Fesche Faschos
Identitäre wollen von allzu expliziter Nazimode nichts mehr wissen. Die „geistige Elite“der Rechten gibt sich kreativ, ironisch und romantisch. Das Gesicht rechter Bewegungen ist immer öfter we eiblich. Ausgerechnet die traditionellen Männerbünde setzen
Wenn sich Martin Sellner, Kopf der österreichischen Identitären, auf seinem Instagram-Account präsentiert, muss das Bild stimmen. Und die Botschaft. Mal trägt der Philosophiestudent schwarzen Rollkragen wie die (linken) französischen Existenzialisten, um sich bewusst deren Rebellenimage anzueignen; mal posiert er lachend in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Celebrate Diversity“(„Feiere die Vielfalt“) und einer Variation stilisierter Militärhelme. Kampf statt Multikulti, so die Botschaft der neurechten Ironie.
Sellner und seine US-amerikanische Freundin Brittany Pettibone (siehe Text „Die Postergirls der Rechten“) sind so etwas wie das Society-Pärchen der Identitären. Auf Instagram, wo zwischen Modebloggerinnen und Sportstars der digitale Zeitgeist stattfindet, lassen sie sich als solches feiern, grüßen im Norwergerpulli vor dem Christbaum oder in Abendkleidung vom FPÖ-Akademikerball.
Das Bild, das die neurechte Jugendbewegung vermitteln will, ist ein „freundlicheres“, als man es von früheren Rechtsextremen kennt. Von der Verwendung Verbotsgesetz-widriger Symbole sieht man ab, an die Stelle martialischer Hassbotschaften treten Ironie und historische Bezüge auf völkisch Interpretierbares vor der NS-Zeit. Und auch auf von Neonazis in der Vergangenheit vereinnahmte Modelabels wie Lonsdale (getragen mit offener Bomberjacke, um die Buchstaben „nsda“sichtbar zu machen) wird weitgehend verzichtet. Der Grund: Man macht sich die Mode einfach selbst. Als Identifikationsmerkmal und als wichtige Finanzierungsquelle für die Gruppe.
Merchandise als Finanzquelle
Die Idee, sich über professionell und einigermaßen kreativ designte Merchandisingprodukte zu finanzieren, ist nicht neu. Auch hier greifen die Identitären, wie bei vielen ihrer Strategien, auf Konzepte linker Gruppen nach 1968 zurück. Wichtigste Vertriebsplattform der Identitären ist der Onlineshop Phalanx-Europa. Betrieben wird er von Martin Sellner und einem weiteren Identitärenchef: Patrick Lenart, wie Sellner Ende zwanzig, auch er hat Philosophie studiert.
Das Angebot von Phalanx-Europa ist auf vier Sprachen abrufbar: Deutsch, Englisch, Tschechisch und Französisch. In Frankreich haben die Identitären ihren Ursprung. Verfolgt wird der eigenen Auffassung nach ein Konzept des sogenannten „Ethnopluralismus“, das meint: jedem „Volk“sein „angestammter Raum“, Durchmischung unerwünscht. Dem jeweiligen Nationalismus wird zudem noch die Idee eines paneuropäischen Abwehrkampfs gegen den Islam angefügt.
Die Ideologie spiegelt sich im Merchandise wider. Ein Sticker zeigt etwa Sujets von Karl Martell, Leonidas und Prinz Eugen sowie den Aufruf „Do it again!“. Damit stellen sich die Identitären in eine Reihe mit antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen europäischen Kriegsherren, die Araber, Perser und Osmanen abwehrten.
Neben Postern, Buttons und Büchern von rechten Verlagen wie dem deutschen Antaios-Verlag werden Kapuzenpullis, T-Shirts, Poloshirts bis hin zur Sportkleidung vertrieben. Für einen Eklat sorgte unlängst der von der FPÖ frisch entsandte Attaché der österreichischen Botschaft in Israel, Jürgen-Michael Kleppich. Auf Facebook posierte er mit einem T-Shirt aus dem Identitären-Shop mit der Aufschrift „Ehre, Freiheit, Vaterland“. Nach Kritik wurde er aus Israel zurückbeordert.
In der Musiksektion von Phalanx-Europa (siehe Text „Rechtsruck mit Rechtsrock“) werden die Glorie des Römischen Reichs, germanisches Neuheidentum und christliches Mittelalter nebeneinander beschworen. Die SocialMedia-Profile schmückt man sich mit Gemälden der deutschen Romantik. Man kokettiert mit Kulturpessimismus und Verfall, fühlt sich wie Caspar David Friedrich melancholisch zur Natur und alten Ruinengemäuern hingezogen.
Rot-weiß-rote Heimatmode
Wenn Phalanx-Europa so etwas wie die Wagner-Oper der neuen Rechten sein soll, ist Heimatmode.at der Musikantenstadl. Dort herrscht statt Pathos der Bierdunst. Auf den ersten Blick scheint das harmlos: Lederhosen, Trachten und Berghüttenkitsch, vermischt mit Symbolik eines aufdringlichen „Österreich-Patriotismus“, wie er optisch sonst allenfalls bei Fanutensilien der Nationalmannschaft zu finden ist.
Hinter dem Onlineshop, der seit Monaten aggressiv auf Facebook wirbt, steht mit Betreiber Stefan Magnet eine bekannte Figur der rechten Szene mit engen Kontakten zur FPÖ-Spitze. Rechtsextremes Gedankengut weist dieser zwar stets von sich; bei den Produkten, die auf Heimatmode.at vertrieben werden, kann freilich ein anderer Eindruck entstehen. So wird etwa eine „KornblumenEdition“angeboten, jenes Symbol, das u. a. als Erkennungszeichen der illegalen Nazis und bis 2013 auch als Ansteckblume der FPÖ Verwendung fand. Der T-ShirtSpruch „Tue recht und scheue niemand“wurde von Medien als Anspielung auf den Satz „Tue recht und fürchte nichts“des Antisemiten und Rassisten Ernst Moritz Arndt interpretiert. Fast schon zu gut versteckte Codes. Fürs Bierzelt gibt es auf Heimatmode.at daher noch Sprüche, für die es keine große Denkanstrengung braucht: „I schmus nur mit an Unsrigen“ist einer davon.
Auf dem Tisch des Youtube-Sternchens stehen zwei Tassen Tee und eine Duftkerze. Hinter einem großen Mikrofon sitzt Brittany Pettibone und strahlt in die Kamera. Die Kalifornierin ist 25 Jahre alt, attraktiv, die langen braunen Haare hat sie zu perfekten Wellen gedreht, die Fingernägel rot lackiert, in den Ohren trägt sie Perlenstecker. „Heute sitze ich hier mit Franziska“, stellt sie auf Englisch die junge Deutsche vor, die neben ihr Platz genommen hat und schüchtern dreinblickt – schulterlanges Haar, blumenbestickter Pullover, kräftiger Lidstrich. Die 22-jährige Germanistikstudentin aus Tübingen nennt ihren Nachnamen nicht. Die kommenden 22 Minuten wird sie erzählen, dass sie vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet wird. Und dass frühere Freunde sie heute „Nazi“nennen.
Weibliches Gesicht
Hinter ihnen hängt ein Poster, auf dem der Ausschnitt eines schwarzen Lambdas auf gelbem Hintergrund zu sehen ist, des Symbols der Identitären Bewegung. Franziska ist Mitglied der Identitären Deutschland, Brittany Pettibone der Star der amerikanischen Rechten. Und sie sind beide Beispiele für ein weltumspannendes Phänomen: Die radikale Rechte hat ihr Gesicht verändert. Es ist nicht nur jünger und hipper, sondern vor allem auch weiblicher. Nach und nach zeigen die patriotischen und nationalistischen Männerbünde Frauen in den ersten Reihen von Demonstrationszügen, auf Fotos, in den so- zialen Netzwerken, im Marketing. Andrea Röpke, langjährige deutsche Expertin zum Thema Rechtsextremismus, hat schon 2011 in ihrem Buch Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene darauf hingewiesen, dass weibliche Mitglieder rechter Gruppierungen bewusst sichtbar gemacht werden.
„Man hat Frauen ganz gezielt für das Netz entdeckt, um Sympathisanten zu gewinnen“, erklärt Röpke. Eine junge Frau senke die Hemmschwelle merklicher als ein pöbelnder Skinhead oder alter Nazi: „Frauen geben dem ganzen einen vermeintlich harmloseren, weniger radikalen Touch.“Wobei der Eindruck täusche, denn: „Frauen denken ebenso radikal und fanatisch wie Männer.“
Franziska ist Gründerin des Blogs radikal feminin, einer antifeministischen Bewegung in Deutschland. Früher habe sie versucht, sich dem feministischen Zeitgeist anzupassen. Aber sie wolle eben Kinder kriegen und heiraten und habe keine Angst davor, sich von einem Mann abhängig zu machen. Ihre Freundinnen hätten für diese Lebenseinstellung kein Verständnis gezeigt. Sie hätten ihr vorgeworfen, zu zerstören, was Frauen in den vergangenen hundert Jahren erkämpft haben, erzählt Franziska in Interviews. Irgendwann wandte sie sich von ihren Freundinnen ab und den Identitären zu, einer Gruppe, die das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes ( DÖW) als rechtsextrem einstuft.
Im Vergleich zu Franziska ist Pettibone bereits eine Größe in der Szene. Ihre Videos werden mehr als 50.000-mal geklickt. Gemeinsam mit Tara McCarthy betreibt sie außerdem einen Podcast, auf dem in höflichstem Umgangston über westliche Werte, den Islam oder darüber diskutiert wird, „warum Frauen Nationen zerstören“. Pettibone ist die Lebensgefährtin des österreichischen IdentitärenSprechers Martin Sellner. Auf ihrem Kanal beschäftigt sie sich mit Freundschaft und Liebe genauso wie mit Islamisierung und „Genozid an den Weißen“.
Weiterhin Männerbünde
„Es wäre ein gefährlicher qualitativer Sprung, wenn Frauen sich in großem Ausmaß dem organisierten Rechtsextremismus zuwenden würden“, sagt Bernhard Weidiger vom DÖW. „Trotz wichtiger Funktionen im Hintergrund handelt es sich bei rechtsextremen Gruppe in aller Regel nach wie vor um Männerbünde.“
Nach außen hin bleibt die Wahrnehmung, dass Frauen mitbestimmen. Dabei spielen sie im Rechtsextremismus dieselbe von Männern zugeordnete Rolle wie schon seit Jahrzehnten, führt die Autorin Röpke aus: „Es ist eine Inszenierung, eine Scheinemanzipation. Diese Szene ist alles andere als emanzipiert und will es auch nicht sein.“Die weiblichen Aushängeschilder verkörpern Femininität statt Feminismus, sie fordern eine hohe Geburtenrate der heimischen Bevölkerung statt Einwanderung. Von traditionellen Parteien fühlen sie sich nicht mehr vertreten, ihr Ziel ist der fundamentale Umbruch.
Die Bloggerin Cecilia Davenport, Mitglied der Alt-Right-Bewe-