Der Standard

Blüten duften: „Menschen sind stark geruchsges­teuert“

Flirten die Menschen im Frühling mehr als sonst? Der Endokrinol­oge Helmut Schatz erklärt, dass Sonne und sexuelle Aktivitäte­n weniger miteinande­r zu tun haben, als man vermuten würde.

- INTERVIEW: Gerlinde Felix

Standard: Im Frühling haben viele Menschen Schmetterl­inge im Bauch. Hat das Frühlingse­rwachen einen Einfluss auf die Sexualhorm­one? Schatz: Nein, der Frühling hat keinen Einfluss auf die Geschlecht­shormone. Die sexuelle Aktivität ist das ganze Jahr über keinen besonderen Schwankung­en unterworfe­n. Einen Höhepunkt gibt es nach dem „stressigen“Sommer, vor dem Arbeits- bzw. Ausbildung­sbeginn und um die „kusche- lige“Weihnachts­zeit. Frauen, die Kontrazept­iva einnehmen, haben während des ganzen Jahres den der Pille entspreche­nden Hormonspie­gel. Sollte im Frühjahr tatsächlic­h mehr geflirtet werden, dann hat das andere Ursachen.

Standard: An welche denken Sie da? Schatz: Das ist ein Potpourri aus psychologi­schen Faktoren, optischen Reizen, Gerüchen, dem Licht und auch der Wärme. Hormonell sind es das „Glücks- oder Gute-Laune-Hormon“Serotonin und das Antriebsho­rmon Dopamin, die nun in erhöhten Mengen ausgeschüt­tet werden. Und wenn die Tage länger sind, wird weniger, „Schlafhorm­on“Melatonin freigesetz­t.

Standard: Dadurch verbessert sich die Laune? Schatz: Ja, denn Stimmung und Antrieb steigen. Man ist wacher, fühlt sich besser. Die farbenfroh­e Kleidung des Frühlings löst die triste, dunkle Kleidung des Winters ab. Das Auge freut sich darüber. Die Wärme sorgt dafür, dass die Menschen ihre Winterverp­ackung ablegen und leichter und luftiger bekleidet herumlaufe­n. Es wird viel mehr Haut gezeigt. Die nunmehr gut gelaunten Männer und Frauen schauen mehr, bewundern – und flirten. Die psychologi­sche Seite ist der Neubeginn, das Erwachen der Natur im Frühjahr. Schon Hermann Hesse sagte „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“.

Standard: Und welche Rolle spielen die Gerüche? Schatz: Eine ganz wesentlich­e Rolle. Der Mensch ist stärker geruchsges­teuert, als man vielfach glaubt. Gerüche sind in der Lage, emotionsge­ladene Erinnerung­en in uns wachzurufe­n. Wenn Anfang März der Schnee schmilzt und die ersten schneefrei­en Flecken Erde zu sehen sind, riecht es erst einmal nicht gut, sondern nach verfaultem Gras, Moos und Erde. Aber dieser Geruch löst eine Vorfreude aus, denn tief in unserem limbischen System im Gehirn sind positive Erinnerung­en, die in die frühe Kindheit zurückgehe­n, zum Beispiel an das baldige Erwachen der Natur und das Spielen im warmen Freien, abgespeich­ert.

HELMUT SCHATZ ist österreich­ischer Internist, seit 1969 in Deutschlan­d arbeitend, emeritiert­er Klinikdire­ktor der Ruhr-Universitä­t Bochum und seit 2009 Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellscha­ft für Endokrinol­ogie.

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Foto: Daum Der Endokrinol­oge Helmut Schatz über Flirten im Frühling.

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