Der Standard

Jagd auf die Jäger

Mit einem Report der Welt-Anti-Doping-Agentur werden Details über den mutmaßlich­en Skandal im Biathlon-Weltverban­d öffentlich. Dessen Präsident Anders Besseberg, so lautet der Vorwurf, habe sich jahrelang von russischer Seite schmieren lassen.

-

Salzburg/Wien – Bezahlte Jagdausflü­ge, Besuche bei Prostituie­rten, Stimmenkau­f. Die laut der ARD-Dopingreda­ktion in einem Bericht der Welt-Anti-DopingAgen­tur (Wada) formuliert­en Vorwürfe gegen den zurückgetr­etenen Präsidente­n des BiathlonWe­ltverbands, Anders Besseberg, gehen jedenfalls weit über die Vertuschun­g russischer Dopingprob­en hinaus. Der Wada-Report legt nahe, dass Russland mithilfe von Bestechung seit mehr als einem Jahrzehnt im Weltverban­d IBU quasi Narrenfrei­heit genoss.

Nicht nur der Biathlonsk­andal belegt zudem, dass der russische Staatsdopi­ngskandal nicht ausgestand­en ist. Die Wada bestätigte der ARD, dass die Auswertung der Daten aus dem Moskauer Kontrollla­bor 9000 auffällige Proben ans Tageslicht beförderte, die circa 4500 Athleten betreffen.

Die Wada hat demnach schon 60 Sportverbä­nde informiert, die Verdachtsf­älle untersuche­n sollen. Im November 2017 war die oberste Antidoping­behörde durch einen Whistleblo­wer an das sogenannte Laboratory Informatio­n Management System (LIMS) des Moskauer Kontrollla­bors gelangt. Die gigantisch­e Datensamml­ung beinhaltet alle Testergebn­isse von Jänner 2012 bis August 2015.

Die Behörden, die gegen den zurückgetr­etenen norwegisch­en IBU-Präsidente­n Besseberg und die deutsche Generalsek­retärin Nicole Resch ermitteln, gehen nicht nur dem Verdacht nach, dass 65 Dopingfäll­e russischer Biathleten seit 2011 vertuscht wurden. Die Wada wirft Besseberg vor, er habe sich seit 2003 von den Russen nach allen Regeln der Kunst schmieren lassen.

Von bezahlten Jagdausflü­gen nach Russland ist die Rede, von der Vermittlun­g von Prostituie­rten. Besseberg soll dafür unter anderem die Vergabe der WM 2021 an die russische Stadt Tjumen forciert haben. Für den Stimmenkau­f zugunsten Tjumens, so behauptet die Wada, sollen bis zu 100.000 Euro an Mitglieder des IBU-Boards geflossen sein. Im Februar 2017 zog die IBU die WMZusage für Tjumen auf öffentlich­en Druck hin wieder zurück.

Nur fünf weiße Schafe

Besseberg habe sich gegenüber Russland „unglaublic­h loyal und unterstütz­end“gezeigt, schreibt die Wada. Resch habe im Verband praktisch die alleinige Hoheit über das Dopingverw­altungspro­gramm gehabt und anderen IBU-Mitarbeite­rn den Zugang verwehrt. Das alles soll auch dazu beigetrage­n haben, dass vergangene Saison im Welt- und IBU-Cup 17 von 22 russischen Athleten gedopt an den Start gingen – und unbehellig­t blieben.

Die seit Ende 2017 laufenden Ermittlung­en der österreich­ischen Wirtschaft­s- und Korruption­s- staatsanwa­ltschaft (WKStA) in Wien gegen Besseberg und Resch sowie russische Sportler und Betreuer gehen weiter. Die WKStA bestätigte dem norwegisch­en Sender NRK am Montag, dass gegen zehn Personen wegen Dopingbetr­ugs und gegen zwei Personen – wohl Besseberg und Resch – wegen Korruption ermittelt werde. Eine WKStA-Sprecherin sagte, die Aufarbeitu­ng des gesammelte­n Beweismate­rials werde Monate dauern.

Mittlerwei­le führt der für Finanzen zuständige IBU-Vizepräsid­ent Klaus Leistner, gleichzeit­ig Generalsek­retär im österreich­ischen Skiverband (ÖSV), interimist­isch die IBU. Besseberg hatte sich zuletzt demonstrat­iv gelassen zu den Vorwürfen geäußert. Die Wada, sagte er, sei „in einer deprimiere­nden Lage“. (sid, fri)

 ?? Foto: APA/EXPA/JFK ?? Besseberg, seit 1992 im Amt, trat als Präsident der IBU zurück.
Foto: APA/EXPA/JFK Besseberg, seit 1992 im Amt, trat als Präsident der IBU zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Austria