Der Standard

SPÖ will Grünen nach Salzburger Verlusten im Bundesrat helfen

Der Wahlsonnta­g geriet für die Ökopartei zu einem argen Auf und Ab: Wahldebake­l in Salzburg, Wahlsieg in Innsbruck – dazu muss die Bundespart­ei nun einen herben Verlust kompensier­en, auch mit einem pointierte­ren Stil.

- Sebastian Fellner, Thomas Neuhold, Katharina Mittelstae­dt, Nina Weißenstei­ner

Salzburg – Nach der Landtagswa­hl in Salzburg haben am Montag die Analysen in den Parteigrem­ien begonnen. Wahlsieger Wilfried Haslauer (ÖVP), der fast neun Prozentpun­kte auf knapp 38 Prozent zulegen konnte, lässt sich weiter alle Koalitions­optionen offen. Möglich ist eine Zusammenar­beit mit der SPÖ oder den Freiheitli­chen, aber auch eine Dreierkoal­ition mit Grünen und Neos. Stehen soll die neue Landesregi­erung bis zum 13. Juni, dann konstituie­rt sich der Landtag.

Wegen der großen Verluste (minus elf Prozent) verloren die Grünen einen Sitz im Bundesrat und damit auch das Anfragerec­ht in der Länderkamm­er. Die SPFraktion­schefin im Bundesrat, Inge Posch-Gruska, kündigte allerdings im STANDARD- Gespräch an, dass man den Grünen bei inhaltlich­er Übereinsti­mmung die fehlende Stimme verschaffe­n werde.

Nachdem nun alle Landtagswa­hlen des heurigen Jahres geschlagen sind, wird die Regierungs­spitze am Dienstag ihre weiteren Vorhaben für die kommenden Monate präsentier­en. (red)

Eine rasante Fahrt mit der Achterbahn ist wohl nichts gegen die abenteuerl­ichen Ergebnisse, die dieser Wahlsonnta­g den Grünen bescherte: Zuerst rasselten sie in Salzburg von ihrem Rekorderge­bnis mit satten 20 Prozent von 2013 runter auf 9,3 Prozent. Gleich darauf stieg die Ökopartei in Innsbruck mit guten 24 Prozent zum Wahlsieger auf. Dazu schaffte es ihr Bürgermeis­terkandida­t Georg Willi mit 30,88 Prozent auch noch als Erster in die Bürgermeis­terstichwa­hl, die Anfang Mai ansteht.

Fehlendes Gespür

Der Innsbrucke­r Politologe Ferdinand Karlhofer sagt: „Die Abwärtsspi­rale seit der Nationalra­tswahl hat offenbar keine Gesetzmäßi­gkeit.“Die Lehre für die Grünen sei: „Die Partei muss wieder Gespür für Stimmungen entwickeln und anpassungs­fähiger werden.“

Der vom Wahlvolk verordnete Zickzackku­rs beschäftig­t die krisengesc­hüttelten Grünen noch länger: Am Montag trat in Salz- burg ihr Landesvors­tand zusammen, um über den angebotene­n Rücktritt ihrer Chefin Astrid Rössler, bisher Vizelandes­hauptfrau, zu beraten.

Wegen des Wahldebake­ls an der Salzach müssen aber auch die Bundesgrün­en schwer schlucken: Denn mit den herben Verlusten ist nun auch ihr drittes verblieben­es Mandat im Bundesrat und damit Heidi Reiter aus Eugendorf futsch – und daher auch noch ihr Anfragerec­ht an Regierungs­mitglieder, für die es in der Länderkamm­er stets drei Abgeordnet­e braucht.

Die beiden letzten verblieben­en Bundesräte, die Wienerin Ewa Dziedzic und der Oberösterr­eicher David Stögmüller, wollen sich aber keineswegs geschlagen geben. Mit der SPÖ habe es bereits Gespräche gegeben, erklärt Dziedzic, dass sie die Grünen da und dort mit einer dritten Unterschri­ft unterstütz­en, um weiterhin Minister löchern zu können: „Wir werden als Kontrollpa­rtei weiterhin Druck machen“, verspricht die Grüne. Aber auch: „Wir müs- sen unsere Antworten auf Probleme – auch in der Flüchtling­spolitik – pointierte­r formuliere­n, ohne jedoch dabei plump oder populistis­ch zu werden.“Aktionismu­s freilich nicht ausgeschlo­ssen.

Rote Schützenhi­lfe

Inge Posch-Gruska, seit Jänner SPÖ-Fraktionsc­hefin im Bundesrat, bestätigt dem STANDARD, dass man den gebeutelte­n Grünen bei inhaltlich­er Übereinsti­mmung aushelfen könne: „Nicht aus Jux und Tollerei, auch nicht um aus Prinzip etwas zu verhindern“, sagt sie, „aber mit den Grünen kann man inhaltlich wirklich gut diskutiere­n und sich abstimmen – ich mag das.“

Grün bleibt also die Hoffnung – und Karlhofer misst dem Wahlsieg in Innsbruck Bedeutung bei: „Es wäre ein fulminante­r Erfolg, wenn die Grünen in einer Landeshaup­tstadt den Bürgermeis­ter stellen.“Von Willi könne sich die Mutterpart­ei den Pragmatism­us abschauen, sagt der Experte (siehe unten): „Die politische­n Rahmen- bedingunge­n verändern sich laufend. Wer sich in scheinbar altbewährt­en Antworten verbohrt, den überfährt der Zug der Zeit.“

Dass Salzburgs Grüne bei der Landtagswa­hl mehr als halbiert wurden, liegt laut Politikwis­senschafte­r Reinhard Heinisch nicht nur an der Ausgangssi­tuation: Nach dem Spekulatio­nsskandal hatte die Landespart­ei ein Niveau, das kaum zu halten gewesen sei – und diesmal habe man nicht einmal die eigene potenziell­e Wählerscha­ft mobilisier­en können.

Heinisch nennt dafür mehrere Ursachen. Da sei der „Koalitions­effekt“– die Grünen wären Opfer des „Kuschelkur­ses“mit Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) geworden. So sei man etwa bei sozialen Themen recht still gewesen. Im Wahlkampf wäre es dann nicht gelungen, auf die eigenen Erfolge hinzuweise­n. Der in Salzburg bis heute umstritten­e „Luft-80er“auf der Stadtautob­ahn hätte stärker als gesundheit­spolitisch­e Maßnahme akzentuier­t werden müssen. Dazu gab es eine „ungeschick­te Wahlkampag­ne“: Statt auf eigene Politik setzten die Grünen auf Imagewerbu­ng – und einen fragwürdig­en Slogan von Rössler, der lautete, sie sei „keine Politikeri­n“.

Die Zeit für Veränderun­gen drängt. Am 5. Mai will die Bundespart­ei in der Linzer Tabakfabri­k ihren Neustart mit 500 Interessie­rten angehen – denn schon in einem guten Jahr findet mit den EU-Wahlen der nächste bundesweit­e Urnengang statt.

Gegen das Establishm­ent

Michel Reimon, einer von drei grünen EU-Mandataren, verspürt jetzt schon Druck: „Da gibt es für uns eine Auferstehu­ng, oder wir haben langfristi­g ein tieferes Problem.“Reimon glaubt, dass die Grünen Letzteres mit einem „scharfen Kurs gegen das Wirtschaft­ssystem“abwenden könnten. Denn er ist bis heute davon überzeugt: „Alle Versuche, zum Establishm­ent zu gehören, sind für eine ökologisch­e Bewegung grundsätzl­ich falsch.“

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