„Trump ist gleichzeitig irgendwie ein Genie und irgendwie ein Trottel“
Der international tätige Berater Daniel Levin beschreibt, warum er in seinem Buch politische Arenen als Zirkus beschreibt und teuflische Genies nur sehr selten vorkommen.
Standard: Sie haben ein Buch verfasst über Ihre Erfahrung als Berater, das viel über Herrschaftsmechanismen erzählt. Was war die bizarrste Situation, in der Sie sich wiedergefunden haben? Levin: Das Traurige an diesen Situationen ist, dass sie öfter vorkommen. Ein Vorsitzender einer aufzubauenden Antikorruptionsbehörde etwa, der einen Kick-back für sich selbst gefordert hat. Oder ein Projekt in Zentralasien, das vom Präsident des Landes initiiert wurde, um Generationen heran zu erziehen in Politik, Wirtschaft, der akademischen, medizinischen Welt. Ein Jahr haben unsere Stiftung und eine im Land daran gearbeitet. Bis einer der Hauptbeteiligten, ein enger Weggefährte des Präsidenten, in engstem Rahmen ausgeplaudert hat, dass der Präsident sich einer Notoperation unterziehen lassen musste. Damit wurde an seiner Unsterblichkeit gezweifelt, was den Präsidenten so geärgert hat, dass er das Projekt sausen ließ. Die Rhetorik des Reformers war von einer Sekunde auf die andere beendet. Es ist überraschend zu sehen, wie schnell sich jemand als Vater der Nation beschreibt und Monumente errichten lässt.
Standard: Sie schreiben, Sie seien darauf vorbereitet gewesen, „leibhaftigen Beispielen von Überheblichkeit, Selbstverherrlichung, Eitelkeit, Narzissmus und Inkompetenz zu begegnen“. Mehr als all dies haben Sie die Gewöhnlichkeit überrascht. Wie meinen Sie das? Levin: Wenn man von Despoten spricht, geht man oft von teuflischen Genies aus. Die sieht man allerdings ganz, ganz selten. Je höher man steigt, umso mehr merkt man, dass Leute sehr mittelmäßig sind. Dennoch haben sie oft einen gewissen Instinkt. Donald Trump ist ein gutes Beispiel: Er ist gleichzeitig irgendwie ein Genie und irgendwie ein Trottel. Er hat 80 Millionen Menschen dazu bekommen, ihn zu wählen. Es wäre verheerend, das zu unterschätzen.
Standard: Russlands Präsident gilt vielen als teuflisches Genie. Levin: Wladimir Putin gilt als teuflisches Genie, weil er die Amerikaner ausgetrickst hat in Syrien oder praktisch ohne finanzielle Mittel Wahlen manipuliert. In Deutschland, Frankreich, auch in Österreich wird debattiert, wer ihm aller hörig ist. Das mag ja alles sein, aber: Wann haben Sie das letzte Mal etwas gekauft, auf dem Made in Russia stand? Was bleibt übrig von der Wirtschaft, wenn man Erdgas und Öl streicht? Man kann in gewisser Hinsicht ein Genie sein, vor allem was Machtpolitik angeht, in anderer Hinsicht im besten Fall aber mittelmäßig.
Standard: Warum lässt der Politikbereich eher ein hohes Maß an Inkompetenz zu als andere Bereiche? Levin: Die verlangten Fähigkeiten sind weniger fachlicher Natur. Wichtiger ist, aufsteigen zu können. Viele erfolgreiche Menschen sind sehr gerissen und haben ein unglaublich feines Gespür.
Standard: Sie schildern die politische Arena als Zirkus, Washington als „Domäne der Clowns“. Hat Sie der Sieg Donald Trumps weniger überrascht als andere? Levin: Ich war sehr überrascht. Zwei gute Freunde, die bei der CIA arbeiten, haben mir, als Trump seine Kandidatur angekündigt hat, gesagt: Er wird es. Ich habe sie ausgelacht. Nach der Wahl habe ich nachgefragt, was sie so sicher gemacht hat, obwohl die Umfragen dagegengesprochen haben. In den meisten Umfragen hat keiner zugegeben, Trump zu wählen. Sie haben es anders gemacht: Sie haben gefragt, ob die Leute wissen, für wen ihr Nachbar, ihr Onkel, ihr Arbeitskollege stimmt. Da haben die meisten Trump genannt.
Standard: Sie helfen auch in Syrien, Jemen, Libyen, Staats- und Wirtschaftssysteme aufzubauen. Wie sieht die Arbeit in Ländern aus, die teils in Schutt und Asche liegen? Levin: Im Jemen-Fall arbeiten wir mit Machthabern aus der Golfregion zusammen. 200 Personen von verschiedenen Stämmen, auch Huthis, werden aus dem Jemen geholt, in einer Stadt der Region beherbergt und für 18 Monate in verschiedenen Aspekten der Staatsführung ausgebildet. Wenn das Töten einmal aufhört, dann soll ein Grundstock da sein, um etwa ein Parlament aufzubauen. In Libyen sprechen alle davon, einen funktionierenden Staat aufbauen zu wollen. Mit den jemenitischen Stammesvertretern sprechen wir darüber, warum ein Staat überhaupt gut ist. Wir gehen oft davon aus, unser westliches Demokratiemodell verkaufen zu müssen. Dabei müssen wir dieses in anderen Regionen meist erst einmal rechtfertigen.
DANIEL LEVIN (54) ist Anwalt und Berater für wirtschaftliche Entwicklungen und politische Reformen mit Schweizer und US-Pass. Heute Mittwoch stellt er sein Buch „Alles nur ein Zirkus. Fehltritte unter Mächtigen“an der Diplomatischen Akademie in Wien vor. Levin sitzt im Stiftungsrat der Liechtenstein Foundation for State Governance, er lebt nahe NYC.