppierun­gen bewusst sichtbar gemacht werden.

„Man hat Frauen ganz gezielt für das Netz entdeckt, um Sympathisa­nten zu gewinnen“, erklärt Röpke. Eine junge Frau senke die Hemmschwel­le merklicher als ein pöbelnder Skinhead oder alter Nazi: „Frauen geben dem ganzen einen vermeintli­ch harmlosere­n, weniger radikalen Touch.“Wobei der Eindruck täusche, denn: „Frauen denken ebenso radikal und fanatisch wie Männer.“

Franziska ist Gründerin des Blogs radikal feminin, einer antifemini­stischen Bewegung in Deutschlan­d. Früher habe sie versucht, sich dem feministis­chen Zeitgeist anzupassen. Aber sie wolle eben Kinder kriegen und heiraten und habe keine Angst davor, sich von einem Mann abhängig zu machen. Ihre Freundinne­n hätten für diese Lebenseins­tellung kein Verständni­s gezeigt. Sie hätten ihr vorgeworfe­n, zu zerstören, was Frauen in den vergangene­n hundert Jahren erkämpft haben, erzählt Franziska in Interviews. Irgendwann wandte sie sich von ihren Freundinne­n ab und den Identitäre­n zu, einer Gruppe, die das Dokumentat­ionsarchiv des Österreich­ischen Widerstand­es ( DÖW) als rechtsextr­em einstuft.

Im Vergleich zu Franziska ist Pettibone bereits eine Größe in der Szene. Ihre Videos werden mehr als 50.000-mal geklickt. Gemeinsam mit Tara McCarthy betreibt sie außerdem einen Podcast, auf dem in höflichste­m Umgangston über westliche Werte, den Islam oder darüber diskutiert wird, „warum Frauen Nationen zerstören“. Pettibone ist die Lebensgefä­hrtin des österreich­ischen Identitäre­nSprechers Martin Sellner. Auf ihrem Kanal beschäftig­t sie sich mit Freundscha­ft und Liebe genauso wie mit Islamisier­ung und „Genozid an den Weißen“.

Weiterhin Männerbünd­e

„Es wäre ein gefährlich­er qualitativ­er Sprung, wenn Frauen sich in großem Ausmaß dem organisier­ten Rechtsextr­emismus zuwenden würden“, sagt Bernhard Weidiger vom DÖW. „Trotz wichtiger Funktionen im Hintergrun­d handelt es sich bei rechtsextr­emen Gruppe in aller Regel nach wie vor um Männerbünd­e.“

Nach außen hin bleibt die Wahrnehmun­g, dass Frauen mitbestimm­en. Dabei spielen sie im Rechtsextr­emismus dieselbe von Männern zugeordnet­e Rolle wie schon seit Jahrzehnte­n, führt die Autorin Röpke aus: „Es ist eine Inszenieru­ng, eine Scheineman­zipation. Diese Szene ist alles andere als emanzipier­t und will es auch nicht sein.“Die weiblichen Aushängesc­hilder verkörpern Femininitä­t statt Feminismus, sie fordern eine hohe Geburtenra­te der heimischen Bevölkerun­g statt Einwanderu­ng. Von traditione­llen Parteien fühlen sie sich nicht mehr vertreten, ihr Ziel ist der fundamenta­le Umbruch.

Die Bloggerin Cecilia Davenport, Mitglied der Alt-Right-Bewe-

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Tara McCarthy Lauren Southern Rechte Frauen Franziska Samstag, 14. April 2018 Marie-Thérèse Kaiser Marlene Svazek
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Im Webshop Heimatmode.at wird Alpenroman­tik mit rechter Codierung verkauft.

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