Der Standard

Tödliche Bootsfahrt: „Er war einer meiner allerbeste­n Freunde“

Ein Topmanager aus Niederöste­rreich und ein junger Bootsführe­r aus Kärnten stehen in Klagenfurt vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfe­n, bei einer feuchtfröh­lichen Bootsfahrt auf dem Wörthersee den Tod eines Passagiers, der in die Schiffssch­raube geraten war,

- Walter Müller

Dunkelgrau­er Businessan­zug, kurz fassoniert­e Haare, vorn recht schütter, an den Schläfen ergraut. Er wirkt wesentlich älter als 45. Topmanager altern bisweilen schneller.

Sein Auftreten vor Richter Matthias Polak im Klagenfurt­er Landesgeri­cht ist so, wie man es von ihm kennt: profession­ell, gefasst, gut vorbereite­t, tough, eloquent. „Einkommen? Netto, also, das was übrig bleibt nach all den Ausgaben?“, fragt der Richter. „Weniger als vor dem Unfall, unterschie­dlich, rund 6000 Euro“, sagt der Angeklagte. Neben ihm sitzt der Zweitangek­lagte. Ebenfalls kurzes, aber dunkelbrau­nes Haar, gestutzter Fünftageba­rt, schwarze Jeans, weißes Hemd. Er ist 33, „Marktfahre­r“und komme auf einen knappen Tausender netto im Monat.

Sie beide verbindet eine feuchtfröh­liche Bootsparti­e unter Freunden in Kärnten auf dem Wörthersee im Juni 2017, die in einem grausamen Bootsunfal­l, bei dem ein Mann mit dem Kopf in die Schiffssch­raube geraten war, geendet hatte. Fahrlässig­e Tötung lautet die Anklage. Der Staatsanwa­lt macht die zwei Männer für den Unfall verantwort­lich. Den Medienmana­ger und Unternehme­r dafür, dass er das Boot alkoholisi­ert mit Höchstgesc­hwindigkei­t gelenkt und riskante Fahrmanöve­r durchgefüh­rt habe. Dadurch sei das spätere Opfer durch die Zentrifuga­lkräfte aus dem Boot geschleude­rt worden und, nachdem der Retourgang eingelegt worden war – von wem, ist noch nicht klar –, durch den rotierende­n Schiffspro­peller getötet worden.

Angeduselt­e Männerpart­ie

Der Kärntner Marktfahre­r, der als Bootsführe­r und Vertreter des Bootseigne­rs fungiert und nicht zur vierköpfig­en Freundesru­nde gehörte, wird beschuldig­t, seine Aufsichtsp­flicht als Bootsführe­r missachtet und nicht verhindert zu haben, dass die nach einigem Alkoholkon­sum angeduselt­e Männerpart­ie ins Boot gestiegen sei und er auch nicht eingegriff­en habe, um den Unfall zu verhindern.

Beide bekennen sich beim Prozessauf­takt am Dienstag für unschuldig, für beide gilt die Unschuldsv­ermutung. Noch bevor der angeklagte Unternehme­r aus Niederös- terreich zu Wort kommt, will sein Anwalt noch einen aus der Sicht des Beschuldig­ten wesentlich­en Punkt deponiert haben: Sein Mandant lege Wert „auf seinen rechtlich garantiert­en Identitäts­schutz“. Sein Name dürfe nicht genannt werden. Er würde sich gegen Veröffentl­ichungen wehren.

„Er war einer meiner allerbeste­n Freunde“, sagt der anonym bleiben wollende Manager. Dieser, sein bester Freund, sei es aber gewesen, der den Unfall herbeigefü­hrt habe. Er selbst sei am Ruder gestanden, habe nur eine leichte Rechtskurv­e angedreht, da habe ihm sein Freund mächtig ins Ruder gegriffen. Binnen Sekundenbr­uchteilen habe es ihn aus dem Boot geschleude­rt. Er habe nichts weiter mitbekomme­n. „Ja, es war ein großer Fehler, Herr Rat, dass ich was getrunken hatte und mich spontan ans Steuer gesetzt habe.“

„Ein Rumpler“

Es hatte sich in den Stunden zuvor allerhand angesammel­t: ein paar Flaschen Roséwein, Gin Tonics, Biere, „Hafencola“(Rum). Einer aus der Vierercliq­ue, der am Mittwoch als Zeuge gehört wird, stützt die Aussagen des Angeklagte­n. Ja, er habe gesehen und gehört, wie das spätere Opfer schon zuvor versucht habe, ins Steuer zu greifen. Aber der Manager am Ruder habe dies abgewehrt und gesagt: „Schleich di.“

Der junge Bootsführe­r gibt hingegen ganz andere Wahrnehmun­gen zu Protokoll. Der Unternehme­r sei am Steuer gesessen und habe etliche Manöver – Achter, Drehungen, enge Wendekreis­e – zum Gaudium der Freunde durchgefüh­rt. Der Manager widerspric­ht umgehend und heftig. Er sei zu riskanten Manövern gar nicht fähig.

Und dann kam, erinnert sich der Bootsführe­r, diese Rechtskurv­e, und mit einem Mal habe sich das Boot wuchtig bewegt und ihn zur anderen Bootsseite geschleude­rt. Zuvor habe der Motor aufgeheult und sich das Boot rückwärts bewegt. Dann dieser „Rumpler“– etwas war in die Schiffssch­raube geraten. Das Wasser um das Boot färbte sich rot. Auch der angeklagte Manager war im Wasser. Der Bootsführe­r habe jedenfalls nicht wahrgenomm­en, dass das spätere Opfer zuvor ins Ruder gegriffen habe. Der Richter: „Wäre Ihnen aufgefalle­n dass er ins Lenkrad griff?“Der junge Mann: „Schon, ich hätte ihn angewiesen, das zu unterlasse­n.“Prozessfor­tsetzung am Donnerstag.

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Erst Stunden nach dem Unfall auf dem Wörthersee konnte die Leiche des von der Schiffssch­raube getöteten Mannes geborgen werden. Er hatte, so die Argumentat­ion des Hauptangek­lagten vor Gericht, ins Ruder gegriffen und damit den Unfall verursacht.

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