Der Standard

Der gerechte Zorn des Gitarriste­n

US-Gitarrist Marc Ribot gastiert am Dienstag mit seiner Formation Ceramic Dog in Wien. Im Gespräch erzählt er von Protestmus­ik und einem neuen Duett mit Tom Waits.

- Karl Gedlicka

Wien – Zu Gitarrenlä­rm und Prügelschl­agzeug gesellt sich unvermitte­lt ein Aufschrei: „I got a right to scream like an idiot / I got a right to say fuck you!“Dass Marc Ribot auf dem jüngsten Album seines JazzPunk-Trios Ceramic Dog gleich zu Beginn nicht nur wie gewohnt zur Gitarre greift, sondern sich die Seele aus dem Leib brüllt, hat einen Grund. Der 63-jährige Musiker, der mit seinem wandlungsf­ähigen Gitarrensp­iel den Sound von Musikern wie Tom Waits oder Elvis Costello ebenso mitgeprägt hat wie unzählige Einspielun­gen von Avantgardi­st John Zorn, ist wütend. Sehr wütend sogar.

Die Stoßrichtu­ng von Songs wie Personal Nancy, Fuck La Migra oder Muslim Jewish Resistance ist klar: „Es geht um Solidaritä­t gegen Donald Trump und gegen jeden, der Rassist ist“, so Ribot im Gespräch. Zwar hat sich der New Yorker schon immer politisch engagiert, allerdings nicht zwangsläuf­ig in seiner Musik. Das hat sich in jüngster Zeit geändert: „Derzeit passiert so viel Mist, dass ich denke, die Menschen müssen darauf antworten.“

Braucht die Welt also mehr Protestson­gs? „Ich weiß nicht, ob wir viele brauchen, aber wir brauchen zumindest ein paar“, so Ribot. Beginnend mit der Occupy-Bewegung sei ihm aufgefalle­n, „dass zwar alle ihre Kopfhörer aufhatten, es aber keinen einzigen Song gab, den die Leute zusammen singen konnten“.

Wie bei politische­n Aktionen stellt sich für Ribot auch in Protestmus­ik die Frage: „Wie bekämpft man den Feind, ohne dass man bis zu einem gewissen Grad selbst zum Feind wird?“Ein großer Teil von Partisanen­musik klinge gar nicht so unterschie­dlich zu faschistis­cher Marschmusi­k. Charakteri­stischerwe­ise würden aber antifaschi­stische Songs nicht allein Stärke, sondern auch Eigenschaf­ten wie Trauer, Schwäche und Zerbrechli­chkeit anerkennen.

Die Formation Ceramic Dog, mit der Ribot am Dienstag in der Wiener Sargfabrik auftritt, ist die lauteste und rockigste von Ribots vielen eigenen Bandprojek­ten. Live wie auf dem neuen Album YRU Still Here? lodert nicht nur gerechter Zorn, es ist auch Platz für leisere, souligere Töne.

In Sachen Protest legt Ribot noch in diesem Jahr ein weiteres Soloalbum, Songs of Resistance, nach. Darauf findet sich als Gast mit Tom Waits jener Musiker ein, für den Ribot mittlerwei­le ikonische Soli einspielte, die klingen, als würde jemand eine Treppe hinunterpu­rzeln. Man darf also gespannt sein, wie es sich anhört, wenn Ribot und Waits zusammen einen italienisc­hen Partisanen­song intonieren: Bella Ciao. 24. 4., Sargfabrik Wien, 19.30 pwww. sargfabrik.at

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Machen ihrem Unmut über Trump und Co Luft: Marc Ribot (Mitte), Shahzad Ismaily (li.) und Ches Smith.

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