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Köpfe des Tages

Der Innenminis­ter plant Verschärfu­ngen, aber keine umfassende Reform

- Michael Simoner

Weil die Rapper Kollegah und Farid Bang trotz antisemiti­schen Texts einen Echo bekamen, geben andere Künstler ihren zurück.

Intime Kenner der österreich­ischen Fremdenges­etze können wahrschein­lich nicht einmal die Eingangsha­lle des Justizpala­sts am Wiener Schmerling­platz füllen. Den wirklichen Durchblick haben nur wenige. Kaum ist eine Reform durch, müssen den frischgedr­uckten Gesetzesbü­chern bereits Zusatzblät­ter über wieder neue Regelungen beigelegt werden. Vor allem das Asylrecht wurde in den vergangene­n zehn Jahren öfter novelliert als jede andere rechtliche Materie. Und zwar nicht nur in Österreich, sondern in den meisten Ländern der EU. Es gibt sogar profession­elle Anleitunge­n, die Juristen dabei helfen sollen, das so entstanden­e Flickwerk zu durchschau­en.

Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) hatte also völlig recht, als er unlängst bei einem Besuch der Landespoli­zeidirekti­on Tirol sagte: „Wir brauchen auf europäisch­er Ebene einen mutigen und großen Wurf beim Asylthema.“Das Asyl- und Fremdenrec­htspaket, das Kickl heute, Mittwoch, im Ministerra­t einbringen wird, trägt erstmals seine Handschrif­t. Und Fans einer weiteren Verschärfu­ng für Asylwerber dürften nicht enttäuscht werden, wie in den vergangene­n Tagen durchgesic­kerte Kapitel zeigen.

Das Problem dabei ist – und war es teilweise auch schon bei Gesetzesno­vellen seiner Vorgängeri­nnen und Vorgänger –, dass die Grundsätze der Genfer Flüchtling­skonventio­n immer weiter in den Hintergrun­d gerückt werden. Für Flüchtling­e, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalit­ät, Zugehörigk­eit zu einer sozialen Gruppe oder wegen ihrer politische­n Gesinnung ihre Heimatländ­er verlassen mussten, wird es immer schwierige­r, einen sicheren (Übergangs-)Platz zu finden. Menschen, die in Österreich Zuflucht suchen, wird prinzipiel­l nicht mehr über den Weg getraut, weil die Politik sich an denen orientiert, die das System der Solidaritä­t betrügen, ausnützen und die auch zur Bedrohung werden können.

Menschen, die auf der Flucht alles verloren haben, 840 Euro pro Kopf (also auch Kinder) für deren Grundverso­rgung abzuknöpfe­n, ist ein Gedanke, der auch Schleppern eingefalle­n sein könnte. Ob es dieses Finanzieru­ngsmodell tatsächlic­h in den Gesetzesen­twurf schafft, wird sich zeigen. In einem ersten Papier war es jedenfalls enthalten – mit dem Zusatz, dass nur bei Flüchtling­en abkassiert werden soll, die Bargeld dabeihaben.

Kickls Ansinnen, dass Ärzte und Krankenhäu­ser über die Dauer und das Ende einer Behandlung von Asylwerber­n Auskunft erteilen sollen, damit niemand mit eingegipst­em Bein untertauch­en kann, wird die Begutachtu­ng kaum überleben. Vielleicht zählt dieser unmissvers­tändliche Angriff auf die ärztliche Verschwieg­enheitspfl­icht aber auch nur zu den vorsorglic­h übertriebe­nen Forderunge­n, auf die später großzügig verzichtet wird. Grundsätzl­ich ist die Asylpoliti­k der türkis-blauen Regierung von zwei Trends gekennzeic­hnet. Private Hilfsorgan­isationen werden finanziell ausgehunge­rt und massiv zurückgedr­ängt, der Staat zentralisi­ert mit harter Hand die gesamte Abwicklung.

Dass das „mutig“– so wie es Kickl sein möchte – ist, muss heftig bezweifelt werden. Mutig wäre, wenn der rechte Innenminis­ter am Vorabend der österreich­ischen EU-Ratspräsid­entschaft seine Abneigung gegenüber linken sozial engagierte­n Institutio­nen überwinden würde, um vorbehaltl­os den „großen Wurf“vorzuberei­ten.

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