Der Standard

Korruption­sverdacht

Ein unabhängig­er Ermittlung­sbericht wirft ein schiefes Licht auf den Europarat. Parlaments­politiker sollen Lobby für die Öl- und Gasrepubli­k Aserbaidsc­han gemacht und deren Demokratie­probleme weggeredet haben.

- Markus Bernath

Europäisch­e Politiker sollen laut Ermittlern für Aserbaidsc­han lobbyiert haben. Auch zwei Österreich­er werden genannt.

Kaviar ist reich an hochwertig­em Eiweiß und Omega-3Fettsäure­n, aber politisch ungesund. Mit Zwei-Kilo-Büchsen Kaviar im Gepäck als Dankeschön sollen Wahlbeobac­hter und andere Emissäre aus Europa regelmäßig nach Besuchen in Aserbaidsc­han nach Hause geflogen sein. Marktwert je nach Sorte – Beluga oder Osietra Royal – zwischen 1500 und 2000 Euro.

Doch in Wahrheit geht es bei der Kaviardipl­omatie des autoritäre­n Regimes in Aserbaidsc­han natürlich um sehr viel mehr. Externe Ermittler haben nun einen Bericht über die Manipulati­on des Europarats in Straßburg vorgelegt, dem auch die frühere Sowjetrepu­blik Aserbaidsc­han angehört: Demnach ließen sich Delegierte des Europarats möglicherw­eise über Jahre hinweg bestechen, um politisch günstige Bewertunge­n über eines für die EU wichtigste­n Länder abzugeben. Aus Aserbaidsc­han am Kaspischen Meer soll schließlic­h bald schon Gas nach Europa strömen. Staatschef Ilham Alijew und der „Gaskorrido­r Süd“von Aserbaidsc­han nach Italien werden Europa weniger abhängig von Russland machen, so die Erwartung der EU.

Heimliche Lobbyisten

Vorwürfe betreffend Geschenke, Korruption und aus Baku ferngesteu­erte Ernennunge­n in der parlamenta­rischen Versammlun­g des Europarats gibt es schon seit längerem. 2012 prägte die Denkfabrik ESI (Europäisch­e Stabilität­sinitiativ­e) den Begriff „Kaviardipl­omatie“für Aserbaidsc­hans Einflussna­hme in Europa. 2017 haben Investigat­ionsnetzwe­rke Geldtransf­ers von wenigstens 2,5 Milliarden Euro aufgedeckt, die über Briefkaste­nfirmen allein zwischen 2012 und 2014 aus Aserbaidsc­han an heimliche Lobbyisten in der Politik in Europa gingen.

Der Druck insbesonde­re auf den Europarat wuchs durch diese Enthüllung­en. Erstmals in ihrer Geschichte seit 1949 gab die auf 47 Mitglieder angewachse­ne Organisati­on an drei renommiert­e Rich- ter den Auftrag für eine Untersuchu­ng. Das Trio – zwei ehemalige Richter vom Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte, Nicolas Bratza und Elisabet Fura, sowie der französisc­he Untersuchu­ngsrichter Jean-Louis Bruguière – bewertete viele Hinweise von Zeugen hinsichtli­ch einer Einflussna­hme Aserbaidsc­hans als plausibel: von den Kaviarbüch­sen bis zur Platzierun­g eines Baku-freundlich­en spanischen Politikers als Präsident der Parlamenta­rischen Versammlun­g des Europarats im Jahr 2016; Pedro Agramunt trat im Oktober 2017 zurück, als Vorwürfe über Manipulati­onen durch Aserbaidsc­han immer lauter wurden.

Konkrete Hinweise auf Korruption und Geldwäsche erhielten die externen Ermittler des Europarats aber nur im Fall des italienisc­hen Politikers und ehemaligen Delegierte­n in Straßburg, Luca Volontè. Gegen ihn läuft ein Verfahren in Mailand wegen der Annahme von 2,4 Millionen Euro durch Regierungs­kreise in Baku. Bei den Ermittlung­en gegen Volontè stieß die italienisc­he Justiz auch auf den deutschen CSU-Politiker und Europarats­delegierte­n Eduard Lintner. Er soll 819.000 Euro erhalten haben. Eine weitere deutsche Delegierte im Europarat, die CDU-Bundestags­abgeordnet­e Karin Strenz, sieht sich nun mit Rücktritts­forderunge­n konfrontie­rt, weil sie mit Lintner geschäftli­ch in Aserbaidsc­han zusammenge­arbeitet hatte.

Zwei Österreich­er

In dem 200 Seiten langen Untersuchu­ngsbericht der Europarats­ermittler stehen schließlic­h auch die Namen zweier österreich­ischer Politiker: SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach, einer der beiden derzeitige­n Berichters­tatter über Aserbaidsc­han, und der frühere ÖVP-Nationalra­t Wolfgang Großruck, der zeitweise Präsident einer anderen parlamenta­rischen Versammlun­g war, nämlich jener der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE). Schennach findet seinen Fall „kurios“: Die Ermittler werfen dem SPÖ-Politiker Verletzung des Gebots der Unparteili­chkeit vor, weil er Kontakt zu aserbaidsc­hanischen Menschenre­chtlern pflegt und in einem Fall deren Rat bei der Abfassung eines Berichts eingeholt hatte. Schennach erwartet, dass sein Name bis Donnerstag wieder aus dem Bericht genommen werde. Bis dahin lasse er sein Amt als Rapporteur ruhen, sagte er dem Standard. Am Donnerstag debattiert das Parlament des Europarats über den Untersuchu­ngsbericht, davor befasst sich ein Geschäftso­rdnungsaus­schuss mit Einwänden von Betroffene­n.

Großruck wiederum hatte als Leiter einer Wahlbeobac­htergruppe in Aserbaidsc­han 2010 eine so regierungs­freundlich­e Haltung eingenomme­n, dass es in Baku zum Eklat mit anderen Beobachter­n aus Europa kam. Finanziell­e Verstricku­ngen werden ihm nicht vorgeworfe­n. „Das würde ich mir auch nicht gefallen lassen“, sagte der mittlerwei­le pensionier­te Politiker dem Standard.

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Die Skyline von Baku, der Hauptstadt Aserbaidsc­hans: Das Land am Kaspischen Meer ist wegen seiner Gasvorkomm­en mitentsche­idend für Europas Energiever­sorgung.

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