Der Standard

Hoffnung in Zeiten der Hängeparti­e

Fast zwei Monate sind seit den Wahlen vergangen, und noch immer hat Italien keine Regierung. Was zieht das Ganze in die Länge und warum sieht das derzeitige Szenario nun wieder ganz anders aus als das ursprüngli­che?

- Anna Giulia Fink

Italiens Präsident hat bereits aufgegeben, die Senatsvors­itzende scheiterte ebenfalls, und der Präsident der Abgeordnet­enkammer hoffte bis zuletzt auf mehr Zeit: Am Donnerstag arbeitete Roberto Fico auf eine Fristverlä­ngerung hin, um die Chancen auf eine Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Demokratis­cher Partei (PD, Partito Democratic­o) auszuloten. Bald werden es zwei Monate sein, seitdem die Parlaments­wahlen am 4. März geschlagen wurden. Noch immer bleibt unklar, wer das Land regieren wird.

Frage: Was macht die Regierungs­bildung eigentlich so komplizier­t? Antwort: Dass keine Partei eine Mehrheit erhalten hat. Die Fünf Sterne gingen als stärkste Einzelpart­ei aus den Wahlen hervor, ihr fehlt allerdings ein Partner zum Regieren. Und auch die Rechtsalli­anz, die als Bündnis die meisten FRAGE & ANTWORT:

Stimmen erzielte, ist gezwungen, eine Koalition einzugehen. Klar verloren hat der PD (17 Prozent).

Frage: Und wieso ist der PD jetzt plötzlich doch im Gespräch? Antwort: Wäre es nach den Fünf Sternen gegangen, dann hätten sie von Beginn an mit dem PD gesprochen. Sterne-Frontmann Luigi Di Maio machte bereits vor den Wahlen klar, dass die von ihm favorisier­te Koalition eine mit der Demokratis­chen Partei wäre. Diese jedoch hat angekündig­t, aufgrund des mageren Wahlergebn­isses in Opposition zu gehen. Außerdem erteilte die Mitte-links-Partei den Fünf Sternen von Anfang an eine Abfuhr. Allen voran sträubte sich der inzwischen zurückgetr­etene PD-Chef Matteo Renzi.

Frage: Und was ist jetzt anders? Antwort: Zahlreiche PDler laufen zwar Sturm gegen ein solches Vor- haben. Auch Interimsch­ef Maurizio Martina räumte am Donnerstag ein, dass es große Differenze­n zwischen den beiden Parteien gebe. Er kündigte dennoch an, Italien „in einer heiklen Phase seiner Geschichte helfen“zu wollen, und fixierte für den 3. Mai eine Gremiumssi­tzung, in dem der PD über Regierungs­gespräche mit den Fünf Sternen entscheide­n soll.

Frage: Wieso koalieren nicht stärkste Partei und stärkstes Bündnis? Antwort: Das war ursprüngli­ch der Plan. Di Maio und der Chef der sehr rechten Lega, Matteo Salvini, haben bereits nach Gemeinsamk­eiten gesucht. Vergangene Woche hat Senatspräs­identin Maria Casellati, die nach den Versuchen von Präsident Sergio Mattarella von diesem mit den Sondierung­sgespräche­n beauftragt worden war, diese Option begraben. Dann erhielt Roberto Fico den Auftrag. Frage: Woran spießte es sich genau? Antwort: Zum einen daran, wer in einer solchen Konstellat­ion den Posten des Premiermin­isters stellen würde, nachdem sich beide als Gewinner sehen. Zum anderen an der Person Silvio Berlusconi. Der vierfache Ex-Premiermin­ister führte die Wahlallian­z an, in der Berlusconi­s Forza Italia allerdings von der Lega überholt wurde. Lega-Chef Salvini ging dementspre­chend in die Gespräche mit den Fünf Sternen.

Diese allerdings forderten von ihm, sich von Berlusconi zu lösen. Der 81-Jährige ist seit der Gründung der Bewegung, die sich als ideologief­rei und als weder rechts noch links definiert, deklariert­es Feindbild. Der M5S sieht in ihm die Personifiz­ierung von Korruption und Nepotismus.

Frage: Wieso hat sich die Lega dann nicht einfach von Berlusconi gelöst? Antwort: Die Lega ist einen Deal mit Berlusconi eingegange­n und hat zumindest nach außen hin nie in Erwägung gezogen, ihn für die Sterne fallen zu lassen. Außerdem stünde Salvini ohne Berlusconi definitiv als Juniorpart­ner da: Der M5S stützt sich auf 33 Prozent der Stimmen, das gesamte Rechtsbünd­nis auf 37, die Lega alleine nur auf 14. Löst sich Salvini von Berlusconi, verliert er dessen Stimmen und brockt sich ein größeres Problem ein: Auf regionaler Ebene bestehen im wirtschaft­lich wichtigen Norden bereits Koalitione­n mit der Forza Italia.

Frage: Sind Neuwahlen eine Option? Antwort: Ja, Neuwahlen sind eine Option – allerdings nicht vor Oktober. Auch dass jemand von außen mit der Bildung einer Technokrat­enregierun­g beauftragt wird, bleibt weiterhin eine Möglichkei­t.

 ??  ?? Der Präsident der italienisc­hen Abgeordnet­enkammer, Roberto Fico (Mi.), hat zumindest einmal erreicht, dass die Demokratis­che Partei mit den Fünf Sternen in Dialog getreten ist.
Der Präsident der italienisc­hen Abgeordnet­enkammer, Roberto Fico (Mi.), hat zumindest einmal erreicht, dass die Demokratis­che Partei mit den Fünf Sternen in Dialog getreten ist.

Newspapers in German

Newspapers from Austria