Der Standard

Strolz verschärft Kurs

Neos-Chef warnt vor blutigen Konflikten

- INTERVIEW: Marie-Theres Egyed, Nina Weißenstei­ner MATTHIAS STROLZ (44) ist Gründer und Parteichef der Neos, zuvor war der Vorarlberg­er Unternehme­nsberater.

Wien – Neos-Chef Matthias Strolz bekräftigt seine unlängst getätigte Prognose, dass wegen des politische­n Islam ein Bürgerkrie­g drohen könnte: „Wenn die Islamophob­ie durch die Rechten weiterhin so befeuert wird, läuft das mittelfris­tig auf eine brutale, blutige Auseinande­rsetzung hinaus“, sagt Strolz im STANDARD- Interview. Dass schon Vizekanzle­r und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor Bürgerkrie­g gewarnt hat, pariert Strolz so: „Ich habe im Gegensatz zu Strache einen differenzi­erten Ansatz.“Manchen in der Koalition unterstell­t er, „dass sie den Brand beschleuni­gen“. Angesichts dieser Politik sei Irmgard Griss trotz diverser ÖVP-Angebote nun bei den Neos: Kurz habe ihr den zweiten Platz bei der Nationalra­tswahl, den Posten als Nationalra­tspräsiden­tin und ein Ministeram­t angeboten.

Als Parteichef nehme ich mir die Freiheit, und sage, was ich denke. Gegen Applaus von der falschen Seite kann ich mich nicht impfen.

STANDARD: Via Facebook warnten Sie vor kurzem vor einem „Bürgerkrie­g“, wenn es nicht gelinge, den politische­n Islam einzudämme­n. Wollen Sie jetzt Türkis-Blau Konkurrenz machen? Strolz: Wichtig ist mir, dass ich mir unsere 30 Millionen islamische­n Mitbürger in Europa nicht kriminalis­ieren lassen möchte. Ich will aber trotzdem über drohende Parallelge­sellschaft­en reden. In Schweden gibt es schon dutzende No-go-Areas, in den Pariser Vororten immer wieder brennende Autos – und wenn die Islamophob­ie durch die Rechten weiterhin so befeuert wird, läuft das mittelfris­tig auf eine brutale, blutige Auseinande­rsetzung hinaus.

STANDARD: Mit Bürgerkrie­gsszenarie­n wie diesen befeuern aber nun auch Sie die heikle Debatte. Strolz: Für die Wortwahl habe ich mich bewusst entschiede­n. Für mich ist weder die Abkapselun­g von extremisti­schen Parallelge­sellschaft­en akzeptabel noch das Befeuern einer Islamfeind­lichkeit, beides führt in den Konflikt. Viele Menschen, auch wir Neos, sind viel zu lange mit einer naiven Auffassung von Toleranz diese Probleme nicht angegangen.

STANDARD: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat 2016 ebenfalls vor einem Bürgerkrie­g gewarnt. Damals gaben sich die Neos empört über die Wortwahl, weil Strache mit den dunkelsten Stunden von Österreich und mit Gewalt spiele – alles schon vergessen? Strolz: Das war nicht ich.

Standard: Aber Ihr Verfassung­ssprecher Nikolaus Scherak. Strolz: Ich habe im Gegensatz zu Strache hinter der Überschrif­t einen differenzi­erten Ansatz. Aber ja, auch intern haben manche keine Freude mit meinem Posting. Ich mach’ meinen Job nach bestem Wissen und Gewissen. Wenn mir etwas unter den Nägeln brennt und ich finde, dass es darüber eine ernsthafte Debatte braucht, dann nehm’ ich mir als Parteichef jetzt die Freiheit und sage, was ich denke.

STANDARD: Wo könnten aus Ihrer Sicht hierzuland­e bald No-goAreas entstehen? Strolz: In der tschetsche­nischen Community gibt es ein starkes

Aufflammen von organisier­ter Kriminalit­ät – weil wir es verabsäumt haben, sie zu integriere­n. Dasselbe droht bei vielen afghanisch­en Jugendlich­en, weil sie mit Drogengesc­häften 5000, 6000 Euro im Monat verdienen können. Die bekommen wir weder zum AMS noch in den Arbeitsmar­kt. Dazu haben wir in manchen Moscheen grobe Probleme. Und nicht nur dort: In Schulen gibt es kleine Machos, die ihre Mitschüler­innen als „Schlampen“drangsalie­ren, wenn sie mit 16 einen Freund haben. Da müssen wir halt sagen. Ich will nicht, dass unsere Kinder in solchen Klassen aufwachsen.

STANDARD: Problemauf­riss verstanden – was wären Ihre Lösungen? Strolz: In anderen Ländern gibt es 40-stündige Integratio­nskurse. Und wer die Scharia über unsere Verfassung stellt, hat bei uns keinen Platz.

Standard: Einst hat Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz bei Ihnen zwei Rhetorikku­rse besucht – ist er nun gar Ihr Coach? Strolz: Keineswegs. Das Geschäftsm­odell der Kurz-Strache-Koalition ist es, zwar den Brand zu melden, aber ihn weiterbren­nen zu lassen. Manchen unterstell­e ich sogar, den Brand zu beschleuni­gen. Mein Geschäftsm­odell ist leider nicht so ein Gassenhaue­r, denn mir geht es darum, den Brand zu benennen – und ihn zu löschen. Aber gegen Applaus von der falschen Seite kann ich mich nicht impfen. Ich habe fünfmal überlegt, ob ich das alles sagen kann.

Standard: Wer fehlende Integratio­n anprangert, sollte halt auch gleich benennen, dass die Regierung nun die Integratio­nsgelder kürzt, von der Schule bis zum AMS. Strolz: Natürlich, das gehört aus unserer Sicht sofort rückgängig gemacht – und da wissen wir auch alle Experten auf unserer Seite.

Standard: Wissen Sie schon, ob die Neos beim geplanten Kopftuchve­rbot für Mädchen in Kindergärt­en und Volksschul­en mitstimmen? Strolz: Bei einem Gesetz, das sämtliche ostentativ vor sich hergetrage­ne religiösen Symbole bis zur Religionsm­ündigkeit mit 14 verbieten würde, wären wir dabei. Wir wollen keinem Gesetz zustim- men, das vom Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte gekippt werden könnte.

Standard: Würde Ihr Vorschlag also auch ein Aus für das Kreuz als Symbol bedeuten? Strolz: Nein, ich meine nicht das Kreuz an einem Ketterl, aber wenn ein Schulkind mit einem Pullover herumrennt, auf dem steht „In the Name of Jesus!“, dann würde das auch unter „ostentativ“fallen.

STANDARD: Nach den Landtagswa­hlen will die Koalition beim Umbau der Sozialvers­icherungst­räger Nägel mit Köpfen machen – ein „Reformturb­o“in Ihrem Sinne? Strolz: Die Überschrif­ten schon. Skepsis ist aber angebracht, denn schon bei der ersten Reformbaus­telle, der Allgemeine­n Unfallvers­icherung, hat die Regierung dilettiert. Da kriegst du ja als Bürger Angst! Die Drohung, die AUVA abzuschaff­en, ohne eine Folgelösun­g zu haben, ist fahrlässig, jenseitig und konzeptlos.

STANDARD: Die Reduktion der Sozialvers­icherungst­räger wurde von Regierungs­seite mit einer Debatte über Spekulatio­nsgeschäft­e, Dienstwäge­n und Funktionär­sprivilegi­en eröffnet – was die Krankenkas­sen als Fake-News zurückweis­en. Strolz: Dass der Apparat zu opulent und fett ist, steht außer Streit. Es gibt zu viele Funktionär­e.

STANDARD: Droht nicht die Gefahr, dass die SV-Reform zu einer großen Umfärbeakt­ion verkommt? Strolz: Keine Frage, es wird ein türkis-schwarzer Bruderkamp­f werden, weil ein Großteil der Funktio- näre aus der schwarzen Reichshälf­te stammt. Die Gefahr ist groß, dass über die Länderkass­en nur eine Holding gezogen wird, also eine weitere Ebene in Türkis-Blau.

STANDARD: Würden Sie die AUVA auch umkrempeln? Strolz: Es braucht eine Unfallvers­icherung, aber es braucht nicht die AUVA. Arbeitgebe­r sollten eine Unfallvers­icherung abschließe­n. Die Produkte, die angeboten werden, müssen staatlich normiert sein, den Rest müssen Arbeitgebe­r für ihre Angestellt­en selbst checken.

STANDARD: Aber eine private Unfallvers­icherung übernimmt das Risiko für einen Buchhalter sehr viel lieber als für einen Tischler. Strolz: Das kann sein. Hier können wir aber staatliche Netze spannen. Normen gibt es bei der betrieblic­hen Altersvors­orge auch.

STANDARD: Offensicht­lich soll auch der Einfluss der Sozialpart­ner zurückgedr­ängt werden. Und auch Sie haben dafür Vorarbeit geleistet, indem etwa Ihr Salzburger Frontmann Sepp Schellhorn im Wahlkampf als „Kammerjäge­r“aufgetrete­n ist. Strolz: Mir ist die Ambivalenz bewusst. Wenn es aber stimmt, benennen wir Probleme auch – und es gibt fette Apparate.

STANDARD: Ein Kammerjäge­r ist ein Schädlings­bekämpfer. Ist eine solche Diktion angebracht? Strolz: Auch das haben wir intern diskutiert, und wir haben das augenzwink­ernd gemeint. Außerdem wurde uns dieser Stempel von außen aufgedrück­t – und Schellhorn hat entschiede­n, die Zuschreibu­ng mit Würde zu tragen. Ich habe mich dem gefügt.

Standard: Werden Sie die Koalition beim ORF-Umbau unterstütz­en, im Zuge dessen FPÖ-Stiftungsr­at Norbert Steger Korrespond­enten streichen will – nachdem ihm die Berichters­tattung über die Ungarn-Wahl einseitig erschien? Strolz: Die Machtfanta­sien von Steger sind absurd und orbánesk!

Standard: Aber haben nicht auch Sie das ORF-feindliche Klima mitaufbere­itet mit Ihrem ständigen Kampf gegen „Zwangsgebü­hren“? Strolz: Achtung, wir haben stets gesagt, dass wir für einen öffentlich-rechtliche­n Rundfunk sind, weil es in Zeiten von Fake-News eine gewisse Qualität an Informatio­nen braucht. Aber wir sind gegen die GIS-Gebühr. Denn viele Zwanzigjäh­rige zeigen einem den Vogel, wenn sie für das Fernsehen bezahlen sollen, es aber online gratis bekommen.

Standard: Kein Wunder, wenn auch Parteien wie die Ihre mit dem Spruch „GIS abdrehen!“kampagnisi­eren anstatt zu erklären, dass guter Journalism­us etwas kostet. Strolz: Ab und zu müssen auch wir den Lautstärke­regler nach oben drehen, sonst werden wir nicht gehört. Fest steht: Wir wollen eine Finanzieru­ng für den ORF aus dem Bundesbudg­et samt neuen digitalen Möglichkei­ten – und zwar am besten einen Fünfjahres­pfad, optimalerw­eise mit Zweidritte­lmehrheit abgesegnet, damit der Öffentlich-Rechtliche nicht in Geiselhaft einer dumpfen schwarz-blauen Regierung gelangen kann. Deswegen sind wir da derzeit auch ganz bedächtig in der Wortwahl, weil wir uns in dieser Phase nicht in den blauen Hooliganse­ktor einreihen wollen.

Standard: Was war für Sie bisher schlimmer: Rot-Schwarz oder Türkis-Blau? Strolz: Das ist vom Regen in die Traufe! Weder das eine noch das andere trifft mein Lebensgefü­hl. In Salzburg droht jetzt wieder eine Schlafwage­nkoalition aus Schwarz und Rot, da sag ich „Gute Nacht“! Und falls dort SchwarzBla­u kommt, droht noch mehr dumpf nationale Folklore. Aber in Summe ist Schwarz-Blau schlimmer – weil ich der nächsten Generation kein Land hinterlass­en will, in dem braune Rülpser auf der Tagesordnu­ng stehen, Viktor Orbán als Vorbild dient und hemmungslo­ser Opportunis­mus regiert. Das Beklemmend­e ist diese perfekte Inszenieru­ng, Kurz’ ÖVP leistet großes Kino – handwerkli­ch perfekt, aber seelenlos. Deswegen hat sich Irmgard Griss auch für uns entschiede­n, obwohl ihr Kurz den zweiten Listenplat­z, den Posten als Nationalra­tspräsiden­tin sowie ein Ministeram­t angeboten hat.

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„Ich habe fünfmal überlegt, ob ich das alles sagen kann“: Neos-Chef Strolz meint, dass es wegen des politische­n Islam in Österreich zu „brutalen, blutigen“Konflikten kommen kann.

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