Antisemitisches Sündenbockmotiv
Auch Norbert Hofer bezeichnete Soros als „Masseneinwanderung“-Förderer
Es gebe „stichhaltige Gerüchte“, dass George Soros darain beteiligt sei, „gezielt Migrantenströme nach Europa zu unterstützen“: Mit derlei Interviewäußerungen gegen den Gründer der Open Society Foundations ist der freiheitliche Klubobmann Johann Gudenus nicht der erste hochrangige FPÖ-Repräsentant, der derlei Verschwörungstheorien öffentlich verbreitet. Aber Gudenus ist der Erste, der das für die Leser eines bürgerlichen Mediums wie Die Presse tut.
Tatsächlich fallen Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) nur dezidiert rechte Publikationen ein, in denen FPÖ-Politiker Derartiges davor zum Besten gaben. So publizierte etwa das Magazin Alles Roger? im Oktober 2017 ein Doppelinterview mit FPÖ-Chef HeinzChristian Strache und seinem Vize Norbert Hofer. Zwei Monate vor Abschluss des Koalitionsver- trags mit Sebastian Kurz‘ ÖVP zog Hofer darin über Soros und Kurz gleichzeitig her.
Auf die Frage, was beide FPÖler „zu der Verbindung zwischen Kurz und Soros“sagten, der „Lenker der Masseneinwanderung und ein Förderer von Kurz“sei, antwortete Hofer: „Soros steuert mit Sicherheit einiges auf der Welt, auch die Flüchtlingsströme. Das weiß man.“Kurz wiederum sei „gerade bei Henry Kissinger gewesen“. Auch hier bestünden „gute Verbindungslinien zu Soros“.
Je rechtslastiger ein Anti-SorosKommentar, umso drastischer die Formulierungen und vermittelten Bilder, sagt DÖW-Mitarbeiter Weidinger. Dann ist rasch von angeblichen Todesgefahren für weiße Europäer die Rede.
Drohende „Ausrottung“
So in einem dem Standard vorliegenden Facebook-Eintrag der langjährigen FPÖ-Politikerin Barbara Rosenkranz, die die Partei im August 2017 verließ: „Wenn wir es zulassen, werden die Soros-,Zi- vil‘-Organisationen mithilfe der muslimischen Barbaren die europäische, weiße, christliche Zivilisation ausrotten – wie es Absicht von Soros ist“, teilte sie im Mai 2017 den Text eines Ungarn.
„Wir haben es hier mit einer Aneinanderreihung zentraler antisemitischer Klischees zu tun“, sagt die Sprachwissenschafterin Ruth Wodak. Da gebe es das Bild von „mächtiger jüdischen Lobbys“, die ganze Regierungen in der Hand hätten: „In der Waldheim-Affäre hieß es: die Ostküste“.
Verbunden werde dies mit dem Bild des „reichen jüdischen Kapitalisten“. Wodak: „Früher war es Rothschild, heute ist es Soros.“Dazu kämen „antikapitalistische und antiamerikanische Motive“. Das führe zu falschen Vereinfachungen, „als ob ein Einziger, Soros, für die Fluchtbewegung verantwortlich sein könnte“. Dass derlei Ansichten nun auch hierzulande in der politischen Mitte gehört würden, ist laut Wodak höchst gefährlich: „Ein Sündenbockmotiv hat sich verselbstständigt“.