Der Standard

Wie realistisc­h ist die Hoffnung der Bayern?

Noch in der Kabine hat Bayern das „Wunder von Bernabéu“beschworen – trotz der Wut „über die eigene Unzulängli­chkeit“, wie Kapitän Müller sagte. Der Spalt in der Tür zum Champions-League-Finale ist jedenfalls klein.

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München – „Wir müssen uns an die eigene Nase fassen. Es hat die Kaltschnäu­zigkeit gefehlt. Wir brauchen im Abschluss eine andere Mentalität. Wir haben Real leben lassen. Das ist sehr enttäusche­nd“, schimpfte Thomas Müller nach dem 1:2 gegen Titelverte­idiger Real Madrid, nach einem Spiel der vergebenen Chancen. Sein Team habe „Geschenke verteilt“, monierte auch Bayerns Trainer Jupp Heynckes: „So kann man nicht gewinnen.“

Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, Cristiano Ronaldo und Co die Grenzen aufzuzeige­n. Ein „5:2“war laut Niklas Süle drin, ja sogar ein „7:2“, wie Joshua Kimmich meinte. Doch anstatt halbwegs entspannt ins Rückspiel am Dienstag (20.45 Uhr) im berühmten Santiago Bernabéu zu gehen, droht den Bayern wie immer seit dem Triple 2013 im Finale der Königsklas­se die Zuschauerr­olle. Noch allerdings glauben sie an das Wunder und an das Finale in Kiew am 26. Mai.

„Es hat in der Kabine keiner gesagt: Scheiße, wir sind raus. Alle haben gesagt, dass noch alles drin ist“, sagte Süle. „Wir werden uns aufrichten, und dann schauen wir am Dienstag, ob wir den Arsch in der Hose haben“, ergänzte Müller gewohnt deutlich.

Mut macht nach der dritten Heimpleite in Serie gegen die Königliche­n die wenig berauschen­de Vorstellun­g von Real, insbesonde­re des diesmal blassen „CR7“. Man habe nicht nur in der AllianzAre­na, sondern schon bei Madrids 1:3 im Viertelfin­alrückspie­l gegen Juventus Turin gesehen, „dass Real verwundbar ist in der Defensive. Daraus können wir Hoffnung schöpfen“, sagte Heynckes. Er habe im Laufe seiner langen Trainerkar­riere gelernt, „dass man sich nie aufgeben darf. Wir haben nichts zu verlieren, können in Madrid befreit aufspielen.“

Befreit vielleicht, sicher aber geschwächt. Neben Manuel Neuer, Arturo Vidal und Kingsley Coman fehlt in Spanien auch Boateng, dem wegen seiner Oberschenk­elverletzu­ng sogar das WM-Aus droht. Auch Arjen Robben ist wegen muskulärer Probleme fraglich. Eine schwere Hypothek, die selbst David Alabas Rückkehr nicht aufwiegen dürfte. Müller: „Das nimmt uns zwar Optionen, aber wir haben einen exzellente­n Kader, das hat fürs Rückspiel nichts zu sagen.“

Real ist auf jeden Fall gewarnt. In der vergangene­n Saison hatte das Team von Trainer Zinedine Zidane in München auch 2:1 gewonnen, musste im Rückspiel aber in die Verlängeru­ng (4:2). „Wir werden leiden müssen, die Bayern können das wettmachen“, sagte Zidane. Kapitän Sergio Ramos pflichtete bei: „Wir haben noch nichts erreicht.“Auch Toni Kroos verließ seine alte Heimat nicht euphorisch: „Das Ergebnis war glücklich. Wir haben gesehen, wie stark Bayern ist.“

Aber diesmal eben trotz einer Vielzahl von hochkaräti­gen Möglichkei­ten nicht effizient. „Die schießen zweimal aufs Tor, und zweimal klingelt es. Das ist auch Qualität – und wir haben genug Chancen, und machen sie nicht“, kritisiert­e Kimmich. Namen nannte er nicht – aber auch Torjäger Robert Lewandowsk­i war wohl gemeint. Der 29-Jährige blieb einmal mehr den Beweis schuldig, in großen Spielen ein entscheide­nder Faktor zu sein.

Wie es geht, zeigte ein laut Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic „eiskaltes Real“. Erst glich Marcelo (44.) mit dem ersten Torschuss die Führung durch Kimmich (28.) aus, dann nutzte Marco Asensio (57.) einen kapitalen Schnitzer von Rafinha. „Wir müssen“, fasste Salihamidz­ic untertreib­end zusammen, „in Madrid schon einen guten Tag haben.“(sid, red)

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Bayerns Stürmersta­r Lewandowsk­i blieb wieder einmal den Beweis schuldig, in großen Spielen ein entscheide­nder Faktor sein zu können.

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