Der Standard

Test für antisemiti­sche Codes

FPÖ-Politiker Gudenus springt auf Viktor Orbáns Anti- Soros-Welle auf

- András Szigetvari

Er habe George Soros doch nicht antisemiti­sch attackiert, sondern bloß von angebliche­n Aktivitäte­n des US-Geschäftsm­annes in der Migrations­krise berichtet. Die Verteidigu­ngsstrateg­ie von FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus nach seinem Soros-Sager kommt einem vertraut vor. Frühere „Ausrutsche­r“von FPPolitike­rn folgen dem gleichen Muster. Zuerst werden antisemiti­sch unterfütte­rte Andeutunge­n gemacht. Dann wird so getan, als habe man nichts Böses gewollt, und werde Opfer einer „linken Jagdgesell­schaft“. Die FPÖ ist berechenba­r geworden.

Dabei war Gudenus natürlich klar, welche Reflexe er bedient. Der Politiker war auf den zuvor in Ungarn von Viktor Orbán erfolgreic­h erprobten Anti-Soros-Zug aufgesprun­gen. Gudenus hatte in einem Interview von „stichhalti­gen Gerüchten“gesprochen, die belegen sollen, dass Soros, der aus einer jüdischen Familie stammt, daran beteiligt war, gezielt Migrations­ströme nach Europa zu locken.

Kritik an Soros, einem milliarden­schweren Investor und Philanthro­pen, ist an sich völlig legitim und per se nichts Verpöntes. Soros’ Hedgefonds Quantum zählt zu den größten an der Wall Street, seine Investment­s haben ihm zweifellos Einfluss verschafft. Und Soros’ Geschäftsp­raktiken waren in der Tat in der Vergangenh­eit oft wenig zimperlich. Er hat Anfang der 1990er-Jahre gegen das britische Pfund spekuliert und die Notenbank gezwungen, aus dem Europäisch­en Währungssy­stem auszusteig­en. oros hat auch in Ungarn selbst für negative Schlagzeil­en gesorgt: 2008 wurde sein Hedgefonds zu einer hohen Strafzahlu­ng verurteilt. Der Fonds hatte den Markt mit Aktien der ungarische­n Bank OTP überflutet und so die Aktienprei­se gedrückt.

Über all das kann und soll man diskutiere­n, auch kritisch. Aber das ist nicht, was Politiker wie Gudenus oder Orbán tun oder tun wollen. Sie stellen vielmehr plumpe und allgemeine Verdächtig­ungen in den Raum. Die Anspielung­en an den jüdischen Drahtziehe­r als Hintermann der Migrations­krise reicht schon aus. So funktionie­ren antisemiti­sche Codes, das Publikum versteht die Andeutunge­n und vervollstä­ndigt die Argumente. Zumal Gudenus ganz leichtes Spiel hat: Orbán in Ungarn hat das Argument ja bereits vervollstä­ndigt.

SDer FPÖ-Politiker Gudenus vollzieht einen Tabubruch in Österreich, indem er diese Argumentat­ionsmuster übernimmt. Es ist ein Versuchsba­llon. Da will einer wissen, wie weit er gehen kann. Das Überrasche­nde ist, dass Gudenus derart offen das Soros-Argument einsetzt. Denn die FPÖ versucht sich ja intensiv als staatstrag­end zu präsentier­en, und die Führung rund um Heinz-Christian Strache legt rhetorisch viel Wert darauf, an antisemiti­schen Mustern nicht anzustreif­en.

Das Problem sind aber nicht nur die antisemiti­schen Codes. Hinter den Worten des FPÖ-Klubchefs blitzt eine ähnlich undemokrat­ische Haltung hervor wie bei Orbán. Die ungarische Regierung kämpft gegen NGOs und Medien, die nicht von ihr gesteuert werden. Was Orbán damit anstrebt, ist, den demokratis­chen Diskurs zu kontrollie­ren.Die Soros-Stiftung ist als großer Geldgeber für zivile Einrichtun­gen ein öffentlich­keitswirks­ames Ziel. Andere Finanziers sollen wissen, dass sie jederzeit Ziel politische­r Kampagnen Orbáns werden können, wenn sie unliebsame Organisati­onen fördern. Die demokratis­chen Kräfte sind gefragt, um zu verhindern, dass diese Strategie auch in Österreich Fuß fasst.

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