Handel mit Hitler
Abseits des klassischen Kunstmarktes blüht der Handel mit den einst von Adolf Hitler gepinselten Werken. Die Fachwelt ist sich einig: keine Kunst, sondern Devotionalien.
Hätte es den Holocaust auch gegeben, wenn Adolf Hitler das Talent für eine künstlerische Laufbahn gehabt hätte? Eine oft gestellte, wenngleich sinnlose Frage. Zweimal war er vergeblich zur Aufnahmeprüfung an der der Akademie in Wien angetreten.
Eine Ablehnung, die er allerdings nicht als Scheitern verstand, revidiert Birgit Schwarz eine gängige Fehldeutung. Vielmehr empfand er sich als „verkanntes Genie“, ein Selbstschutz angesichts seines „angeschlagenen Selbstbewusstsein“, wie die Kunsthistorikerin in ihrem Buch Geniewahn: Hitler und die Kunst (2. Auflage, BöhlauVerlag, 2011) analysiert.
Das Problem seines Geniekonzepts: Ideologisiert und „mit nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Inhalten aufgeladen“, bildete es „die Basis seiner Weltanschauung und Selbstkonzeption als ‚Führer‘, Künstler-Politiker und Stratege“, so ihr Fazit. Eine Antwort, die den Verlauf der Geschichte und die Ermordung von Millionen nicht ungeschehen macht.
Ausstellung im Belvedere?
Umso eigentümlicher scheint der seit 80 Jahren florierende Handel mit von Hitler gepinselten Werken, angeblich bis zu 3000, die er zwischen 1904 und 1922 schuf: mehrheitlich Aquarelle, auch Ölbilder. Sie werden im Internet und über kleinere Auktionshäuser, in der europäischen Provinz oder in den USA versteigert.
Der Kult um den „Führer“blüht bis heute, wie die Kaufpreise für die teils von Postkarten abgemalten Aquarellbildchen belegen: 130.000 Euro für das Münchener Rathaus, 100.000 Euro für Schloss Neuschwanstein. An den Kriterien des Kunstmarktes bemessen absurd. Da gäbe es Qualitätsvol- leres von Künstlern und das für einen Bruchteil des Geldes. Wertbestimmend ist die Marke „Hitler“, womit es sich nicht um Kunst, sondern um Devotionalien handelt.
Würden Institutionen in Wien derlei in einer Ausstellung zeigen? „Nein.“(WienMuseum, Leopold-Museum) Wozu, fragt Akademie-Rektorin Eva Blimlinger: Was sollte dadurch schon „erklärt, repräsentiert oder verstanden werden“? Ein „Ja“tönt indes aus dem Belvedere, „aber nur im Zusammenhang mit einer kritischen Auseinandersetzung“, so Direktorin Stella Rollig.
Würden seriöse Auktionshäuser Werke von Adolf Hitler anbieten? „Aus Prinzip nicht.“(Christie’s) „Nein, keine Objekte, die im Zusammenhang mit dem 3. Reich stehen.“(Sotheby’s) „Nein, aus naheliegenden Gründen: Geschichte und Qualität.“(Artcurial) „Nein!“(Hassfurther) „Diese Bilder haben weder einen künstlerischen noch wissenschaftlichen Wert, sie sind NS-Memorabilia“, die „kein seriöses Auktionshaus versteigert“(Dorotheum). „Wir haben nie und werden auch in Zukunft keine Werke“von Hitler übernehmen, denn „alles in Verbindung mit dieser Person sollte nicht unter dem Label ‚Kunst‘ reingewaschen oder verharmlost werden“(„im Kinsky“).
Der ablehnende Tenor ist einhellig. Davon profitieren zeitgleich andere, wie das in Nürnberg angesiedelte Auktionshaus Weidler. Dort werden seit Jahren von Hitler gemalte Bilder versteigert. Sie kommen aus Privatbesitz und Nachlässen aus aller Herren Länder und wandern dann gegen gutes Geld nach Brasilien, Großbritannien, die Vereinigten Emirate, Russland oder China ab.
Es seien „Käufer, die ein Stück Weltgeschichte im Safe haben möchten“, erklärt Kerstin Weidler. Am Samstag wird ein Porträtgemälde versteigert, das angeblich eine Geliebte Hitlers darstellen soll, die er während des Ersten Weltkrieges in Frankreich gemalt haben soll. Es stammt aus dem Besitz des flämischen Industriellen Walter Duyck, der sich, wie Fotoaufnahmen aus den 1960erJahren zeigen, im Beisein eines japanischen Fernsehteams in Hitlers posthumem Ruhm sonnte.
Seinen Nachfahren soll der Verkauf wenigstens 60.000 Euro einbringen. Laut Weidler würden derzeit Anfragen aus aller Welt bearbeitet. Nachsatz: Ein Gutachten bestätigt die Echtheit des Bildes. Zweifel sind angesichts unzähliger Fälschungen angebracht. Sie datieren teils vor 1935, als die NSDAP die Werke um teures Geld zurückzukaufen begann: auch in Wien, bei jenen Kunsthändlern, die Hitlers Postkartenmotive (u. a. Minoritenkirche etc.) in den Wiener Jahren ankauften und sein Leben finanzierten.
Etwa Jakob Altenberg, dessen drei Geschäftsniederlassungen dennoch arisiert wurden. Oder Samuel Morgenstern, seine einstige Haupteinnahmequelle, dessen Kooperation zur Auffindung von Werken des „Führers“am Ende nutzlos blieb. Er wurde nach Polen deportiert und kam 1943 im Ghetto Litzmannstadt um.