Proteste bringen Premier zu Fall
Überraschende Wende nach tagelangen Protesten: Sargsjan räumt Niederlage ein
Der Druck wurde zu groß: Nach tagelangen Massenprotesten, an denen sich auch Soldatinnen und Soldaten der Armee beteiligt hatten, trat am Montag der armenische Regierungschef und vormalige Präsident Serge Sargsjan zurück. Er wird für Armut, Korruption und den großen Einfluss von Oligarchen in der Kaukasusrepublik verantwortlich gemacht.
Eriwan/Athen – Er kam mit Blut und Gewalt auf den Straßen und geht nun offenbar auch so: Armeniens Ministerpräsident Serge Sargsjan kündigte am Montag nach tagelangen Protesten und Massenverhaftungen seinen Rücktritt an. Der 63-jährige frühere Militärchef räumte seine Niederlage ein und wandte sich direkt an den Oppositionsführer: „Nikol Paschinjan hatte recht. Ich habe mich getäuscht“, hieß es in einer Erklärung, die Sargsjans Amt veröffentlichen ließ. Zehn Jahre zuvor, im Frühjahr 2008, war er als Staatspräsident gewählt worden. Mindestens acht Demonstranten starben damals bei den Protesten der Opposition.
Dieses Mal scheint es anders. Etwa 200 unbewaffnete Soldaten schlossen sich am Montag den Demonstrationen in Eriwan an. Das gab offenbar den Ausschlag für die Wende. „Die Bewegung auf der Straße ist gegen meine Amtszeit“, hieß es in der Erklärung, die auf der Webseite des Ministerpräsidenten: „Ich beuge mich ihrer Forderung.“
Proteste gab es auch in den zwei anderen großen Städten Gjumri und Vanadzor. Sargsjans Plan war nicht aufgegangen: Nach zwei Amtszeiten als Präsident ließ er die Verfassung ändern und Armenien von einem Präsidial- zu einem parlamentarischen System übergehen. Der neue mächtige Regierungschef hieß dann – Serge Sargsjan.
Eine Woche konnte sich Armeniens starker Mann im Amt halten. Dann gab er auf. „Es gibt eine Reihe von Lösungen für die derzeitige Situation, aber ich werde auf keine von ihnen zurückgreifen“, hieß es in Sargsjans Erklärung. „Das ist nicht meine Art.“
Tausende strömten am Montagnachmittag auf den Platz der Republik in Eriwan und feierten die Nachricht vom Rücktritt Sargsjans.
Sargsjan, der während seiner Amtszeit als Präsident stets mit einer komfortablen Mehrheit seiner Partei im Parlament regieren konnte, hatte vor dem Verfassungswechsel noch versprochen, selbst keine „dritte“Amtszeit, dieses Mal als Premier, anzustreben. Dass er sein Wort nicht hielt, verziehen ihm viele nicht. Straßenproteste einer demokratiebewussten Zivilgesellschaft gab es dabei immer wieder in den vergangenen Jahren. Der autoritäre Stil des Präsidenten konnte den Unmut in der armenischen Gesellschaft über ausbleibende Jobs, die enge Bindung an Putins Russland und die anhaltende Korruption im Staat nie zum Verstummen bringen.
Oppositionsführer Paschinjan hatte ein ergebnisloses Treffen mit Sargsjan, wurde danach am Sonntag verhaftet und kam Montag wieder frei.