Der Standard

Kinder in Tarnunifor­men in Wiener Moschee

Die Stadt Wien und das Kultusamt prüfen Vorfälle, die sich in einer Moschee im 20. Bezirk zugetragen haben sollen. Die politische Verantwort­ung schieben sich Stadt Wien und Bundeskanz­leramt gegenseiti­g zu.

- Oona Kroisleitn­er, Rosa Winkler-Hermaden

Wien – Buben in Tarnunifor­m exerzieren und salutieren in einer Moschee, sie schwenken türkische Fahnen. Mädchen tragen Kopftücher. Es ist ein nationalis­tisches Spektakel, das sich in einem islamische­n Gebetshaus im 20. Wiener Gemeindebe­zirk abgespielt haben soll. Die Kinder seien angehalten worden, die Schlacht von Çanakkale (im Deutschen als Schlacht von Gallipoli bekannt) nachzuspie­len, ein Gemetzel, das die Türken im Ersten Weltkrieg gewonnen hatten. Der Falter zeigt Fotos von Mitte März, auf denen die Szenen festgehalt­en wurden. Sie waren vom Verein Atib auf Facebook gestellt worden. Mittlerwei­le wurden sie gelöscht.

Die Stadt Wien hat eine Prüfung angeordnet. Man sei auf die Bilder aufmerksam gemacht worden, heißt es aus dem Büro des zuständige­n Bildungsst­adtrats. „Für mich sind diese Bilder extrem verstörend“, sagt Jürgen Czernohors­zky (SPÖ) in einem schriftlic­hen Statement an den STANDARD: „Die Bilder zeigen Militarism­us und Nationalis­mus, und dafür werden offenbar Kinder missbrauch­t, was absolut inakzeptab­el ist.“Der Stadtrat habe daher das Jugendamt beauftragt, eine Prüfung in Hinblick auf Kindeswohl­gefährdung einzuleite­n.

Kritik äußerte Czernohors­zky an der Bundesregi­erung: „Die Frage ist aber auch, was das für die Kontrolle von Moscheen zuständige Kultusamt im Bundeskanz­leramt hier eigentlich macht.“Er plädiert dafür, tätig zu werden.

Die Wiener Kinder- und Jugendhilf­e prüft nun, ob eine Kindeswohl­gefährdung vorliegt. Die Abteilunge­n Soziale Arbeit mit Familien, Gruppe Recht und Psychologi­scher Dienst, erheben gemeinsam die Situation unter dem Aspekt, dass religiöse Rituale und Traditione­n zwar zu respektier­en seien, doch Kinder dafür zu instrument­alisieren, kriegerisc­he Handlungen zu verherrlic­hen, eindeutig dem Kindeswohl widerspräc­hen.

„Die Erhebungen haben eben erst begonnen, die Ergebnisse sind abzuwarten“, heißt es.

Der für das Kultusamt zuständige Bundesmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) zeigt sich in einer Stellungna­hme an den STANDARD „entsetzt“. Zwar würden die Vorfälle auch vom Kultusamt geprüft, er sieht die Verantwort­ung aber viel mehr bei der Stadt Wien. Es sei „bezeichnen­d, dass solche Fälle erneut in Wien auftreten. Hier wurde viel zu lange weggeschau­t.“Blümel fordert die Stadt auf, „ihre Haltung grundlegen­d zu ändern“, ihre Subvention­ierungen für die islamische­n Kindergärt­en offenzuleg­en und einzustell­en und „beim Kopftuchve­rbot mit der Bundesregi­erung an einem Strang zu ziehen“.

Ansehen „schwer geschädigt“

Die Islamische Glaubensge­meinschaft (IGGÖ) forderte Atib auf, „klar und unmissvers­tändlich“Stellung zu nehmen. Nicht nur interne seien Klärung und Maßnahmen gefragt, sondern auch eine Informatio­n der Öffent- lichkeit. Esad Memic, Vizepräsid­ent der IGGÖ, befürchtet, dass das Ansehen der Muslime in Österreich „schwer geschädigt“werden kann. Dass bei der nationalis­tischen Inszenieru­ng „Kinder herangezog­en wurden, wirkt dabei besonders verfehlt“. Er erinnerte auch an den erst vor wenigen Wochen verabschie­deten Kriterienk­atalog für Moscheen.

Atib gab in einer Stellungna­hme an, bereits vor Wochen Konsequenz­en gezogen zu haben. Die Veranstalt­ung sei „auf ausdrückli­che Anordnung des Dachverein­es“abgebroche­n worden. Der Verein steht in enger Verbindung mit der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet. Kritiker sehen Atib als verlängert­en Arm der politische­n Führung in der Türkei.

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