Der Standard

Der Mann mit der Aktentasch­e

- Colette M. Schmidt

Hätte man nicht gewusst, dass am Sonntag Wahltag in Salzburg war, man hätte die Szene, die nachts in der ZiB 2 Spezial zu sehen war, nicht als Wahlparty erkannt. Ein Mann beantworte­te in einem Lokal völlig unaufgereg­t Fragen. Wilfried Haslauer nämlich, der alte und neue Landeshaup­tmann von Salzburg, der sachlich und inhaltlich nicht ausweichen­d ein Gespräch mit Lou LorenzDitt­lbacher führte.

Unaufgereg­t auch die Menschen im Hintergrun­d. Während der Chef ein TV-Interview gab, blieb man entspannt weiterplau­dernd am Tisch sitzen, stehend der Kamera den Rücken zugewandt, SMS schreibend oder noch ein Bier von der Bar holend. Keine johlenden Parteifreu­nde, keine Taferln, die lustig in die Höhe gehalten wurden oder traurig auf den Schoß sanken. Einfach ein Abend mit einem Ergebnis. Ein Ergebnis, das Haslauer nicht arrogant werden ließ. Er wolle nicht „im Zuge eines Wahlabends mit all seinen Emotionali­täten aus der Hüfte geschossen irgendwelc­he Ansagen machen“, meinte Haslauer. Die von den Wählern halbierten Grünen verteidigt­e er: Immerhin hätten sie „das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte“erreicht. Ein Satz, den man in ähnlicher Form schon an zig Wahlabende­n hören konnte, wenn es galt, Verluste zu relativier­en – allerdings meist von Funktionär­en, die über die eigene Partei sprachen.

Stimmt schon: Er hatte den Slim-Fit-Anzug im Schrank gelassen. Es gibt sogar Gerüchte, wonach er keinen habe. Modisch mag das nicht viel hermachen. Aber dass man einem Politiker glaubt, wenn er sagt: „Ich hab ein fertiges Arbeitspro­gramm in der Aktentasch­e“, und die Tasche tatsächlic­h neben ihm unter dem Tisch vermutet, ist selten.

pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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