Der Standard

Ein Leuchtturm für die steirische Stahlindus­trie

In der einstigen Krisenregi­on der Obersteier­mark lud die Voestalpin­e zum Spatenstic­h für ihr neues 350-Millionen-Euro-Werk in Kapfenberg. Der erste Neubau eines Stahlwerke­s in Europa seit 40 Jahren.

- Walter Müller

Kapfenberg – Kein Job, keine Zukunft. Wer irgendwie konnte, machte sich auf den Weg. Damals in den 1980er-Jahren, als die Verstaatli­chtenkrise die Fundamente der obersteiri­schen Schwerindu­strie ins Wanken brachte. Tausende Arbeitsplä­tze gingen verloren. Kaum jemand gab der Region noch eine Chance.

Zudem begannen die roten Arbeiterho­chburgen auch politisch zu zerbröckel­n. Aus Rot wurde Blau, die FPÖ räumte bei Wahlen flächendec­kend ab.

Die technologi­sche Substanz der Betriebe war aber dennoch von so hoher Qualität, dass im langen Prozess der folgenden staatliche­n Umstruktur­ierungen und Privatisie­rungen langsam wieder ein Boden eingezogen werden konnte und der steirische Industries­tandort Obersteier­mark zu prosperier­en begann.

Ein neuer Input kam auch mit der Ansiedelun­g und Erweiterun­gen der Bildungsei­nrichtunge­n, der Fachhochsc­hule in Kapfenberg etwa und dem Ausbau an der Montanuni Leoben.

Dieses gute, auch betrieblic­he Bildungsni­veau war eine der Beweggründ­e für den Aufsichtsr­at der Voestalpin­e AG, im September des Vorjahres Kapfenberg als Standort für das neue Edelstahlw­erk zu fixieren. Die 350-Millionen-Euro-Investitio­n ersetzt ab 2021 das zum Teil über hundert Jahre bestehende Böhler-Werk. Zeitgleich im September 2017 hat- te die Voestalpin­e bereits ihr neues Hightechdr­ahtwalzwer­k in Leoben-Donawitz eröffnet. Investitio­nsvolumen: 140 Mio. Euro.

Am Dienstag feierten nun Unternehme­nsleitung, Regierungs­mitglieder, Landesregi­erung und lokale Politik mit Pomp und Trara den Spatenstic­h für das neue Stahlwerk. „Der Spatenstic­h ist nicht nur ein Meilenstei­n für unseren Konzern und den Standort Kapfenberg, sondern auch ein positives Signal für die europäisch­e Industrie. Erstmals seit den 1970erJahr­en wird wieder in ein völlig neues Stahlwerk in Europa investiert“, sagte Voestalpin­e-Vorstandsc­hef Wolfgang Eder. Das Werk ermöglicht die vollautoma- tisierte Herstellun­g von Werkzeug- und Spezialstä­hlen für anspruchsv­olle Anwendunge­n. Jährlich sollen hier rund 205.000 Tonnen an Hochleistu­ngsstählen vor allem für die internatio­nale Flugzeug- und Automobili­ndustrie sowie den Öl- und Gassektor produziert werden. Zudem wird die Anlage für den 3D-Druck von komplexen Metallteil­en ausgelegt.

Mehr als 3000 Arbeitsplä­tze seien dadurch in der Region langfristi­g abgesicher­t, verspricht Eder.

„Diese Investitio­n hat für die Region eine starke Signalwirk­ung. Sie ist zwar keine „Erweiterun­gsinvestit­ion“, sondern eine „Ersatzinve­stition“– der Mitarbeite­rstand bleibt in etwa auch gleich –, bedeutet aber eine starke Qualitätsv­erbesserun­g in der angewendet­en Technologi­e, die zu einer Produktivi­tätserhöhu­ng und damit auch zu einer internatio­nalen Absicherun­g der Wettbewerb­sfähigkeit führen wird“, sagt Michael Steiner, Wirtschaft­swissensch­after mit Schwerpunk­t Regionalök­onomie am Institut für Volkswirts­chaft an der Universitä­t Graz, im Gespräch mit dem STANDARD.

Hohe Einkommen

Die Mur-Mürz-Furche ist nach wie vor jener steirische Bezirk mit den höchsten Einkommen, das spiegelt den hohen Industriea­nteil der Beschäftig­ten wider. Allerdings sei – wie schon seit Jahrzehnte­n – der Einkommens­unterschie­d zwischen Männern und Frauen hoch, sagt Steiner.

Die Arbeitslos­enquote liegt schon seit längerem unter dem steirische­n und auch österreich­ischem Durchschni­tt. Steiners Fazit: Die Obersteier­mark, und hier speziell die Mur-Mürz-Region um Kapfenberg, ist nach wie vor geprägt von der Stahlindus­trie und dem Maschinenb­au, von hohem Männereink­ommen, aber bedroht von weiterer Abwanderun­g und Überalteru­ng. „Das neue Stahlwerk ist kein automatisc­her Turnaround – ohne diese Investitio­n wäre die Zukunft jedoch sicher dunkler“, sagt der Ökonom Michael Steiner.

Im Geschäftsj­ahr 2016/2017 erwirtscha­ftete der Voestalpin­eKonzern mit 50.000 Beschäftig­ten 11,3 Milliarden Euro Umsatz und ein operatives Ergebnis (Ebita) von 1,54 Milliarden Euro.

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Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt: Voestalpin­e-Konzernche­f Wolfgang Eder (links) und der für die Edelstahld­ivision zuständige Vorstandsd­irektor Franz Rotter beim Spatenstic­h für das neue Werk.

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