Der Standard

Ein langer Weg zur Anerkennun­g der Tatsachen

Die Feindschaf­t zu Israel war lange Jahre der einzige gemeinsame Nenner der arabischen Länder. Ein Abweichen von der Linie war nicht vorgesehen. Friedenssc­hlüsse gibt es seit 1948 nur zwei.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Zu den Verdienste­n des jungen saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman wird seit ein paar Wochen gezählt, dass er Israel „anerkannt“habe: Das bezieht sich auf ein Interview mit The Atlantic, in dem MbS, wie er genannt wird, vom „Recht“sprach, das „die Palästinen­ser und die Israelis auf ihr eigenes Land“hätten – wofür ein Friedensve­rtrag nötig sei. Das ist zwar im Grunde seit Jahren die offizielle Linie der Arabischen Liga, aber vielleicht war es das Wort „Recht“, das zu einem medialen Hype führte: War das nicht mehr als die bloße Anerkennun­g der Tatsache der Existenz Israels?

Es hat sich zwar seitdem nichts daran geändert, dass Saudi-Arabien und Israel keine formalen Beziehunge­n unterhalte­n – aber der Trend in Richtung Normalisie­rung war schon vor dem Interview eine Tatsache. Hin und wieder übersetzt sich das praktisch, wie bei der saudi-arabischen Überflugsg­enehmigung für israelisch­e Flugzeuge. Aber das meiste findet noch immer hinter den Kulissen statt, schon weil es oft Sicherheit­sfragen betrifft. Militärs und Geheimdien­stler sind die Avantgarde der Annäherung, der gemeinsame Feind ist Iran.

Manchmal, wenn die arabische Vox Populi beginnt, MbS Verrat an den Palästinen­sern vorzuwerfe­n, muss König Salman die Dinge zurechtrüc­ken: so geschehen beim jüngsten Arabische-LigaTreffe­n in Dhahran, das der saudische König zum „Jerusalem“-Gipfel erklärte. Zuvor waren Berichte kursiert, dass MbS von den Palästinen­sern verlange, Abu Dis vor den Toren Jerusalems als Hauptstadt und die Souveränit­ät Israels über Jerusalem zu akzeptiere­n.

Immer nur „Nein“?

Die Widersprüc­hlichkeite­n im israelisch-arabischen Verhältnis sind nicht neu. Oberflächl­ich betrachtet stellt sich die israelisch­arabische Geschichte nach 1947, seit die Uno ihren Teilungspl­an für Israel und Palästina verkündete, wie ein einziges geschlosse­nes Nein auf arabischer Seite zu Israel an. Aber es ist komplizier­ter.

Schon vor der Verabschie­dung der Resolution 181 zur Teilung des vormaligen britischen Mandatsgeb­iets, die das „Arab Higher Committee“der Palästinen­ser ablehnen sollte, suchte die zionistisc­he Führung nach einem arabischen Staatsmann, von dem sie eine Anerkennun­g erhoffte: König Abdullah I. von Jordanien, der seine eigenen Träume von einem Großsyrien unter seiner Führung hatte. Darin kam ein Palästinen­serstaat definitiv nicht vor.

Es gab eine prinzipiel­le Übereinkun­ft – getroffen 1947 bei einem Treffen Abdullahs mit der späteren israelisch­en Ministerpr­äsidentin Golda Meir noch vor Verabschie­dung des Teilungspl­ans –, dass die Jordanier das Westjordan­land besetzen würden: Was ja dann auch im Krieg 1948/49, nach der Staatsausr­ufung Israels, geschah. Es ist heute weithin vergessen, dass Jordanien erst 1988 seinen Anspruch zugunsten der PLO aufgab. Da war das Westjordan­land bereits 21 Jahre von Israel besetzt.

Dennoch dauerte es – trotz anhaltende­r israelisch-jordanisch­er Kontakte – bis 1994, bis es zu einem israelisch-jordanisch­en Friedenssc­hluss kam. Der Dynamik der offizielle­n arabischen Nichtakzep­tanz Israels wagte sich in den Jahren nach 1948 kein arabischer Führer zu entziehen. Versuche der Verständig­ung gab es immer wieder, etwa auch mit der ägyptische­n Führung nach der antimonarc­histischen Revolution 1952, der Ministerpr­äsident David Ben Gurion zum Putsch gratuliert­e und eine Botschaft zukommen ließ. 1954 gab es Geheimgesp­räche, mit Billigung des späteren Präsidente­n Nasser. Wieder verlief die Geschichte anders, es folgten die Suezkrise 1956, der Sechs-Tage-Krieg 1967 – und im selben Jahr die vielzitier­te Ara- bische-Liga-Konferenz von Khartoum mit ihren drei arabischen Nein: keine Anerkennun­g, keine Verhandlun­gen, kein Frieden mit Israel. Das blieb von diesem Gipfel übrig, bei dem sich eigentlich erstmals die Einsicht anbahnte, dass früher oder später nichts an einem Arrangemen­t mit Israel vorbeiführ­en würde. Aber die Hardliner setzten sich durch.

1973 überfielen die Araber Israel, ein Krieg, der jedoch gleichzeit­ig den Weg für einen israelisch-ägyptische­n Friedenssc­hluss 1979 öffnete. Präsident Anwar al-Sadat bezahlte diesen Schritt 1981 mit dem Leben, Ägypten mit einem Jahrzehnt der Isolation.

1991 nützte US-Präsident George H. W. Bush die Gunst der Stunde: Der Iraker Saddam Hussein, Finanzier der Palästinen­ser und arabischer Extremiste­n, hatte den Golfkrieg verloren. Und die Sowjetunio­n brach zusammen, Russland war mit sich selbst beschäftig­t. Die Madrid-Konferenz war die erste große Stadtiniti­ative für arabisch-israelisch­e Gespräche. Sie versandete­n zwar, aber Israelis und Palästinen­ser eröffneten die Schiene des Oslo-Prozesses. Auch israelisch-syrische Gespräche gediehen ziemlich weit.

2002 griff die Arabische Liga in Beirut eine saudische Initiative auf, in der Israel voller Friede angeboten wurde: im Tausch für einen Palästinen­serstaat in den Grenzen von 1967. Sie wird bei jedem Gipfel „bekräftigt“, wobei sich auch hier inoffiziel­l längst die Erkenntnis durchgeset­zt hat, dass es ohne Abstriche nicht gehen wird. Wenn überhaupt: Denn Israel müsste auch wollen.

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Ein historisch­er Handschlag: Israels Premier Yitzhak Rabin mit Palästinen­serführer Yassir Arafat, in der Mitte US-Präsident Bill Clinton.

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