Test für antisemitische Codes
FPÖ-Politiker Gudenus springt auf Viktor Orbáns Anti- Soros-Welle auf
Er habe George Soros doch nicht antisemitisch attackiert, sondern bloß von angeblichen Aktivitäten des US-Geschäftsmannes in der Migrationskrise berichtet. Die Verteidigungsstrategie von FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus nach seinem Soros-Sager kommt einem vertraut vor. Frühere „Ausrutscher“von FPPolitikern folgen dem gleichen Muster. Zuerst werden antisemitisch unterfütterte Andeutungen gemacht. Dann wird so getan, als habe man nichts Böses gewollt, und werde Opfer einer „linken Jagdgesellschaft“. Die FPÖ ist berechenbar geworden.
Dabei war Gudenus natürlich klar, welche Reflexe er bedient. Der Politiker war auf den zuvor in Ungarn von Viktor Orbán erfolgreich erprobten Anti-Soros-Zug aufgesprungen. Gudenus hatte in einem Interview von „stichhaltigen Gerüchten“gesprochen, die belegen sollen, dass Soros, der aus einer jüdischen Familie stammt, daran beteiligt war, gezielt Migrationsströme nach Europa zu locken.
Kritik an Soros, einem milliardenschweren Investor und Philanthropen, ist an sich völlig legitim und per se nichts Verpöntes. Soros’ Hedgefonds Quantum zählt zu den größten an der Wall Street, seine Investments haben ihm zweifellos Einfluss verschafft. Und Soros’ Geschäftspraktiken waren in der Tat in der Vergangenheit oft wenig zimperlich. Er hat Anfang der 1990er-Jahre gegen das britische Pfund spekuliert und die Notenbank gezwungen, aus dem Europäischen Währungssystem auszusteigen. oros hat auch in Ungarn selbst für negative Schlagzeilen gesorgt: 2008 wurde sein Hedgefonds zu einer hohen Strafzahlung verurteilt. Der Fonds hatte den Markt mit Aktien der ungarischen Bank OTP überflutet und so die Aktienpreise gedrückt.
Über all das kann und soll man diskutieren, auch kritisch. Aber das ist nicht, was Politiker wie Gudenus oder Orbán tun oder tun wollen. Sie stellen vielmehr plumpe und allgemeine Verdächtigungen in den Raum. Die Anspielungen an den jüdischen Drahtzieher als Hintermann der Migrationskrise reicht schon aus. So funktionieren antisemitische Codes, das Publikum versteht die Andeutungen und vervollständigt die Argumente. Zumal Gudenus ganz leichtes Spiel hat: Orbán in Ungarn hat das Argument ja bereits vervollständigt.
SDer FPÖ-Politiker Gudenus vollzieht einen Tabubruch in Österreich, indem er diese Argumentationsmuster übernimmt. Es ist ein Versuchsballon. Da will einer wissen, wie weit er gehen kann. Das Überraschende ist, dass Gudenus derart offen das Soros-Argument einsetzt. Denn die FPÖ versucht sich ja intensiv als staatstragend zu präsentieren, und die Führung rund um Heinz-Christian Strache legt rhetorisch viel Wert darauf, an antisemitischen Mustern nicht anzustreifen.
Das Problem sind aber nicht nur die antisemitischen Codes. Hinter den Worten des FPÖ-Klubchefs blitzt eine ähnlich undemokratische Haltung hervor wie bei Orbán. Die ungarische Regierung kämpft gegen NGOs und Medien, die nicht von ihr gesteuert werden. Was Orbán damit anstrebt, ist, den demokratischen Diskurs zu kontrollieren.Die Soros-Stiftung ist als großer Geldgeber für zivile Einrichtungen ein öffentlichkeitswirksames Ziel. Andere Finanziers sollen wissen, dass sie jederzeit Ziel politischer Kampagnen Orbáns werden können, wenn sie unliebsame Organisationen fördern. Die demokratischen Kräfte sind gefragt, um zu verhindern, dass diese Strategie auch in Österreich Fuß fasst.