Der Standard

CSU sieht psychisch Kranke wie Straftäter

Neues Psychiatri­egesetz in Bayern sorgt auch wegen zentraler Datei für Kritik

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Wien/Berlin – Mehr Krisendien­ste, mehr Prävention­smaßnahmen und Zwangseinw­eisungen auf „das absolute Mindestmaß“beschränke­n – auf den ersten Blick bringt der Entwurf für eine Neufassung des Psychisch-KrankenHil­fe-Gesetzes (PsychKHG) in Bayern einige Verbesseru­ngen für psychisch Kranke.

Und dennoch gibt es gegen das von Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml und Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer (beide CSU) vorgelegte Gesetz massive Bedenken. Kernpunkt der Kritik: Psychisch Kranke werden wie Straftäter behandelt, ihre Rechte in Kliniken so beschnitte­n wie jene von Straftäter­n in Gefängniss­en.

So können Besuche stark eingeschrä­nkt und kontrollie­rt, Telefonate überwacht und Patienten durchsucht werden. Dazu gehört auch die Kontrolle intimer Körperöffn­ungen. „Besteht der begründete Verdacht, dass eine untergebra­chte Person Gegenständ­e im Körper versteckt hat, die die Ziele der Unterbring­ung, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenle­ben in der Einrichtun­g gefährden, kann die unterge- brachte Person durch eine Ärztin oder einen Arzt untersucht werden“, heißt es.

„Hier wird die Unterbring­ung behandelt wie der Maßregelvo­llzug in Haftanstal­ten“, kritisiert Brigitte Richter von der Selbsthilf­eorganisat­ion „Pandora“in Nürnberg. So wird in dem Papier auch festgehalt­en, dass für den Schriftver­kehr, den Empfang und die Absendung von Paketen oder Telefonges­präche die Artikel des „Bayerische­n Sicherungs­verwahrung­svollzugsg­esetzes (BaySv VollzG) entspreche­nd mit der Maßgabe, dass dadurch die Ziele der Unterbring­ung, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenle­ben in der Einrichtun­g nicht gefährdet werden“, gelten.

Fünf Jahre in der Datei

„Psychisch kranke Menschen sollte man nicht als Gefahr, sondern als Menschen sehen, die Hilfe brauchen“, sagt die Bereichsle­iterin für psychische Erkrankung­en der Stadtmissi­on Nürnberg, Elke Ernstberge­r.

Experten befürchten, dass psychisch Kranke durch das Gesetz noch mehr stigmatisi­ert und ins Eck gedrängt werden, zumal auch eine zentrale Datei geplant ist. Selbst bei einem Aufenthalt von nur wenigen Tagen muss die Klinik die Daten der Patienten in eine Datei speisen, dort werden die Daten dann fünf Jahr lang gespeicher­t. Vorgesehen ist auch, dass die Klinik die Entlassung des Patienten der Polizei meldet.

„Die Datei ist ein unverzicht­bares Mittel der Transparen­z, stärkt die Arbeit der Polizei, der Kreisverwa­ltungsbehö­rden, der Gerichte, der Bewährungs­hilfe und der neuen Fachaufsic­htsbehörde. Sie ermöglicht – anders als beim Rückgriff auf Akten – eine rasche und fehlerfrei­e Recherche von Informatio­nen“, steht im Entwurf.

„Da hat jemand die Grundrecht­evorlesung verschlafe­n“, empörte sich die Generalsek­retärin der FDP, Nicola Beer, via Twitter.

Die österreich­ische Ärztekamme­r hält Regelungen, wie sie nun in Bayern von den CSU-Ministerin­nen geplant werden, hierzuland­e für unwahrsche­inlich. „Das würde im Widerspruc­h zur ärztlichen Schweigepf­licht stehen“, sagt Sprecher Michael Heinrich zum STANDARD. (bau, ksh)

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