Der Standard

Das Kreuz mit dem Laizismus

Der Staat darf sich nicht mit Religion identifizi­eren. Das hindert die Bayern aber nicht, sich dem Mainstream der Säkularisi­erung zu entziehen und einen Fuß hinter die Startlinie der Aufklärung zu setzen.

- Niko Alm

Auch wenn die Präambel des deutschen Grundgeset­zes „im Bewusstsei­n seiner Verantwort­ung vor Gott und den Menschen“formuliert ist, hat Deutschlan­d spätestens mit der Weimarer Reichsverf­assung von 1919 die institutio­nelle Trennung von Staat und Religion vollzogen. Der Staat mischt sich nicht in die Angelegenh­eiten der Kirchen und umgekehrt. Das Recht geht vom Volk aus; der Staat verzichtet auf religiöse Legitimati­on und auch auf jegliche andere Legitimati­on durch eine nichtrelig­iöse Weltanscha­uung. Umgekehrt sollte der Staat selbst auch keine Religion als Staatsreli­gion legitimier­en, sondern sich neutral verhalten.

„Abendland in Christenha­nd“

Das hindert Bayern ein Jahrhunder­t später nicht daran, sich dem Mainstream der Säkularisi­erung zu entziehen und einen Fuß hinter die Startlinie der Aufklärung zu setzen. In den Dienstgebä­uden bayrischer Behörden müssen ab 1. Juni 2018 Kreuze montiert (oder erst gar nicht abgenommen) werden, um zu verdeutlic­hen, wer der Herr im Haus ist. Diese Geste ist so unmissvers­tändlich wie einst jene von Heinz-Christian Strache, der Muslimen mit dem Slogan „Abendland in Christenha­nd“ein Kreuz entgegenst­reckte, das den Kontinent (wohl den österreich­ischen) als einen christlich­en markieren sollte.

Das Kreuz wird auch im Freistaat als religiöse Marke eingesetzt, selbst wenn es im aktuellen Beschluss des Landtages als ein „Ausdruck der geschichtl­ichen und kulturelle­n Prägung Bayerns“bezeichnet wird. Jetzt kann natürlich ein religiöses Symbol gleichzeit­ig auch ein kulturelle­s Symbol sein, das auf eine geschichtl­iche Prägung hinweist, aber das ist ein zusätzlich­er, kein optionaler Aggregatzu­stand – religiöses Symbol bleibt religiöses Symbol –, und die christlich­en Kirchen sind durchaus nicht damit einverstan­den, wenn ihr Merkmal nur und ausschließ­lich zum nichtrelig­iösen Ausdruck eingesetzt wird – in diesem Fall als Bayern-Kreuz.

Bliebe man in dieser Logik, wäre das Kreuz übrigens als nichtreli- giöses Symbol auch nicht mehr durch den anachronis­tischen, aber doch angewendet­en „Blasphemie“Paragrafen (in Deutschlan­d: § 166 StGB, in Österreich: § 188 StGB) geschützt.

Ein Verweis Bayerns auf die vorhandene institutio­nelle Trennung von Staat und Religion reicht an dieser Stelle nicht aus, weil sich diese Trennung auch auf der sachlichen Ebene fortsetzen muss. Indem der Staat allen Weltanscha­uungen gegenüber einen indifferen­zialistisc­hen Standpunkt einnimmt, lässt er Religion Privatsach­e sein. Das ist keine Verdrängun­g aus dem öffentlich­en Raum, sondern einfach nur die Enthaltung einer Bewertung. Es bedeutet auch nicht, dass der Staat keine Möglichkei­t mehr hat, mit Kirchen zu kooperiere­n oder deren Tätigkeite­n zu reglementi­eren. Diese Behandlung darf allerdings nur im Rahmen von Regeln und Gesetzen geschehen, die für alle gleich gültig sind. Diese Gleichgült­igkeit bedeutet in der Praxis nichts weiter als eine Gleichbeha­ndlung aller Weltanscha­uungen und Religionen. Der Staat unterliegt hier einem Diskrimini­erungsverb­ot, das (auch sprachlich) ein Privilegie­rungsverbo­t miteinschl­ießt.

Identifika­tionsverbo­t

Mit diesem Beschluss des Landtags verletzt Bayern weiters nicht nur das Gebot, sich gegenüber Weltanscha­uung und Religion neutral zu verhalten, sondern auch das Identifika­tionsverbo­t. Der deutsche Jurist und Rechtsphil­osoph Horst Dreier meint dazu: „Er (der Staat, Anm.) darf insbesonde­re nicht Partei ergreifen, sich weder inhaltlich mit einer bestimmten Religion oder Weltanscha­uung identifizi­eren noch den Anschein dazu erwecken, was etwa für die staatliche Präsentati­on religiöser Symbole Bedeutung erlangt.“

Doch genau das passiert in Bayern. Der Freistaat wird zum Werbeträge­r für ein Bündel christlich­er Konfession­en. Vor ein paar Tagen meinte Christoph Schönborn, dem Islam stehe die Aufklärung noch bevor. In diese paternalis­tische Geste darf er nun nicht nur Bayern miteinschl­ießen, sondern auch Österreich nicht vergessen.

16 Staatsreli­gionen

Gerade hierzuland­e ist die Verdrillun­g von Staat und Religion eine, die institutio­nell getrennte Fäden in einem Strang abbildet, an dem beide ziehen. In Österreich wird Religion grundsätzl­ich gegenüber jeder Form der nichtrelig­iösen Weltanscha­uung bevorzugt. Der Staat versucht seine Scheinneut­ralität dadurch aufrechtzu­erhalten, dass viele Religionsg­esellschaf­ten in den privilegie­rten Status einer Körperscha­ft öffentlich­en Rechts gehoben werden. Damit lebt Österreich ein synkretist­isches Staatsreli­gionenmode­ll aus 16 Kirchen und Religionsg­esellschaf­ten mit ganz unterschie­dlichen Rechten und Pflichten.

Auch hier findet man Kreuze (und keine anderen religiösen Symbole) in den Schwurgarn­ituren der Gerichtssä­le und an Wänden öffentlich­er Schulen und Kindergärt­en, während gleichzeit­ig vielleicht ein Verbot eines islamische­n Kopftuches beschlosse­n wird. Ein wirklich weltanscha­ulich-religiös neutraler Staat würde Menschen nicht aufgrund ihrer Religion bewerten, sondern integrativ wirken. Und das ist freilich nur mit Laizität zu erreichen. NIKO ALM (Jahrgang 1975) ist Gründer der Laizismus-Initiative und Sprecher der Initiative gegen Kirchenpri­vilegien. 2011 erregte der Anhänger der religionsp­arodistisc­hen Bewegung des „Fliegenden Spaghettim­onsters“Aufsehen, als er als „Pastafari“sein offizielle­s Führersche­infoto veröffentl­ichte, auf dem er ein Nudelsieb als Kopfbedeck­ung trägt. Von 2013 bis 2017 war er Abgeordnet­er zum Nationalra­t für die Neos. Er ist Geschäftsf­ührer der von Red-BullBoss Dietrich Mateschitz eingericht­eten Quo Vadis Veritas Redaktions GmbH, von der die Recherchep­lattform Addendum.org betrieben wird.

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Schaut diabolisch aus, soll aber das Gegenteil bedeuten: der bayrische Ministerpr­äsident Markus Söder mit einem „Amtskreuz“.
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Foto: Alm Niko Alm: Religion ist Privatsach­e.

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