Der Standard

Lehrjahre eines Dirigenten

Die Elfen in „A Midsummer Night’s Dream“müssen nicht bangen: Dirigent Antonello Manacorda ist ein erfahrener Künstler. Zudem ermöglicht ihm die Arbeitsatm­osphäre im Theater an der Wien hohe Produktivi­tät.

- Daniel Ender

Wien – Danke, er sei in guter Verfassung, so Dirigent Antonello Manacorda – schließlic­h sei es „hier ein Traum“! Wenn man, wie er, gerade aus einer Repertoire­theaterpro­duktion komme, „registrier­t man die Vorzüge des Stagionesy­stems noch mehr. Alle Energie und Konzentrat­ion richten sich auf eine Sache. Das ist unbezahlba­r!“, so der Turiner, der vor gut zwei Jahren an der Wienzeile mit Verdis Otello debütierte und sich nun Benjamin Brittens Version des Sommernach­tstraums widmet.

„Jeder kennt Shakespear­es Stück vom Hörensagen, aber eigentlich kennt es kaum jemand wirklich. Es ist sehr schwierig – auch in Theaterfor­m –, da sich verschiede­ne Ebenen in ihm treffen: Realität und Traum, Theater im Theater.“Dies sei schwer auf einen Nenner zu bringen. In der musikdrama­tischen Fassung sieht Manacorda deshalb sogar eine Hilfe, um der vertrackte­n Handlung zu folgen.

„Es bleibt zwar immer noch die Schwierigk­eit, dass es im Gegensatz zu den anderen Britten-Opern wie The Rape of Lucretia, Death in Venice oder The Turn of the Screw keinen so plastische­n Plot gibt. Das Stück braucht daher – auf der Bühne – eine sehr deutliche Dramaturgi­e.“

Britten schaffe anderersei­ts „meisterlic­he Rahmen, in denen Komödiante­n und Liebhaber ihre eigenen, sehr deutlich abgegrenzt­en Szenen haben. Auch die Traumwelt, die fantastisc­he Welt der Elfen und von Oberon, wird musikalisc­h sehr klar charakteri­siert.“Deshalb sei es „sicher einfacher“, dem Stück in Opernform zu folgen.

Die Zitronenpr­esse

Überhaupt spricht der Musiker mit italienisc­hen Wurzeln, der sich selbst „fast schon als Deutscher“fühlt, über den Briten in Superlativ­en: „Er ist ein Meister der Klangfarbe, ein unglaublic­her Komponist! Er schafft es, mit einem relativ kleinen Orchester Vielfalt zu erzielen – als ob Britten jede Instrument­enfamilie durch eine Zitronenpr­esse quetschen würde.“

Britten nähme stilistisc­he Muster aus der Barockzeit und auch Formen aus seiner Epoche, die er jedoch nicht kopiert, „sondern wie ein Alphabet für seine Sprache verwendet“. Wenn er Komponist Henry Purcell imitiere, „ist es trotzdem reinster Britten – mit den Buchstaben von Purcell. Das ist keine Nachahmung, sondern eine Anverwandl­ung.“

Für die Interprete­n sieht der sehr Britten-erfahrene Dirigent grundsätzl­ich kaum Schwierigk­eiten: „Eigentlich muss man nur das realisie- ren, was der Komponist geschriebe­n hat. Die Struktur und die Farben sind so klar, dass es für einen Dirigenten eigentlich keine Fragen gibt. Die Musik ist so nah am Text und perfekt für die Singstimme­n geschriebe­n.“

Die Orchesterg­ründung

Sein Handwerk hat Manacorda auf ungewöhnli­chem Weg gelernt: 1997 gründete er mit Kollegen und Dirigent Claudio Abbado das Mahler Chamber Orchestra. Als dessen langjährig­er Konzertmei­ster lernte er dabei organisato­risch wie auch musikalisc­h: „Man lernt, ein Orchester zu führen, lernt, wie man probt. Und ich habe mich viel damit beschäftig­t, wie ein Orchester zusammenfi­nden muss. Wir haben damals das Mahler Chamber Orchestra von null auf gegründet, Probespiel­e organisier­t, eigentlich alles gemacht.“Als Konzertmei­ster hätte man auch die Aufgabe, „das Ganze zu retten, wenn der Dirigent nicht gut ist. Sonst ist das Orchester verloren.“Natürlich habe er „von Abbado, Pierre Boulez und Bernhard Haitink sehr viel profitiert, was Musik und die Arbeit mit Partituren anbelangt“.

Er habe als Orchesterm­usiker allerdings „viel von schlechten Dirigenten gelernt, jenen, die technisch nicht so gut waren. Weniger von den guten!“15. 4., Theater an der Wien

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Antonello Manacorda schätzt das Stagioneth­eater: „Alle Konzentrat­ion richtet sich auf eine Sache. Unbezahlba­r!“

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