Bowie-Musical im Volkstheater
Miloš Lolić inszeniert das Musical „Lazarus“von David Bowie am Volkstheater. Trotz Bammels hat er zugesagt. Er begreift die Arbeit auch als Hommage an den Popkünstler.
„ Die Vielseitigkeit von David Bowies Musik ist beeindruckend. ‚Low‘ ist eines meiner absoluten Lieblingsalben. “
Standard: Wenn Ihnen jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, dass Sie einmal in Wien ein Musical inszenieren würden, wie hätten Sie reagiert? Lolić: Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich überhaupt einmal in Wien inszenieren werde, hätte ich es nicht geglaubt. Deswegen ist die Tatsache, dass ich Lazarus mache, für mich eine doppelte Überraschung.
Standard: Haben Sie gleich zugesagt? Lolić: Ich habe länger überlegt. Meine erste Reaktion war: Nein. Zum ersten Mal ein Musical zu inszenieren und dann gleich so eine große Sache wie dieses David-BowieDing ... Da hatte ich schon Bammel. Aber dann habe ich gesagt: Mach es. Lazarus erinnert von der Grundkonzeption her an typische Jukebox-Musicals à la Mamma Mia, aber: Es geht da um großartige Musik von David Bowie! Sein Tod ist ja noch nicht lange her, und dieses Stück ist auch irgendwie eine Hommage an ihn, an einen einzigartigen, vielseitigen Künstler.
Standard: Die Geschichte von „Lazarus“ist eine Art Epilog zum Film „The Man Who Fell to Earth“, in dem Bowie den Alien Newton verkörpert, der auf der Erde strandet. Muss man den Film kennen, wenn man sich das Musical anschaut? Lolić: Nein. Denn in dem Musical geht es ja letzten Endes nicht um ein Alien, es geht um einen Menschen, der sich allein und verzweifelt fühlt, mit seinen Dämonen kämpft und der sich in der Welt, die ihn umgibt, nicht mehr zu Hause fühlt. Und dieses Gefühl kennen wir doch auch! Viele von uns fühlen sich immer weniger zu Hause in dieser Welt von Trump und dem europäischen Rechtsruck. Ich rede da nicht nur von Ungarn und Polen, sondern auch von Österreich.
Standard: Sind Sie eigentlich ein musicalaffiner Mensch? Man liest in Interviews mit Ihnen, dass Sie zuallererst gern auf Clubbings gehen. Lolić: Ich bin mit Musicals aufgewachsen. Meine Mutter ist Schauspielerin, und an dem Theater, an dem sie gearbeitet hat, wurden auch Musicals gezeigt. Ich habe mir alle Möglichen angeschaut, schlimme wie Phantom of the Opera und tolle wie Little Shop of Horrors oder Cabaret.
Standard: Und die Musik von David Bowie, haben Sie die auch gehört? Lolić: Das habe ich, und das war auch der Hauptgrund dafür, diese Regiearbeit anzunehmen. Ich habe als Kind auf den Kassetten meiner Eltern Let’s Dance gehört, als Jugendlicher habe ich Mitte der 1990er-Jahre sein Album Outside geliebt, mit ziemlich experimenteller Musik. Das Album ist ein Juwel! Noch später habe ich dann Low entdeckt, eines meiner absoluten Lieblingsalben aus seiner Zeit in Berlin. Die Vielseitigkeit seiner Musik ist beeindruckend, und er hatte immer eine starke politische Agenda.
Standard: Nach welchen Kriterien haben Sie die Schauspieler ausgesucht, etwa Günter Franzmeier als Newton? Lolić: Im Gegensatz zu den Produktionen in New York und London (mit Michael C. Hall als Newton, Anm.) habe ich mich entschieden, für diese Rolle einen älteren Schauspieler zu besetzen, dem man seine Lebenserfahrung auch ansieht. Günter Franzmeier kenne ich schon seit fünf, sechs Jahren, und ich finde, die Rolle passt – zumindest auf den zweiten Blick – hervorragend zu ihm. Grundsätzlich habe ich versucht, in der Besetzung einen Mix aus Schauspielerinnen und Schauspielern, die ich schon länger kenne, und jungen, frischen Kollegen zu finden.
Standard: Können Sie schon etwas über Ihre Inszenierung verraten? Lolić: Wir haben ja eine wunderbare Band, und es ist schon einiges los auf der Bühne! Meine früheren Arbeiten waren oft minimalistisch angelegt, diesmal bin ich den entgegengesetzten Weg gegangen. Wenn man ein Musical inszeniert, muss es ab und zu spektakulär sein. Aber in einem Bowie-Musical muss es auch wieder punkig sein und avantgardistisch, räudig und provokant.
Standard: Sie inszenieren bereits zum vierten Mal am Volkstheater. Gibt es einen speziellen Volkstheater-Geist? Lolić: Es gibt eine spezielle Art des Zusammenhalts. Ich finde ja, dass Wien die Hauptstadt des Balkans ist. Und das Volkstheater ist ein balkanhaft abgenutzter, bröckelnder Ort, in manchen Ecken riecht es etwas seltsam … Aber das Haus hat trotzdem seinen eigenen Stolz. In der Kantine arbeiten Menschen aus Kroatien, Serbien und Bosnien: Auf der Landkarte gibt es Jugoslawien nicht mehr, aber in der Kantine des Volkstheaters existiert es noch – und man arbeitet gut zusammen!
Standard: Sie haben in Ihrer Jugend in Belgrad den Krieg erlebt. Ist Ihnen dadurch die Fragilität des Friedens bewusster? Haben Sie manchmal Angst, dass so etwas hier in Europa wieder passieren könnte? Lolić: Ich glaube, dass mich die Erlebnisse möglicherweise dafür sensibilisiert haben, das Gefahrenpotenzial politischer Spannungen schneller zu erfassen – ich denke etwa an die aktuelle Katalonien-Krise in Spanien. Und ja: Eine gewisse Paranoia, dass so etwas wieder einmal kommen wird, bleibt. Oje, mit diesen Worten endet das Interview genau so düster wie das Musical …
MILOŠ LOLIĆ (38) studierte in Belgrad Theaterund Rundfunkregie. Er wurde 2012 mit dem NestroyPreis als bester Nachwuchsregisseur für die Inszenierung von Wolfgang Bauers „Magic Afternoon“am Volkstheater ausgezeichnet. Lolić lebt in Hotels, auf Flughäfen und Probebühnen, Berlin ist zurzeit sein emotionaler Lebensmittelpunkt.
Österreichische Erstaufführung am 9. Mai, 19.30 Uhr