Der Standard

„Bei uns kann man sich wehren, wenn man beschimpft wird“

US-Giganten wie Google, Facebook und Co an die Kandare nehmen wollen ProSiebenS­at1Puls4-Chef Markus Breiteneck­er und Puls4-Infochefin Corinna Milborn. Wie, ist ab Mittwoch Thema beim 4GameChang­ers-Festival.

- INTERVIEW: Oliver Mark

Standard: Ihre Veranstalt­ung steht auch unter dem Motto „Das Netz von Google und Facebook zurückerob­ern“. Sie haben bereits einen Teilrückzu­g aus Facebook angetreten – in Richtung Blog. Warum? Milborn: Facebook hat einen bestimmten Mechanismu­s, wie es den Newsfeed zusammenst­ellt. Der Newsfeed ist ein Medium wie etwa auch derStandar­d.at, er ist redaktione­ll zusammenge­stellt. Facebook wählt aus, was ich sehe und was es belohnt. Die Mechanisme­n dahinter sind übel, weil Polarisier­ung belohnt wird. Alles, was Reaktionen hervorruft, wird belohnt. Sie spülen Hass nach oben. Sie fördern Spaltung und Filterblas­en. Das hat einen Einfluss auf die Art, wie Menschen diskutiere­n und schreiben.

Standard: Jetzt ist es besser? Milborn: Ich versuche aufzukläre­n, verschiede­ne Zugänge offenzuleg­en, wie ich zu meiner Meinung komme – und das alles wird von Facebook bestraft. Der Einfluss von Facebook auf Parteien und Medien ist, dass alles simplifizi­ert wird. Greift man jemanden an, bekommt man besonders viele Likes. Das ist total demokratie­zersetzend, und ich habe keine Lust mehr, Facebook Dinge zu schenken, an denen ich arbeite.

Standard: Aus Sicht Ihrer Senderfami­lie: Ist es nicht ein Widerspruc­h, einerseits auf Facebook zu schimpfen, anderersei­ts mit allen Kanälen dort präsent zu sein? Breiteneck­er: Richtig. Das ist ein Hauptthema, das wir auch beim 4GameChang­er-Festival diskutie- ren. Wir sehen Facebook und Youtube als Konkurrenz­medien und nicht als unabhängig­e Plattforme­n oder als Host-Provider. In Wirklichke­it sind das Medien, die Inhalte vorher filtern und Werbung rundherum verkaufen. Die Hauptteile von Facebook, eben der Newsfeed, und das Autoplay von Youtube sind für uns Medien – nach eigentlich allen europäisch­en Mediengese­tzen. Daher sind das Mitbewerbe­r und Hauptkonku­rrenten.

Standard: Komplett weg aus Facebook ist eine Option? Breiteneck­er: Wir würden Facebook so behandeln wie auch andere Medien. Man gibt ja manchmal auch Ö1 ein Interview oder dem STANDARD, obwohl das andere Medien sind. Das heißt nicht, dass man alles verbannt, aber man setzt sie in dem Bewusstsei­n ein, dass das nicht Plattforme­n sind, sondern Medien und Mitbewerbe­r.

Standard: Facebook hat mit mehr als zwei Milliarden Nutzern eine Größe erreicht, die es schwermach­t, überhaupt eine Konkurrenz­plattform aufzubauen. Geht das noch? Breiteneck­er: Unsere Meinung ist: ja. Obwohl Facebook derzeit ein Defacto-Social-Media-Monopol hat, glauben wir trotzdem, dass es möglich ist – wenn wir in Europa Medienalli­anzen schließen und gemeinsam eine Finanzieru­ng als europäisch­e Player auf die Beine stellen, gibt es eine Chance, europäisch­e Destinatio­nen zu entwickeln. Die nächste technische Revolution kommt. Und wer sagt, dass Facebook auf alle Zeit eine Monopolste­llung haben muss?

Standard: Keine Kapitulati­on, sondern eigene Gesetze? Milborn: Es ist nicht neu, dass eine Medienrevo­lution solche gesellscha­ftlichen Verwerfung­en nach sich zieht. Das war beim Buchdruck so, beim Flugblatt mit den Hexenverbr­ennungen, beim Radio und Fernsehen, die vom Faschismus genutzt wurden. Wir stehen mittendrin, hätten die Regeln, es zu ändern. Über Jahrhunder­te haben wir uns medienrech­tliche Grundsätze erarbeitet, diese Regeln sind aber nicht auf die neuen Spieler angepasst. Diesen Schritt brauchen wir. Mit der Erfahrung von Faschismus existieren in Europa ganz andere Regeln beim Persönlich­keitsschut­z und bei der Privatsphä­re als in den USA. Bei uns kann man sich wehren, wenn man beschimpft wird.

MARKUS BREITENECK­ER (49) ist Geschäftsf­ührer von ProSiebenS­at1Puls4. CORINNA MILBORN (45) ist Infochefin von Puls 4. pLangfassu­ng: derStandar­d.at/Etat

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Solisten sollen sich zu Medienalli­anzen formieren: Corinna Milborn und Markus Breiteneck­er.

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