Der zähe Fleiß von Dampf- und Menschmaschine
Über die kurze Geschichte der „Leistung“: ein Politikum Es kommt Bewegung in Österreichs Fotoszene: Salzburg möchte das Fotomuseum des Bundes beherbergen. Wien verzichtet dagegen in diesem Jahr auf das Festival „Eyes On“. Man will künftig das Kunsthaus st
Wer den Ansprüchen des Leistungsimperativs gehorcht, hat nicht nur im Erwerbsleben gut zu tun. Längst hat der Neoliberalismus die Maske der Fürsorge fallengelassen. Vorbei die Zeit, als die gezielte Lockerung der Arbeitsorganisation mehr Selbstentfaltung verhieß. Dabei schien es, als würde Dienstnehmern mehr Platz für die Sorge um das Selbst eingeräumt. Kein Wunder: Vor 50 Jahren wurde in den Industrieländern Kritik an der „Leistungsgesellschaft“laut.
Demgegenüber entdeckte man die Selbstverwirklichung als Wirtschaftsfaktor. „Strebertum“wurde als Produktivkraft erkannt. Eine Zeitlang propagierten die Lenkungstechniker am Arbeitsmarkt regelrecht symbolisches Eigenblutdoping. Nur wer biegsam genug schien, um sich den je wechselnden Erfordernissen anzupassen, besaß begründete Aussicht auf Anerkennung.
Heute ist Flexibilität eine Norm. Sie zwingt Beschäftigte im Niedriglohnsektor dazu, auch unter unsozialen Bedingungen Lohnarbeit zu verrichten. Selbstausbeutung bildet die Grundlage für „Leistungsbereitschaft“: noch immer und schon wieder. Denn eigentlich ist „Leistung“ein junger Begriff. Ambivalent genug, um ihn nicht allein den Neoliberalisten zu überlassen.
Wer in Konversationslexika des frühen 19. Jahrhunderts blättert, wird auf keine Definition des Wortes „Leistung“stoßen, die heutigen Auffassungen genügt. Gewiss, das Bekenntnis zum Arbeitsethos ist bürgerlichen Ursprungs. Komplizierter verhält es sich mit der Bindung von Einkommen an Leistung. Die Bereitschaft, positiv gestimmt ein Maximum aus sich herauszuholen, galt wenig in den Augen frühmoderner Bürger. Die verhielten sich lieber gesellig.
Keine Spur zunächst von Leistung als systematisch steigerbarer Größe, die man auf ein bestimmtes Individuum zurückführt, um dessen Wert zu bestimmen. Leistung als Produkt moderner Messtechnik stammt aus dem 19. Jahrhundert. Rührige Physiologen standen unter dem Eindruck der Dampfmaschine. Der Mensch wurde nicht mehr als leibseelisches Dualwesen aufgefasst, sondern als – pflegebedürftige – Maschine. Die Überwindung von Widerständen durch Kraft wurde zum Anstoß, für jede denkbare Leistung die dazugehörige Skalierung zu erfinden.
Noch wesentlicher scheint eine zweite Bedeutungsspur. „Leistung“stammt, als transitives Verb aufgefasst, aus dem juristischen Diskurs. Als Schlüsselbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches bezeichnet das „Leisten“das Recht von Privatpersonen, untereinander in Rechtsbeziehungen zu treten. Dabei gilt es, für vereinbarte Leistungen Äquivalenzen herzustellen: Ansprüche zu bekunden, auf die Klärung von Schuldverhältnissen zu dringen etc.
Mit der Einführung von Dienstverträgen auch für das „Gesinde“wurde das Leistungsverständnis um 1900 neu geordnet. Damit trat der (fordernde und gebende) Vater Staat als Verteiler von Leistungen auf den Plan. Indem er Erzeugnisse unter Zollschutz stellte und Steuern einhob, schlüpfte er in die Rolle des Protektors. Er nahm sich des Bildungswesens an. Zugleich wurde er zum Umverteiler, der allzu krasse Auswirkungen der Marktdynamik einhegte. Mit der Leistung von Transferzahlungen wurde eine konkurrenzlustige Auffassung von „Verdienstlichkeit“merklich gebremst.
Über Sinn und Unsinn des Leistungsbegriffs lässt sich nach Lektüre von Nina Verheyens kleiner Monografie Die Erfindung der Leistung trefflich streiten (die Autorin ist Historikerin in Köln). Vom Tisch sein sollten allzu hochtrabende Auffassungen davon, wie etwas zu Leistendes auszusehen habe. Jede individuelle Zuschreibung von Leistung entbehrt nicht des Hintersinns, stets von einem Kollektiv von Juroren zu stammen. Jedes Bewertungskriterium der Welt ist das Ergebnis von Absprachen.
Umgekehrt sollte man nicht ratlosen Lobbyisten die Frage überlassen, was denn nun ihre Leistung gewesen sei. Der Staat ist verpflichtet, seine Angehörigen in den Genuss von Leistungen zu bringen. „Tüchtigkeit“darf dafür keine ideologische Rolle spielen. Nina Verheyen, „Die Erfindung der Leistung“. € 23,70 / 256 Seiten. Hanser, Berlin 2018
WRECHERCHE:
ien hat zwar kein Fotomuseum, aber – was wenigen bekannt sein dürfte – zwei Häuser für Fotografie. Zugegeben, das eine – situiert im einstigen Schlösselkino – ist ein Offspace mit unregelmäßiger Ausstellungstätigkeit. Das andere ist aber eine bekannte Größe: das Kunsthaus Wien.
Nach außen tritt man zwar nicht offensiv als solches auf, aber das könnte sich bald ändern. Bereits in den letzten Jahren hatte man im Kunsthaus den Lichtbildschwerpunkt verstärkt und mit Verena Kaspar-Eisert eine auf Fotografie spezialisierte Kuratorin (einst Galerie Ostlicht) ans Haus gebunden. Nun soll die Marke Fotografie auch offiziell, also vonseiten der Stadt, gestärkt werden.
Wie der STANDARD erfuhr, soll das Kunsthaus künftig auch das Fotofestival der Stadt ausrichten. Der biennal stattfindende „europäische Monat der Fotografie“, der bisher in Wien unter dem Titel „Eyes On“lief und seit 2004 von Thomas Licek organisiert wurde, wird nicht wie ursprünglich geplant diesen November stattfinden, sondern Ende März 2019 zeitgleich mit Paris. Auch die Fördersumme von 200.000 Euro pro Festival fällt damit, sollte der Gemeinderat Ende dieser Woche zustimmen, an das Kunsthaus.
Geplant ist diese Umstrukturierung schon lange. Bereits im Juni des Vorjahres – also zeitgleich zu dem Plädoyer des damaligen Bundesministers Thomas Drozda (SPÖ) für ein Fotomuseum des Bundes – wurde Licek von der Kulturabteilung mitgeteilt, dass das Festival 2018 nicht stattfinden könne und obendrein in Zukunft vom Kunsthaus organisiert werden solle. Inhaltliche Kritik habe es keine gegeben, sagt Licek.
Die Stadt sieht das anders: Man habe sehr wohl inhaltliche Gründe kommuniziert, etwa dass man frischen Wind und Bewegung reinbringen wolle. Nach 14 Jahren sei das „völlig legitim“. Im Kulturstadtratbüro heißt es, das Festival sei inzwischen gut etabliert, aber jetzt solle es auf die nächste Stufe gestellt werden. Daher habe man sich entschlossen, es in die städtische Struktur einzubinden. Auch das Kunsthaus Wien habe sich in den letzten Jahren „toll entwickelt“und als Fotohaus der Stadt Wien etabliert. Mit dieser Erfahrung und Kompetenz solle das Fotofestival sichtbarer und europäischer werden.
Die Position des Kunsthauses wiederum wird dadurch gegenüber privaten Häusern wie Westlicht und Bonartes sowie der Albertina gestärkt. Die Frage, die sich Insider stellen, ist, ob Wien damit in der Standortfrage für ein etwaiges Fotomuseum ausscheidet. Das Büro des Kulturstadtrats verneint, dass die Schärfung des Kunsthaus-Profils in Konkurrenz zu der Idee des Bundes zu sehen sei, ein eigenes Fotomuseum zu errichten.
„Die Standortfrage des Fotomuseums ist derzeit noch offen“, heißt es aus dem Büro von Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP). Man führe Gespräche, sei „in der Sondierungsphase“. Blümel hält viel von der Idee eines Fotomuseums und scheint fest entschlossen, ein solches umzusetzen. Wohl auch als Prestigeerfolg. Denn der Vorwurf von Opposition und Beobachtern, der kulturpolitischen Agenda des Ministers mangele es an Ambition und den vielzitierten „Leuchtturmprojekten“, wiegt schwer.
Bundesmuseum in Salzburg?
Hinter den Kulissen des Kulturministeriums wird freilich schon seit Jahren über ein Fotomuseum nachgedacht. Der Wiener Fotosammler und Gründer der gut besuchten Galerie Westlicht, Peter Coeln, hegt seit längerem den Wunsch, seine Sammlung dem Bund zu schenken, so denn eine eigene Einrichtung dafür geschaffen werden sollte. Operativ beteiligen wolle er sich daran nicht, die Sammlung solle nur „in gute Hände kommen“. Coeln sei sich mit dem früheren Minister Josef Os- termayer (SPÖ) bereits beinahe einig gewesen, ein Standort im Museumsquartier war angedacht. Dann kam die Regierungsumbildung. Und Ostermayers Nachfolger Thomas Drozda (SPÖ) wärmte das Thema wieder auf. Dass der Bund seine über 12.000 Werke zeitgenössischer Fotografie von rund 500 Künstlern nirgends permanent zeigen kann, sei ein Versäumnis, meint dieser – nunmehr in Opposition – auch jetzt noch.
Drozda wollte einen Wettbewerb starten, bei dem sich mögliche Standorte (Wien, Salzburg, Graz, ...) mit ihren Konzepten bewerben hätten sollen. Als heißer Kandidat galt Salzburg, wo im Museum der Moderne wesentliche Bestände der auf viele Institutionen verteilten Bundessammlung lagern. Aus Sicht Blümels wäre der Standort auch im Sinne des Koalitionspakts – wo man festhält, Kultur im ländlichen Raum stärken zu wollen.
Und auch vom gestärkten Salzburger Landeschef Wilfried Haslauer (ÖVP) gibt es nunmehr ein klares Bekenntnis: „Es ist ein Ziel von Landeshauptmann Haslauer, ein Fotomuseum des Bundes nach Salzburg zu holen“, heißt es aus Haslauers Büro zum STANDARD. Man sei mit Bund und „anderen Partnern“in Gesprächen und werde das Thema in die anstehenden Koalitionsverhandlungen tragen.
Peter Coeln sähe die Einrichtung wegen des größeren Einzugsgebiets lieber in Wien. Blümel wolle auch mit ihm noch Gespräche führen, so Coeln. Sabine Breitwieser, Direktorin des Museums der Moderne in Salzburg, hält die Standortdebatte vorerst für nachrangig. Zunächst müsse einmal entschieden werden, „was eine Fotoeinrichtung des Bundes überhaupt leisten soll“. Denkbar sei von einer reinen Forschungseinrichtung bis zum Ausstellungshaus vieles.
Zeit für fokussierte Sondierungen also – in Salzburg wie in Wien.