Der Standard

Wo die Schratt ihr „Popscherl“bettete

In Paris und Wien kommen Möbel prominente­r Herkunft zur Auktion: aus dem Hotel Ritz, dem Palais Modena oder auch der Albertina.

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Selige Zeiten für Einrichtun­gskunden und Sammler, die Mobiliar historisch­er, aristokrat­ischer oder prominente­r Provenienz bevorzugen: etwa wegen der damit verknüpfte­n Histörchen, die solchen Objekten eine Aura verleihen. Schließlic­h ist es ein Unterschie­d, ob eine Namenlose oder des Kaisers Freundin einst ihr „Popscherl“auf einem Kanapee bettete. Oder ob Ernest Hemingway theoretisc­h aus diesem Glas seinen Whiskey getrunken haben könnte. Im internatio­nalen Auktionsan­gebot lauern aktuell einige Köder dieser Gattung. Die umfangreic­hste Sause wartet kommende Woche in Paris, wo Artcurial (17.–21. 4.) an die 10.000 Einrichtun­gsgegenstä­nde aus vier Ausstattun­gsperioden des legendären Hotel Ritz versteiger­t.

Ob Luster, Hocker, Frisiertis­ch, Teppich, Hundebettc­hen, Gartenstuh­l oder Aschenbech­er, jedes Objekt steht repräsenta­tiv für den Mythos des Hotels an der Place Vendôme, 1898 von César Ritz eröffnet, der, laut Hotelhisto­riker Andreas Augustin, als 23-Jähriger bei der Wiener Weltausste­llung 1873 als Aushilfske­llner tätig war. Möglich, dass Ritz das kurz zuvor an der Ringstraße eröffnete Grand Hotel inspiziert­e und nachhaltig beeindruck­t war.

Dass es im Wien der Zwischenkr­iegszeit ebenfalls ein „Hotel Ritz“gab, ist jedoch eine andere Geschichte: Die Eigentümer des am Neuen Markt angesiedel­ten Hotel Krantz wollten den internatio­nalen Werbewert der Marke Ritz nutzen und benannten sich 1922 einfach um. Die Ritz Hotels Developmen­t Company Ltd. (London) bemühte also das Wiener Handelsger­icht, das im März 1926 zugunsten des Klägers ent- schied. Wenige Gehminuten vom Neuen Markt entfernt, war 1919 das Habsburger­gesetz exekutiert worden und der enteignete Erzherzog Friedrich aus seinem Palais, der heutigen Albertina, delogiert worden. Einzig das mobile Inventar durfte der zum Bürger der Republik degradiert­e Enkel Kaiser Leopolds II. mitnehmen. Die damalige Räumungsli­ste und ein Auktionska­talog sind jene Quellen, die Kurator Christian Benedik für die historisch­e Rekon- struktion der 21 Gemächer der Prunkräume nutzt. Ob zwei Sessel, die einst im Audienzzim­mer standen, in sein Beuteschem­a fallen? Sie wurden 1933 bei Kende versteiger­t, zuletzt im April 2017 (10.000–20.000 Euro) bei „im Kinsky“offeriert, wo sie nun im Zuge der 122. Auktion (24./25. 4.) mit einer reduzierte­n Taxe (7000– 14.000 Euro) noch eine Runde auf dem Auktionspa­rkett drehen.

Im Dorotheum sucht ein ganzer Schwung an historisch besonde- rem Mobiliar neue Besitzer. Dazu gehört ein Paar klassizist­ischer Konsoltisc­he (7000–9000 Euro) aus dem Palais Modena, wo heute das Innenminis­terium residiert. Der Verkauf steht aber in keinem Zusammenha­ng mit etwaigen Budgetlück­en. Die Tische dürften vor mehr als 100 Jahren ausgesonde­rt worden sein. Nähere Angaben zur jüngeren Provenienz gab es auf Anfrage nicht. Anders im Falle der Herkunft eines französisc­hen Salonensem­bles aus dem 19. Jahrhunder­t: Einst gehörte es der Kaiserfreu­ndin Katharina Schratt, zuletzt der Schauspiel­erin Senta Berger, die es 1966 im Dorotheum ersteigert hatte. (kron)

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Angebliche Geliebte im Ersten Weltkrieg: Gemälde Hitlers.
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Foto: Dorotheum Konsoltisc­he (Ende 18. Jh.) aus dem Palais Modena, dem heutigen Innenminis­terium.

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