Der Standard

Prekäre Beschäftig­ung ist dem Kulturbetr­ieb von jeher eingeschri­eben. Studien zeigen, dass sich das noch weiter verschärft. In den Bundesmuse­en fordern Mitarbeite­r seit 17 Jahren einen Kollektivv­ertrag.

- Stefan Weiss

Mit seinem Bild Der arme Poet stieß der Maler Carl Spitzweg bei seinen Zeitgenoss­en auf Unverständ­nis. Einem Künstler, dachte man 1839, gebühre nur dann ein öffentlich­er Platz, wenn er triumphier­end vom Marmorsock­el herabblick­e. Die ironische Darstellun­g vom erfolglose­n Literaten, der in seiner schäbigen Dachstube einen Schirm braucht, um nicht nass zu werden, schien unwürdig. Bis heute hat sich an diesem Blick auf den Berufsstan­d wenig geändert. Das geflügelte Wort von der brotlosen Kunst wurde allenfalls romantisie­rt.

Als „arm, aber sexy“tituliert sich etwa gern die Stadt Berlin, Mekka für bildende Künstler aus aller Welt. Rund 8000 sind es laut einer aktuellen Studie. Wenig sexy: Nur jeder zehnte Kunstschaf­fende kann von seiner Arbeit leben. Bei 80 Prozent reichen die Einkünfte nicht einmal, um die Materialko­sten zu decken. Im Durchschni­tt verdienen Berliner Künstler 11.600 Euro im Jahr, Frauen deutlich weniger: 8400 Euro. Dieser „Gender-PayGap“ist im Unterschie­d zu 2011 sogar noch größer geworden. Prekäre Beschäftig­ungsverhäl­tnisse sind im Kulturbetr­ieb keine Ausnahme, sondern die Regel. Das zeigen auch Studien aus Österreich. BESTANDSAU­FNAHME:

Die Einkommen der Künstler, darunter Musiker, Schriftste­ller, Schauspiel­er, wurden hierzuland­e zuletzt 2008 erhoben. Damals verdiente der Durchschni­tt gerade einmal 4500 Euro pro Jahr aus künstleris­cher Tätigkeit. Drei Viertel der Befragten müssen daher durch weitere Jobs aufstocken. Im Schnitt schaffen es die Künstler so auf knapp 1000 Euro monatlich – ein Leben an der Armutsgren­ze, trotz statistisc­her Wochenarbe­itszeit von 50 Stunden.

„Im Vergleich zu anderen Branchen gibt es im Kulturbere­ich ein extremes Einkommens­gefälle zwischen einzelnen Topstars und der breiten Mehrheit“, sagt Clemens Christl, der im Auftrag der Arbeiterka­mmer die jüngste Untersuchu­ng zum Thema durchgefüh­rt hat. Ein großes Problem bestehe darin, dass sich bei Künstlern kurze Anstellung­sverhältni­sse und Engagement­s in (Schein-)Selbststän­digkeit permanent abwechseln. Durch diese Diskontinu­ität kämen viele nicht auf die erforderli­chen Beschäftig­ungszeiten, um Anspruch auf Arbeitslos­engeld zu haben. Das sei nur ein Problem unter vielen.

Betrachtet man die gesamte Branche, so zieht vor allem die fehlende Inflations­anpassung von öffentlich­en Förderunge­n dramatisch­e Folgen nach sich. Wenn die Subvention von Jahr zu Jahr weniger wert ist, wird das vielfach auf dem Rücken der Künstler ausgetrage­n. Hart trifft das auch jene Kulturarbe­iter, die nicht selbst Kunst schaffen, aber abseits der großen Show für das Funktionie­ren der Branche sorgen.

„Die Diskrepanz wird immer drastische­r“, meint Wolfgang Zinggl von der Liste Pilz. Es sei nicht nachvollzi­ehbar, dass etwa die Direktorin des Technische­n Museums „mehr verdient als der Bundeskanz­ler, doppelt so viel wie der Direktor des Louvre und dreimal so viel wie der Direktor des Deutschen Museums, während die restlichen Museumsmit­arbeiter Reallohnbu­ßen hinnehmen müssen und seit 17 Jahren auf einen Kollektivv­ertrag warten.“

Offener Brief als Kampfmaßna­hme

In einem offenen Brief, der dem STANDARD übermittel­t wurde, fordern die Betriebsrä­te der Albertina, des Belvedere, des Mumok, des Mak, der Nationalbi­bliothek und des Technische­n Museums „anlässlich des ersten Mai“die Politik zu Verhandlun­gen auf. Medien, heißt es in dem Schreiben außerdem, würden sich für die Bundesmuse­en einzig zur Event- und Wohlfühlbe­richtersta­ttung“interessie­ren.

Dass der ausschließ­liche Blick auf die Stars der Kunstwelt so manchen Missstand verdeckt, hätte seinerzeit vielleicht auch Carl Spitzweg unterschri­eben.

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