Der Standard

Bowie-Musical im Volkstheat­er

Miloš Lolić inszeniert das Musical „Lazarus“von David Bowie am Volkstheat­er. Trotz Bammels hat er zugesagt. Er begreift die Arbeit auch als Hommage an den Popkünstle­r.

- INTERVIEW: Stefan Ender

„ Die Vielseitig­keit von David Bowies Musik ist beeindruck­end. ‚Low‘ ist eines meiner absoluten Lieblingsa­lben. “

Standard: Wenn Ihnen jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, dass Sie einmal in Wien ein Musical inszeniere­n würden, wie hätten Sie reagiert? Lolić: Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich überhaupt einmal in Wien inszeniere­n werde, hätte ich es nicht geglaubt. Deswegen ist die Tatsache, dass ich Lazarus mache, für mich eine doppelte Überraschu­ng.

Standard: Haben Sie gleich zugesagt? Lolić: Ich habe länger überlegt. Meine erste Reaktion war: Nein. Zum ersten Mal ein Musical zu inszeniere­n und dann gleich so eine große Sache wie dieses David-BowieDing ... Da hatte ich schon Bammel. Aber dann habe ich gesagt: Mach es. Lazarus erinnert von der Grundkonze­ption her an typische Jukebox-Musicals à la Mamma Mia, aber: Es geht da um großartige Musik von David Bowie! Sein Tod ist ja noch nicht lange her, und dieses Stück ist auch irgendwie eine Hommage an ihn, an einen einzigarti­gen, vielseitig­en Künstler.

Standard: Die Geschichte von „Lazarus“ist eine Art Epilog zum Film „The Man Who Fell to Earth“, in dem Bowie den Alien Newton verkörpert, der auf der Erde strandet. Muss man den Film kennen, wenn man sich das Musical anschaut? Lolić: Nein. Denn in dem Musical geht es ja letzten Endes nicht um ein Alien, es geht um einen Menschen, der sich allein und verzweifel­t fühlt, mit seinen Dämonen kämpft und der sich in der Welt, die ihn umgibt, nicht mehr zu Hause fühlt. Und dieses Gefühl kennen wir doch auch! Viele von uns fühlen sich immer weniger zu Hause in dieser Welt von Trump und dem europäisch­en Rechtsruck. Ich rede da nicht nur von Ungarn und Polen, sondern auch von Österreich.

Standard: Sind Sie eigentlich ein musicalaff­iner Mensch? Man liest in Interviews mit Ihnen, dass Sie zuallerers­t gern auf Clubbings gehen. Lolić: Ich bin mit Musicals aufgewachs­en. Meine Mutter ist Schauspiel­erin, und an dem Theater, an dem sie gearbeitet hat, wurden auch Musicals gezeigt. Ich habe mir alle Möglichen angeschaut, schlimme wie Phantom of the Opera und tolle wie Little Shop of Horrors oder Cabaret.

Standard: Und die Musik von David Bowie, haben Sie die auch gehört? Lolić: Das habe ich, und das war auch der Hauptgrund dafür, diese Regiearbei­t anzunehmen. Ich habe als Kind auf den Kassetten meiner Eltern Let’s Dance gehört, als Jugendlich­er habe ich Mitte der 1990er-Jahre sein Album Outside geliebt, mit ziemlich experiment­eller Musik. Das Album ist ein Juwel! Noch später habe ich dann Low entdeckt, eines meiner absoluten Lieblingsa­lben aus seiner Zeit in Berlin. Die Vielseitig­keit seiner Musik ist beeindruck­end, und er hatte immer eine starke politische Agenda.

Standard: Nach welchen Kriterien haben Sie die Schauspiel­er ausgesucht, etwa Günter Franzmeier als Newton? Lolić: Im Gegensatz zu den Produktion­en in New York und London (mit Michael C. Hall als Newton, Anm.) habe ich mich entschiede­n, für diese Rolle einen älteren Schauspiel­er zu besetzen, dem man seine Lebenserfa­hrung auch ansieht. Günter Franzmeier kenne ich schon seit fünf, sechs Jahren, und ich finde, die Rolle passt – zumindest auf den zweiten Blick – hervorrage­nd zu ihm. Grundsätzl­ich habe ich versucht, in der Besetzung einen Mix aus Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern, die ich schon länger kenne, und jungen, frischen Kollegen zu finden.

Standard: Können Sie schon etwas über Ihre Inszenieru­ng verraten? Lolić: Wir haben ja eine wunderbare Band, und es ist schon einiges los auf der Bühne! Meine früheren Arbeiten waren oft minimalist­isch angelegt, diesmal bin ich den entgegenge­setzten Weg gegangen. Wenn man ein Musical inszeniert, muss es ab und zu spektakulä­r sein. Aber in einem Bowie-Musical muss es auch wieder punkig sein und avantgardi­stisch, räudig und provokant.

Standard: Sie inszeniere­n bereits zum vierten Mal am Volkstheat­er. Gibt es einen speziellen Volkstheat­er-Geist? Lolić: Es gibt eine spezielle Art des Zusammenha­lts. Ich finde ja, dass Wien die Hauptstadt des Balkans ist. Und das Volkstheat­er ist ein balkanhaft abgenutzte­r, bröckelnde­r Ort, in manchen Ecken riecht es etwas seltsam … Aber das Haus hat trotzdem seinen eigenen Stolz. In der Kantine arbeiten Menschen aus Kroatien, Serbien und Bosnien: Auf der Landkarte gibt es Jugoslawie­n nicht mehr, aber in der Kantine des Volkstheat­ers existiert es noch – und man arbeitet gut zusammen!

Standard: Sie haben in Ihrer Jugend in Belgrad den Krieg erlebt. Ist Ihnen dadurch die Fragilität des Friedens bewusster? Haben Sie manchmal Angst, dass so etwas hier in Europa wieder passieren könnte? Lolić: Ich glaube, dass mich die Erlebnisse möglicherw­eise dafür sensibilis­iert haben, das Gefahrenpo­tenzial politische­r Spannungen schneller zu erfassen – ich denke etwa an die aktuelle Katalonien-Krise in Spanien. Und ja: Eine gewisse Paranoia, dass so etwas wieder einmal kommen wird, bleibt. Oje, mit diesen Worten endet das Interview genau so düster wie das Musical …

MILOŠ LOLIĆ (38) studierte in Belgrad Theaterund Rundfunkre­gie. Er wurde 2012 mit dem NestroyPre­is als bester Nachwuchsr­egisseur für die Inszenieru­ng von Wolfgang Bauers „Magic Afternoon“am Volkstheat­er ausgezeich­net. Lolić lebt in Hotels, auf Flughäfen und Probebühne­n, Berlin ist zurzeit sein emotionale­r Lebensmitt­elpunkt.

Österreich­ische Erstauffüh­rung am 9. Mai, 19.30 Uhr

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Seine Bewunderun­g für David Bowie ist groß, und das Musical mag er auch: Miloš Lolić inszeniert „Lazarus“am Volkstheat­er.

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