Die Ränder der Literatur nicht aus den Augen verlieren
Klaus Kastberger leitet seit drei Jahren das im Jahr 2003 gegründete Literaturhaus Graz. Ein Gespräch über digitale Medien, die Bedeutung von Literatur und den Mythos der Literaturhauptstadt Graz.
Was es in jeder kulturellen Institution braucht, ist, sagen zu können, wer man selber ist. Daher versuchen wir auch in extremem Maße, nach außen zu tragen, was wir für Vorstellungen haben, und gleichzeitig offen zu sein für die literarische Szene der Stadt und für neue Formen von Literatur. Wenn das Rebellische und Vielfalt zusammengingen, wäre das schön. Wichtiger als Rebellion ist mir aber Vielfalt – und Offenheit für andere Vorstellungen von Literatur, die aktuell so wachsen.
Digitale Medien verändern Literatur und die Struktur des Literaturbetriebes stark. Die Vorstellung, dass zur Literatur ein Verlag gehört und sie sich nur im Buch abspielt, wird brüchig. Oft ist es so, dass literarische Formen, die am Rande des Betriebs wachsen, schnell wieder von Letzterem aufgenommen werden. Twitteroder Facebookliteratur diffundiert schnell in den klassischen Bereich hinein. Die Ränder des klassischen Literaturbegriffs zu sehen und starkzumachen ist eine wesentliche Aufgabe eines Literaturhauses. Man muss auch außerhalb des klassischen Betriebs denken und sich nicht zu dessen Büttel machen lassen. Es ist wichtig zu zeigen, dass Literatur eine größere Sache ist, als das klassische bil- dungsbürgerliche Publikum weilen denkt. zu-
Das kommt darauf an, was man unter Erfolg versteht. Wenn man ihn daran misst, dass Publikum kommt, dann sind wir äußerst erfolgreich. Mir ist wichtig, Elemente im Programm zu haben, die wir und unsere externen Kuratoren nach wie vor als den Kern qualitativ hochwertiger Literatur ansehen. Diesen Bereich einem Publikum weiterzugeben ist immer schwieriger. Ein Erfolg ist sicherlich, dass wir mit dem Programm – wie zuletzt der Veranstaltung „Rapper lesen Rapper“– ein Publikum erreichen, das vorher wahrscheinlich noch nie in einem Literaturhaus gewesen ist. Diese Events dürfen aber den anderen Teil des Programms nicht völlig unterhöhlen.
Der Mythos der Grazer Literatur lebt bis heute. Graz ist eine Stadt, in der Autoren wirklich leben, aus der sie nicht gleich weggehen, wenn sie bekannt werden. Als ich vor drei Jahren nach Graz gekommen bin, war ich erstaunt, wie viele Autoren hier leben. Also einerseits Leute, die von hier sind und keine Notwendigkeit sehen, nach Wien oder Berlin zu gehen, und auch Menschen, die durch die Kulturpolitik der Stadt und des Landes hierhergeholt wurden als Writers in Exile oder Writers in Residence. Also Graz und Literatur hat schon einen sehr spezifischen Zusammenhang, der wahrscheinlich auch nur in dieser Stadt so wachsen konnte.