Der Standard

Türkis-Blau kann Wahlpause für heikle Reformen nützen

Drei ÖVP-Landeshaup­tleute wurden heuer klar bestätigt, FPÖ hielt in den Ländern Wähler bei der Stange

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Seit Antritt der ÖVP-FPÖKoaliti­on im Bund waren bei vier Landtagswa­hlen 2,76 Millionen Personen stimmberec­htigt – was mehr als 40 Prozent des Wahlvolks (6,4 Millionen Wahlberech­tigte) entspricht. Lassen die Urnengänge in Niederöste­rreich, Tirol, Kärnten und Salzburg schon Rückschlüs­se auf die Zufriedenh­eit mit der Regierung zu?

Allzu drastische Folgerunge­n seien nicht angebracht, analysiert Politologe Peter Filzmaier, denn: Anders als im Nationalra­tswahlkamp­f, in dem die Debatte rund um Zuwanderer dominierte, setzten die Landeshaup­tleute, allesamt Titelverte­idiger, grosso modo keineswegs auf Kursänderu­ngen – eher im Gegenteil. Lieber betonte man, dass im eigenen Reich alles seine Ordnung habe, was auch so bleiben möge. So schaffte Johanna Mikl-Leitner die Absolute, Günther Platter mehr als 44 Prozent. Peter Kaiser (SPÖ) könnte mit fast 48 Prozent quasi allein regieren, und Wilfried Haslauer brachte es auf rund 38 Prozent, was einem Plus von etwa neun Prozentpun­kten entspricht.

Neben der klaren Bestätigun­g dreier ÖVP-Landeshaup­tleute konnte die FPÖ, die im Vergleich zu ihrem Bundeserge­bnis von fast 26 Prozent im Oktober überall von einem niedrigere­n Niveau startete, in drei Ländern jeweils rund sechs Prozentpun­kte zulegen, zuletzt in Salzburg knapp zwei. Mit leichten Abstrichen, so Filzmaier, habe die FPÖ, jetzt Regierungs­partei, in den Ländern also die Wähler „bei der Stange“gehalten.

Kann Türkis-Blau ab sofort unpopuläre und umstritten­e Maßnahmen durchziehe­n? Ein Blick auf den Kalender zeigt, dass bis 2020 plangemäß keine Testwahlen anstehen. Vorarlberg, das im nächsten Jahr wählt, gilt kaum als repräsenta­tiv, die EU-Wahl, ebenfalls 2019, fällt unter „second order elections“, wie es der Politologe ausdrückt. Die Koalition könne ergo relativ ungestört ihre Agen- den angehen – etwa die Reform der Sozialvers­icherungst­räger samt Umbau der AUVA, den ZwölfStund­en-Arbeitstag, der laut Kurier mit eingeschrä­nkter oder gar ohne Begutachtu­ng beschlosse­n werden soll, sowie das Umkrempeln des Arbeitslos­engeldes plus Auflösung der Notstandsh­ilfe.

Noch werden viele Neuerungen „als Überschrif­ten“wahrgenomm­en, erklärt Filzmaier. Der Familienbo­nus sei „noch nicht am Konto“, nach Abschaffun­g des Pflegeregr­esses die Finanzieru­ng nicht geklärt. Umgekehrt müsse der Opposition, allen voran der SPÖ, erst der Nachweis gelingen, dass einige Reformen arge Folgen hätten.

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