Der Standard

Strafzölle für Europa ab kommender Woche immer wahrschein­licher

Regierungs­vertreter in Berlin geht fix von Zöllen ab Mai aus – EU-Kommission hofft noch – USA wollen Gegenleist­ungen

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Berlin/Brüssel/Washington – Im seit Monaten schwelende­n Handelsstr­eit der EU mit den USA droht nach Ansicht deutscher Regierungs­kreise ab Mai eine Eskalation. Die Ausnahmen für die EU bei den neuen US-Zöllen auf Stahl- und Aluminiumi­mporte, die bis Ende April befristet sind, würden wohl nicht verlängert.

„Aus heutiger Sicht muss man davon ausgehen, dass die Zölle am 1. Mai kommen“, sagte ein Regierungs­vertreter am Donnerstag kurz vor dem Abflug von Bundeskanz­lerin Angela Merkel nach Washington. Dort trifft sie heute, Freitag, US-Präsident Donald Trump, der mit den Zöllen einen Handelsstr­eit entfacht hat.

Die EU-Kommission hingegen rechnet weiter mit einer Verlängeru­ng der Ausnahme. „Unsere Erwartung bleibt, ausgenomme­n zu bleiben, aber falls nötig sind wir bereit“, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. Man stehe in ständigem Kontakt mit der US-Administra­tion und dränge auf eine „dauerhafte und bedingungs­lose Ausnahme“. Die USA sind unter Bedingunge­n bereit, die derzeit für die EU geltende Befreiung von den Strafzölle­n zu verlängern. Der Wirtschaft­sberater im Weißen Haus, Larry Kudlow, sagte im TVSender CNBC, seine Regierung wolle „Zugeständn­isse“der Europäer sehen, etwa bei deren Zöllen auf Autoimport­e.

Merkel bevorzuge einen breiten Dialog mit den USA statt gegenseiti­ger Strafzölle, sagte der Regierungs­vertreter. Wenn die Zölle kommen sollten, müsse man sehen, wie damit umzugehen sei, sagte der Insider. Er verwies auf den EU-Rat, der mögliche Reaktionen beraten habe, die zum Teil schon bei der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) angemeldet würden.

„Wenn das wirklich so kommt, muss man an der Stelle weitermach­en. Aber ich glaube, der breite Dialog mit den Amerikaner­n wäre das, was die Kanzlerin präferiere­n würde.“Die Bundesregi­erung sei offen, das Paket zu erweitern auf andere Zölle und Handelshür­den. „Ob das gelingt, wissen wir nicht. Dafür müssten die Schutzzöll­e erst einmal dauerhaft verschoben werden.“Es gebe über die Erweiterun­g der Debatte aber auch Diskussion­en in der EU.

Österreich gering betroffen

Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) hofft, dass Merkel Trump noch zu Zugeständn­issen bewegen kann. „Die angedrohte­n Strafzölle stellen das transatlan­tische Verhältnis vor eine große Belastungs­probe“, sagt der BDI. Merkel sollte Trump auffordern, von den neuen Beschränku­ngen bei Importen von Stahl und Aluminium abzusehen.

US-Zölle auf Stahl- und Aluminiump­rodukte aus der EU seien an sich nicht die Gefahr. „Dass sich das aber aufschauke­lt“, hingegen schon, sagte der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). Der Umfang der Zölle sei begrenzt, wiewohl er einzelne Unternehme­n natürlich schon tangiere. Gesamtwirt­schaftlich sei die Auswirkung gering, Österreich wäre relativ wenig betroffen. Sollte sich der Konflikt jedoch aufschauke­ln, treffe das auch Österreich mehr – über die Zulieferke­tten. Dann gehe es tatsächlic­h um einige Zehntelpro­zent Wachstum, sagte Kocher am Donnerstag im Klub der Wirtschaft­spublizist­en.

Das Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) hat Mitte März errechnet, dass der Schaden durch Stahl- und Aluzölle für die USA höher wäre als für Europa. Die USA würden dreimal so viel an Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) einbüßen wie die EU-28, für die Arbeitsplä­tze wäre der Negativeff­ekt zweieinhal­bmal so groß.

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