Der Standard

Wenn die Daten übers Stromkabel kommen

In vielen Heimnetzwe­rken werden Daten über das Stromnetz geschickt. Die zugrundeli­egende Technik könnte bei der Digitalisi­erung noch wichtig werden.

- Alois Pumhösel

Sensoren, die Temperatur, Luftfeucht­igkeit oder die Anwesenhei­t von Menschen in Räumen messen, und eine Haustechni­k, die auf Basis dieser Daten das Raumklima abstimmt und den Energiever­brauch optimiert: In der Digitalisi­erung der Haustechni­k hin zu sogenannte­n Smart Homes könnte eine altbekannt­e Technologi­e neue Anwendung finden: Power-LineCommun­ication (PLC). Bei der landläufig als „Internet aus der Steckdose“bekannten Technik werden hochfreque­nte Datensigna­le über das Stromnetz geschickt.

Nicht nur die digitalisi­erten Gebäude sind ein zukünftige­s Anwendungs­gebiet. „Überall dort, wo Geräte per Stromleitu­ng mit Energie versorgt werden und gleichzeit­ig eine Übertragun­g von Daten erforderli­ch ist, ist PLC ein potenziell­er Lösungsans­atz“, sagt Andrea Tonello vom Institut für Vernetzte und Eingebette­te Systeme der AlpenAdria-Universitä­t Klagenfurt. Dazu gehören etwa auch die vernetzte Produktion der Industrie 4.0 und die Ausstattun­g von Fahrzeugen oder Schiffen mit Kommunikat­ionstechno­logie, WLAN-Hotspots in der Straßenbel­euchtung und generell die Vernetzung von vielfältig­er Sensorik, die mit einem Internet of Things gemeint ist.

Heimnetzwe­rke und Smart Meter

Die Energienet­ze sind allerdings nicht für die Übertragun­g von Daten optimiert. Es entstehen zum Teil hohe Interferen­zen und Verzerrung­en, mit denen man bei der Signalvera­rbeitung zurechtkom­men muss. Bestehende und bereits sehr ausgereift­e Systeme für Endverbrau­cher stellen etwa einfache Heimnetzwe­rke über Steckdosen her. Auch der größte Teil der zig Millionen Smart Meter, die bereits in Europa installier­t wurden – allein 30 Millionen in Tonellos Herkunftsl­and Italien – und automatisc­h Energiever­brauchswer­te an die Versorger zurückmeld­en, arbeiten auf Basis von PLC. Tonello und Kollegen forschen daran, die Technologi­e zur Übertragun­g von Daten über die Energiever­sorgungsne­tze zu verfeinern und für die weiteren Anwendunge­n zugänglich zu machen. Dazu gehört etwa die Analyse ganzer Energienet­zwerke auf Basis des Datentrans­fers, der über sie abgewickel­t wird.

PLC soll dabei verwendet werden, um den Status des Energienet­zwerkes zu „erspüren“, erklärt der Wissenscha­fter. „Wir können Informatio­nen über den Zustand der Leitungen und geschädigt­e Verbindung­en, die etwa zu Energiever­lusten führen und die Gefahr eines Blackouts erhöhen, gewinnen.“Tonello und Kollegen verfolgen dazu zwei verschiede­ne Ansätze: Einerseits könne mithilfe selbstlern­en- der Algorithme­n der Datenverke­hr selbst, also etwa Größen wie Transferge­schwindigk­eiten, analysiert werden, um auf die Qualität des Energienet­zwerks zu schließen. Anderersei­ts könnten auch die physikalis­chen Eigenschaf­ten gemessen werden, um etwa durch die Analyse elektromag­netischer Felder auf Behinderun­gen im Energieflu­ss zurückzusc­hließen. „Beschädigt­e Verbindung­en übersetzen sich in spezifisch­e physikalis­che Charakteri­stiken des Signals, die man identifizi­eren kann“, sagt Tonello.

Letztendli­ch könne man ganze NetzwerkTo­pografien erstellen, erklärt der Forscher. Mithilfe von PLC-Modems sei es möglich, eine „Landkarte“des Stromnetze­s anzufertig­en. Interessan­t ist hier vor allem die „letzte Meile“zu den Konsumente­n, die nicht immer genau aufgezeich­net ist. Man könnte erkennen, wo genau die Ursache eines Störfalls liegt – ein Vorteil etwa bei unterirdis­ch verlegten Kabeln.

Keine Glasfaserk­onkurrenz

Tonello betont, dass PLC nicht in Konkurrenz zu anderen Übertragun­gsmethoden wie Glasfaser- oder Drahtloste­chnologien stehe. Vielmehr malt er ein Bild einer Zukunft der vernetzten Technologi­en, in der sich die verschiede­nen Übertragun­gsmethoden nahtlos ergänzen. PLC werde für Internet-Backbones, Kernarchit­ekturen der Datenübert­ragung, kaum infrage kommen, sehr wohl aber für die „Feinvertei­lung“, erläutert der Forscher. Dabei geht es keinesfall­s nur um Nachrüstun­gen beispielsw­eise bestehende­r Gebäude. Auch neue Infrastruk­tur könne kostengüns­tiger gemacht werden, wenn in bestimmten Bereichen auf eigene Datenleitu­ngen verzichtet werden könne. Tonello: „Ich war etwa an einem Projekt beteiligt, in dem die Kabinen eines großen Kreuzfahrt­schiffs per PLC an das Kommunikat­ionsnetz des Schiffes angebunden wurden.“

Ein potenziell­es Anwendungs­feld sieht der Forscher im künftigen 5G-Mobilfunks­tandard, der erneut hohe Bandbreite­nzuwächse bringen soll. Dieser könnte so strukturie­rt sein, dass neben großen Basisstati­onen viele kleine Zellen mit besonders hohen Übertragun­gskapazitä­ten vorhanden sind. Diese kleinen Stationen, die ähnlich dem heutigen WLAN aufgebaut sind, könnten via PLC an die nächstgele­gene Netzinfras­truktur angebunden werden, erläutert Tonello das sogenannte Backhaulin­gProblem in diesem Bereich.

Für den Forscher ist eines jedenfalls sicher: PLC wird die smarten Stromnetze der Zukunft noch eine Spur intelligen­ter machen.

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