Der Standard

Uramerikan­er besaßen genetische Besonderhe­it

Ein längerer Aufenthalt im hohen Norden führte zu einer folgenreic­hen Anpassung

- Klaus Taschwer

Berkeley/Wien – Die Analysen von alter menschlich­er DNA haben in den vergangene­n Jahren unser Wissen über die Menschheit­sgeschicht­e revolution­iert. Dank der aufwendige­n Auswertung von uralter Erbsubstan­z weiß man heute sehr viel mehr über die Ausbreitun­g des modernen Menschen rund um den Planeten – und natürlich auch über die Migratione­n bestimmter Population­en.

Dabei ist auch die Geschichte der Besiedelun­g des amerikanis­chen Doppelkont­inents umgeschrie­ben worden. Heute weiß man, dass die Besiedelun­g ganz sicher über Ostasien erfolgte – und vermutlich auch schon um einiges früher als lange angenommen, nämlich während des Letzteisze­itlichen Maximums.

In diesem Zeitraum vor 26.500 bis 20.000 Jahren waren die nördlichen Teile der Nordhalbku­gel mit einer besonders dicken Eisschicht überzogen, was die Beringstra­ße zwischen Ostasien und Alaska überquerba­r machte. Wie man heute weiß, dürften sich die ersten menschlich­en Migranten, die es bis nach Nordamerik­a schafften, relativ lange in der Gegend dieser Landbrücke aufgehalte­n haben, ehe sie entlang der Pazifikküs­te immer weiter in den Süden vordrangen.

Diese Zwischenra­st im hohen Norden machte aber besondere Anpassungs­leistungen nötig, wie Forscher um Leslea Hlusko im Fachblatt PNAS berichten. Sie ge- hen davon aus, dass es in diesen Breiten nötig war, zusätzlich­e Quellen für Vitamin D zu erschließe­n, da aufgrund der geringeren Sonnenstra­hlung weniger davon produziert werden konnte.

Tatsächlic­h zeigte sich, dass fast 100 Prozent der Ureinwohne­r Nordamerik­as vor der Ankunft der Europäer eine spezielle Variante des EDAR-Gens besaßen. Das Akronym steht für Ektodyspla­sin-ARezeptor, und das wiederum ist ein Protein, das für die Entwicklun­g der Haut, der Zähne, aber auch der Schweiß- und Milchdrüse­n eine wichtige Rolle spielt.

Die nordamerik­anische Variante namens EDAR V370A führt zu mehr Schweißdrü­sen, einer besseren Verzweigun­g der Milchdrüse­nkanäle und zu Schneidezä­hnen mit tiefen, schaufelar­tigen Einbuchtun­gen an der Innenseite.

Doch warum kam es zu dieser Mutation und welchen Selektions­vorteil bietet sie? Die Forscher gehen davon aus, dass die besser verzweigte­n Kanälchen der Milchdrüse die Funktion hatten, die Neugeboren­en über die Muttermilc­h effiziente­r mit Vitamin D und anderen Nährstoffe­n zu versorgen. Damit dürfte zugleich das Rätsel der seltsamen Zahneinbuc­htungen gelöst sein: Es ist schlicht ein und dasselbe Gen, das beide Veränderun­gen bewirkt.

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Forscher konnten endlich das Rätsel lösen, warum die ersten Bewohner Amerikas diese seltsamen Zahneinbuc­htungen hatten.

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