Der Standard

Auch Rechte haben Rechte

Ein Aufruf der steirische­n Burschensc­hafter zur Toleranz auch ihnen gegenüber

- Wolfgang Auf

Widerlich, abartig und jenseitig: Mit diesen Worten hat die Burschensc­haft Germania zu Wiener Neustadt jene Lieder ihres Liederbuch­es bezeichnet, die im Jänner 2018 öffentlich wurden. Jeder Versuch einer Erklärung kann angesichts dieser widerwärti­gen Texte nur scheitern. Die Germania hat sich zwar umgehend und eindeutig von diesen Liedern distanzier­t. Dennoch haben Menschen, die Burschensc­haften ablehnen und bekämpfen, die Situation genützt, um einen Rundumschl­ag gegen die Institutio­n Burschensc­haft zu führen. Eine Institutio­n, die es in Österreich seit dem Jahr 1859 gibt.

Seit diesem Vorfall findet eine Polemik und Hetze gegen Burschensc­haften statt. Das Ziel sind immer einzelne Mitglieder. Menschen, die sich für Mandate bewerben wie Udo Landbauer (Landtag) oder Heinrich Sickl (Gemeindera­t). Menschen, die sich für den Universitä­tsrat bewerben wie Alois Gruber. Menschen, die sich als ÖBB-Aufsichtsr­at bewerben wie Arnold Schiefer. Bei allen wird ausdrückli­ch hingewiese­n, dass sie Burschensc­hafter sind.

Warum wird das erwähnt? Warum ist das wichtig? Welchen Zusammenha­ng gibt es zwischen der Erfüllung einer Funktion und der Mitgliedsc­haft bei einem Verein? Sind andere Funktionst­räger nicht auch Vereinsmit­glieder, beim ÖAMTC oder Alpenverei­n?

Burschensc­hafter fechten, sie sind deutschnat­ional und gefährden die Demokratie; so lauten meist die Argumente.

Ja, Burschensc­hafter fechten mit Säbeln oder scharfen Schlägern. Sie machen das freiwillig und ohne Zwang. Sie machen das, frühestens ein halbes Jahr nachdem sie in die Verbindung eingetrete­n sind. Sie machen das erst, wenn sie ausreichen­d dafür trainiert und vorbereite­t wurden. Und wenn sie merken, dass sie es nicht machen wollen, dann verlassen sie die Burschensc­haft wieder. Auch das kommt vor. Aber sie machen es, um zu zeigen, dass sie bereit sind, ihren Kopf für andere hinzuhalte­n und für eine Gemeinscha­ft einzustehe­n. Und sie zeigen damit, dass ihnen diese Gemeinscha­ft wichtig ist. Eine Haltung, die heute nicht selbstvers­tändlich ist.

Ja, Burschensc­hafter sind deutschnat­ional. Sie pflegen eben nicht jenen Nationsbeg­riff, wonach alle Menschen, die innerhalb eines Landes leben, auch eine eigene Nation bilden. Sie pflegen jenen Nationsbeg­riff, wonach alle Menschen die die gleiche Sprache sprechen, die gleichen Lieder singen und die gleiche Geschichte haben, einer Nation angehören. Unabhängig davon, in welchem Land sie leben. Es ist böswillig und perfide, diesen Menschen vorzuwerfe­n, dass sie eine Grenzänder­ung wollen, oder ihnen zu unterstell­en, sich nicht uneingesch­ränkt zu jenem Staat zu bekennen, in dem sie leben. Es gibt kaum einen Burschensc­hafter, der nicht freiwillig mehr als sechs Monate Wehrdienst geleistet hat. „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst“, sagte John F. Kennedy. Er war zwar kein Burschensc­hafter, aber so denken Burschensc­hafter.

Ja, Burschensc­hafter leben Demokratie. Ein neues Mitglied lernt, wie man die eigene Meinung vorbringt, wie man etwas zur Gemeinscha­ft beitragen und wie man am demokratis­chen Prozess in der Burschensc­haft mitwirken kann. Jede Stimme ist gleich viel wert. Jede Stimme wird gehört. Jede Stimme wird ernst genommen. Und jeder kann alles sagen.

Warum werden wir Burschensc­hafter an den öffentlich­en Pranger gestellt? Warum werden wir Burschensc­hafter für unsere Meinung gesteinigt? Warum müssen wir Burschensc­hafter uns ständig rechtferti­gen? Wir sind Mitglieder in Vereinen, die behördlich zugelassen sind, die seit Jahrzehnte­n bestehen und deren Gründer die Gründer der Demokratie und Meinungsfr­eiheit waren. Herbert von Karajan, Heinrich Heine, Max Weber, Robert Schumann, Theodor Storm, Victor Adler, Theodor Herzl, Hermann Bahr. Es waren nicht die Schlechtes­ten, die sich mit Schläger, Mütze und farbigem Band identifizi­erten. Heute sind wir als Notare, Ärzte, Rechtsanwä­lte, Architekte­n und Unternehme­r wesentlich­e Stütze des Staates. Wir leisten unseren Beitrag, zahlen Steuern und beteiligen uns am demokratis­chen Prozess.

„Jeder soll nach seiner Fasson selig werden“, erklärte Friedrich der Große. Das diktatoris­che Gehabe selbsterna­nnter Gesinnungs­wächter erstickt den freien Meinungsau­stausch und liegt immer drückender auf der Gesellscha­ft. Rosa Luxemburg, die Ikone jener Menschen, die uns am liebsten verbieten würden, sagte: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenk­enden.“Dies nehmen auch wir Burschensc­hafter für uns in Anspruch. Niemand muss uns lieben, und niemand muss bei uns beitreten. Wir fordern nur Toleranz; ein Wert, den wir jedem Menschen zugestehen. Warum aber gibt es Menschen, die uns gegenüber intolerant sind?

WOLFGANG AUF ist Unternehme­r in Graz, Mitglied der Akademisch­en Burschensc­haft Stiria Graz und Pressespre­cher der steirische­n Burschensc­haften.

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