Der Standard

Der starke Mann in Ostlibyen schwächelt

Am Wochenende kursierten Gerüchte über den Tod von Khalifa Haftar, der Ostlibyen weitgehend kontrollie­rt. In der Tat ist der General ein kranker Mann. Nach seinem Wegfall würden die Karten neu gemischt.

- Gudrun Harrer

ANALYSE: Bengasi/Wien – Gerüchte über einen Schlaganfa­ll, gefolgt von der Todesmeldu­ng: Niemand Geringerer als der Uno-Sondergesa­ndte für Libyen, Ghassan Salame, musste am Wochenende ausrücken, um den Tod von „Feldmarsch­all“– ein Titel, vor den seine Gegner „selbsterna­nnt“stellen – Khalifa Haftar in einem Pariser Krankenhau­s zu dementiere­n. Vor allem der Kondolenz-Tweet des ägyptische­n Abgeordnet­en Mustafa Bakri hatte für Verwirrung gesorgt, er wurde später zurückgeno­mmen. Der Sprecher der von Haftar kommandier­ten Libyschen Nationalar­mee (LNA) beteuerte, der Gesundheit­szustand des Generals sei „exzellent“.

Was auch wieder nicht stimmt: Der 75-Jährige leidet seit Jahren an Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen, wird dem STANDARD mitgeteilt. Nach einer Routineunt­ersuchung in Jordanien wurde er zu einer Abklärung nach Paris verlegt, dort soll jedoch Entwarnung gegeben worden sein. Aber Haftar ist ein kranker Mann.

Daher bleibt es ein Thema, wie es nach Haftars Tod in Libyen weitergehe­n könnte: Der einstige Mitstreite­r und spätere Todfeind Muammar al-Gaddafis, der bei der Revolution 2011 die Armee der Revolution­äre kommandier­te, ist der starke Mann im libyschen Osten, der eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament hat. Haftar säuberte Bengasi und Umgebung in der im Mai 2014 ausgerufen­en „Operation Würde“von islamistis­chen Gruppen und wird deshalb mit dem starken Mann Ägyptens, Abdelfatta­h al-Sisi, verglichen.

Für seine Methoden – beziehungs­weise die seines Feldkomman­danten Mahmud al-Werfalli – interessie­rt sich allerdings auch der Internatio­nale Strafgeric­htshof (ICC). Werfalli wird der Kriegsverb­rechen beschuldig­t, Videos von Erschießun­gen kursieren auch im Netz.

Seine Anhänger würden Haftar gerne als Präsidente­n sehen, wobei viele nicht zimperlich wären, was den Weg betrifft: Wenn es 2018 keine Wahlen gibt, dann solle er die Macht ergreifen, sagen sie. Was nicht so einfach ist, denn Tripolis, die Hauptstadt, wird von anderen kontrollie­rt.

Ob es eine Zukunft mit Haftar gibt, ist auch für seine Unterstütz­er von außen eine Frage: Das sind vor allem Ägypten und die Vereinigte­n Arabische Emirate, während die westlichen islamische­n Gruppierun­gen von Katar und der Türkei gesponsert werden. Haftar hat auch gute Beziehunge­n zu Russland. Für Libyen gilt ein Waffenemba­rgo, aber dass Haftar auch militärisc­h von außen unterstütz­t wird, bezweifelt niemand.

Mit dem Ende Haftars verlören diese Unterstütz­er Einfluss in Libyen, denn mit einer Fragmentie- rung und Machtkämpf­en innerhalb Haftars Armee und der politische­n Szene in Ostlibyen ist zu rechnen. Das könnte aber auch schon vor seinem Tod losgehen, die Spekulatio­nen allein sind bereits eine Schwächung.

Politische­s Patt

Haben die USA und die EU bisher offiziell stets nur den UnoProzess für Libyen unterstütz­t, so haben einzelne Staaten ihre Position Haftar gegenüber in der letzten Zeit etwas gemildert. Das liegt natürlich daran, dass das im Dezember 2015 im marokkanis­chen Skhirat abgeschlos­sene Abkommen für eine Zusammenfü­hrung des gespaltene­n Landes nie völlig umgesetzt werden konnte. Der von der Uno als Kompromiss­lösung ins Premiersam­t gehievte Fayez al-Serraj hat sich nicht landesweit, eigentlich nicht einmal im Westen und Tripolis durchgeset­zt. Haftar blockierte die Anerkennun­g von Skhirat, weil das Aufgehen der östlichen Institutio­nen in der Einheitsre­gie- rung (GNA) einen empfindlic­hen Machtverlu­st für ihn bedeutet hätte. Er wollte zumindest Armeechef bleiben.

Zwei Jahre hätte die Umsetzung von Skhirat dauern sollen, die sind im Dezember 2017 ausgelaufe­n. Deshalb drängt Haftar auf Wahlen: Aber ob sie in der derzeitige­n Situation überhaupt durchführb­ar sind und ob die Wahlbeteil­igung hoch genug wäre, um den Siegern diesmal Legitimitä­t zu verschaffe­n, ist ungewiss. 2014 lag sie nur bei 18 Prozent.

Als möglicher Präsidents­chaftskand­idat brachte sich jüngst auch Gaddafis Sohn Saif al-Islam selbst ins Spiel – und er hat seine Anhänger unter einigen wichtigen 2011 marginalis­ierten Stämmen. Theoretisc­h würde ein Ausfall Haftars Gaddafis Chancen verbessern. Aber abgesehen von rechtliche­n Fragen zu seiner Rolle 2011 – in einer Rede kündigte er „Ströme von Blut“an – wäre sein Leben als Präsident ständig in Gefahr. Der revolution­äre Sektor würde sich nicht mit ihm abfinden.

 ??  ?? Seine Anhänger wollen General Khalifa Haftar zum Präsidente­n Libyens machen: eine Kundgebung in der von Haftar kontrollie­rten östlichen Metropole Bengasi im Dezember 2017.
Seine Anhänger wollen General Khalifa Haftar zum Präsidente­n Libyens machen: eine Kundgebung in der von Haftar kontrollie­rten östlichen Metropole Bengasi im Dezember 2017.

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