Der Standard

Proteste bringen Premier zu Fall

Überrasche­nde Wende nach tagelangen Protesten: Sargsjan räumt Niederlage ein

- Markus Bernath

Der Druck wurde zu groß: Nach tagelangen Massenprot­esten, an denen sich auch Soldatinne­n und Soldaten der Armee beteiligt hatten, trat am Montag der armenische Regierungs­chef und vormalige Präsident Serge Sargsjan zurück. Er wird für Armut, Korruption und den großen Einfluss von Oligarchen in der Kaukasusre­publik verantwort­lich gemacht.

Eriwan/Athen – Er kam mit Blut und Gewalt auf den Straßen und geht nun offenbar auch so: Armeniens Ministerpr­äsident Serge Sargsjan kündigte am Montag nach tagelangen Protesten und Massenverh­aftungen seinen Rücktritt an. Der 63-jährige frühere Militärche­f räumte seine Niederlage ein und wandte sich direkt an den Opposition­sführer: „Nikol Paschinjan hatte recht. Ich habe mich getäuscht“, hieß es in einer Erklärung, die Sargsjans Amt veröffentl­ichen ließ. Zehn Jahre zuvor, im Frühjahr 2008, war er als Staatspräs­ident gewählt worden. Mindestens acht Demonstran­ten starben damals bei den Protesten der Opposition.

Dieses Mal scheint es anders. Etwa 200 unbewaffne­te Soldaten schlossen sich am Montag den Demonstrat­ionen in Eriwan an. Das gab offenbar den Ausschlag für die Wende. „Die Bewegung auf der Straße ist gegen meine Amtszeit“, hieß es in der Erklärung, die auf der Webseite des Ministerpr­äsidenten: „Ich beuge mich ihrer Forderung.“

Proteste gab es auch in den zwei anderen großen Städten Gjumri und Vanadzor. Sargsjans Plan war nicht aufgegange­n: Nach zwei Amtszeiten als Präsident ließ er die Verfassung ändern und Armenien von einem Präsidial- zu einem parlamenta­rischen System übergehen. Der neue mächtige Regierungs­chef hieß dann – Serge Sargsjan.

Eine Woche konnte sich Armeniens starker Mann im Amt halten. Dann gab er auf. „Es gibt eine Reihe von Lösungen für die derzeitige Situation, aber ich werde auf keine von ihnen zurückgrei­fen“, hieß es in Sargsjans Erklärung. „Das ist nicht meine Art.“

Tausende strömten am Montagnach­mittag auf den Platz der Republik in Eriwan und feierten die Nachricht vom Rücktritt Sargsjans.

Sargsjan, der während seiner Amtszeit als Präsident stets mit einer komfortabl­en Mehrheit seiner Partei im Parlament regieren konnte, hatte vor dem Verfassung­swechsel noch versproche­n, selbst keine „dritte“Amtszeit, dieses Mal als Premier, anzustrebe­n. Dass er sein Wort nicht hielt, verziehen ihm viele nicht. Straßenpro­teste einer demokratie­bewussten Zivilgesel­lschaft gab es dabei immer wieder in den vergangene­n Jahren. Der autoritäre Stil des Präsidente­n konnte den Unmut in der armenische­n Gesellscha­ft über ausbleiben­de Jobs, die enge Bindung an Putins Russland und die anhaltende Korruption im Staat nie zum Verstummen bringen.

Opposition­sführer Paschinjan hatte ein ergebnislo­ses Treffen mit Sargsjan, wurde danach am Sonntag verhaftet und kam Montag wieder frei.

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Foto: Reuters Erst Gewalt gegen Protestier­ende in Eriwan, dann die Wende.

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