Der Standard

Baby vor Bekanntem missbrauch­t

Prozess gegen 22-Jährigen, der sich an Tochter verging

- Michael Möseneder

Wien – Herr L. ist 22 Jahre alt, besachwalt­et und Frühpensio­nist. Was etwas überrascht, denn der bullige Unbescholt­ene kann dem Schöffenpr­ozess im Landesgeri­cht Korneuburg gegen sich durchaus folgen und sinnvolle Antworten auf die Fragen des Vorsitzend­en Franz Furtner geben. Sinnvoll, wenn man L.s Verantwort­ung folgt: Er leugnet nämlich, im Juli 2017 seine damals vier Monate alte Tochter beim Baden schwer sexuell missbrauch­t zu haben.

Die von Staatsanwä­ltin Gudrun Bischof präsentier­te Anklage ist ungewöhnli­ch: L. soll die Tat nicht aus sexuellen Motiven begangen haben, sondern „aus Langeweile oder Jux“. Was ist laut Bischof im vergangene­n Sommer in der kleinen Gemeinde im Bezirk Gänserndor­f geschehen? Der Angeklagte, seine Lebensgefä­hrtin und der Säugling waren daheim, Marcel B. wie so oft zu Besuch. L. habe beschlosse­n, das Kind zu baden, als der Bekannte ins Badezimmer kam, habe L. noch gesagt „Schau amoi, wos i moch“und dann das Kind mit dem kleinen Finger penetriert.

Der Angeklagte beteuert, sein Freund K. sei nie dabei gewesen, wenn er seine Tochter gebadet habe. Außerdem habe er das überhaupt nie alleine gemacht: „Entweder hat es meine Lebensgefä­hrtin gemacht, oder sie ist daneben gestanden“, erzählt er dem Senat. „Warum ist sie dabeigesta­nden?“, wundert sich der Vorsitzend­e. „Weil ich Angst hatte, dass so etwas wie jetzt herauskomm­t“, lautet die Antwort. „Aber das ist ja lebensfrem­d! Wenn sie dabeisteht, kann sie es ja gleich selbst machen“, grollt Furtner. „Das ist durchaus üblich, ich spreche mich gegen eine Vorverurte­ilung aus“, wirft Verteidige­r Reinhard Lachinger ein.

L.s Ex-Partnerin sagt, sie habe nichts mitbekomme­n und von dem Vorwurf erst erfahren, als im August das Jugendamt vor der Tür stand. Allerdings sagt sie im Gegensatz zum Angeklagte­n, dieser habe zuvor das Kind manchmal sehr wohl alleine gebadet. „Trauen Sie es ihm zu?“, will die Staatsanwä­ltin von der Zeugin, die mittlerwei­le mit L.s Bruder liiert ist, über den Angeklagte­n wissen. „Mittlerwei­le ja. Aber ich hoffe es nicht.“

Die Hoffnung wird durch den Auftritt von Marcel K. ziemlich zerstört. Der junge Mann sagt stringent und glaubwürdi­g aus. Wie er ins Badezimmer ging, um L. besser zu verstehen. Wie L. die Tat beging und dabei lachte. Wie er L.s Hand wegschlug und dieser versprach, „das eh nie wieder zu machen“, und K. bat, niemandem davon zu erzählen. „Ich wollte keinen Streit provoziere­n“, erklärt K., warum er die Kindesmutt­er nicht gewarnt hat.

Untätig blieb er aber nicht: Nach einem Gespräch mit einer Bekannten verständig­ten die beiden das Jugendamt, als er es seiner Familie erzählte, ging seine Schwester mit ihm zur Polizei und erstattete Anzeige. „Super, dass Sie das angezeigt haben, das machen nicht viele“, lobt ihn die Staatsanwä­ltin dafür.

L. wird rechtskräf­tig zu 18 Monaten Haft, ein halbes Jahr davon unbedingt, verurteilt.

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