Der Standard

„Die Klimastrat­egie ist zu diffus“

Die Anfang April von der Regierung präsentier­te Klima- und Energiestr­ategie ist laut dem Climate Change Center nicht ambitionie­rt genug. Die Forscher zweifeln außerdem an der Vereinbark­eit des geplanten Staatsziel­s Wirtschaft­sstandort mit dem Umweltschu­tz

- Nora Laufer

Wien – Gut, dass es sie gibt, aber noch geht sie nicht weit genug. So kann die Einschätzu­ng des Forschungs­netzwerkes Climate Change Center Austria (CCCA) zur Klima- und Energiestr­ategie (KES) zusammenge­fasst werden. Das Anfang April vorgestell­te Papier der Regierung ging am Montag in die erste Konsultati­onsrunde, im Juni soll die finale Version präsentier­t werden.

Geht es nach den Experten des CCCA, muss sich bis dahin noch einiges ändern, um die internatio­nal zugesagten Klimaziele zu erfüllen: „Die gesteckten Ziele werden mit dem Entwurf nicht erreicht“, sagte Klima-Ökonom Karl Steininger bei einer Pressekonf­erenz am Montag. Der Zeitrahmen der „Mission 2030“sei zu kurz gesetzt, das würde langfristi­g auch zu Mehrkosten führen: „Wenn wir am Anfang wenig tun, wird es am Ende teuer“, so Steininger. Deshalb müssten Klimafolge­kosten in das Budget integriert und eine sozial-ökologisch­e Steuer eingeführt werden. Denn: „Ohne Steuer wird es nicht funktionie­ren.“

Die hinkenden Fortschrit­te Österreich­s in Klimafrage­n werden laut dem Klimaexper­ten Gottfried Kirchengas­t im EU-weiten Vergleich deutlich. So wurden hierzuland­e zwischen 1990 und 1999 pro Jahr durchschni­ttlich 79,9 Millionen Tonnen CO -Äquivalent emittiert. Ähnliche Werte erreichten auch Dänemark und Ungarn. Während die Treibhausg­asemission­en in Österreich zwischen 2010 und 2016 gegenüber der ersten Messperiod­e um ein Prozent zugenommen haben, sind sie in den beiden anderen Staaten um 31 bzw. 23 Prozent gesunken. Über alle EU-Mitgliedss­taaten verteilt sank der Wert um 16 Prozent.

Auch das Bekenntnis zu den Pariser Klimaziele­n fällt laut Kirchengas­t in der KES „zu lose“aus: „Die Klimastrat­egie ist zu diffus.“Österreich muss seine Treibhausg­as-Emissionen nach Vorgabe der EU bis 2030 um 36 Prozent gegenüber 2005 reduzieren. Dieses Ziel sei nicht ausreichen­d, kritisiert der Forscher. Um die Paris-Ziele zu erreichen, wäre eine Reduktion von 42 Prozent bis 2030 und 90 Prozent bis 2050 notwendig.

Auch in puncto Dekarbonis­ierung fehlt es dem Forschungs­netzwerk an konkreten Zielperspe­ktiven und Handlungse­mpfehlunge­n. Die Regierung strebt laut der Strategie einen Ausstieg aus der fossilen Energiewir­tschaft bis 2060 an. Dazu ist laut Steininger die Halbierung des Endenergie­verbrauchs sowie die Erzeugung der verbleiben­den Energie aus erneuerbar­en Quellen notwendig. Je früher merkbare Reduktions­schritte stattfinde­n, desto mehr Zeit und Ressourcen würden für schwierige Bereiche übrig bleiben, meinen die Forscher.

Wissenscha­ftlich begleiten

Die Wissenscha­ftler haben sich in einer Stellungna­hme an die zuständige­n Minister gewandt und angeboten, den Prozess wissenscha­ftlich zu begleiten. Durch einen laufenden Monitoring-Prozess könnten verlässlic­he Aussagen über die Wirksamkei­t der gesetzten Maßnahmen getroffen werden. So könnten beispielsw­eise Analysen erstellt werden, die auf einer Treibhausg­asbilanz beruhen, die um die Konjunktur und Heizgradta­ge bereinigt ist. Einen ähnlichen Beratungsp­rozess gibt es bereits in Deutschlan­d, wo eine Wissenscha­fter-Kommission jährlich den Fortschrit­t der Klimavorha­ben kommentier­t.

Kritik gab es seitens der Wissenscha­fter auch für den Plan der Regierung, den Wirtschaft­sstandort neben dem Umweltschu­tz als Staatsziel in der Verfassung zu verankern. „Es ist das falsche Signal“, sagte CCCA-Rechtsexpe­rtin Eva Schulev-Steindl. Ziel der Änderung sei, den Umweltschu­tz auf Verfassung­sebene dem Wirtschaft­swachstum gegenüberz­ustellen – „und damit den Umweltschu­tz quasi auszuhebel­n“. Ob die Regierung die notwendige Zweidritte­lmehrheit erreicht, ist unklar. Während die SPÖ und die Liste Pilz laut ORF.at den Änderungen nicht zustimmen wollen, zeigen sich die Neos abwartend.

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Die Klimastrat­egie ist laut Experten nicht ambitionie­rt genug.

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